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Gochsheim
Diagnose Leukämie: Wenn das Leben auf Messers Schneide steht
Benjamin Krug aus Gochsheim hat Myeloische Leukämie. Er hatte Glück, denn sein "genetischer Zwilling" war Stammzellenspender. Warum er nun andere zur Typisierung aufruft.
Die Krankheit verändert nicht nur den Körper, sondern den ganzen Menschen. Vieles was vorher wichtig erschien, verliert an Bedeutung. Auch diese Erfahrung hat Benjamin Krug, der an Leukämie erkrankt ist, während der hinter ihm liegenden Monate gemacht. Nach der Stammzellentransplantation haben er und seine Frau Stefanie wieder Hoffnung, dass die Erkrankung eines Tages Geschichte sein wird. 
Foto: Helmut Glauch | Die Krankheit verändert nicht nur den Körper, sondern den ganzen Menschen. Vieles was vorher wichtig erschien, verliert an Bedeutung.
Helmut Glauch
Helmut Glauch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:59 Uhr

"Es trifft einen wie ein Blitz, plötzlich ist nichts mehr wie es war." Die Diagnose "Akute Myeloische Leukämie", eine aggressive Leukämie-Variante erschütterte im Sommer 2020 das Leben des 43-jährigen Gochsheimers Benjamin Krug in den Grundfesten. "Ich bin sportlich, habe jeden Morgen trainiert, fuhr immer mit dem Rad zur Arbeit, bin jede Woche 30 Kilometer gelaufen und viel  geschwommen, habe nicht geraucht und keinen Alkohol getrunken", so Krug über sein Leben vor dem Krebs.

Aber für die Leukämie gibt es, im Gegensatz zu vielen anderen Krebsarten, keine Risikofaktoren, denen man durch ein gesundes Leben aus dem Weg gehen könnte. "Es fing schleichend an, die Beine waren schwer, ich war antriebslos, habe keinen Sport mehr gemacht, weil einfach die Kraft fehlte".    An eine schlimme Krankheit denkt er nicht, als er 2020 seinen Sommerurlaub mit der Familie nutzt, um sich mal richtig auszuruhen und ihn nicht wie üblich als sportlichen Aktivurlaub zu gestalten.

"Ich habe schon gemerkt, es stimmt was nicht", erinnert er sich. Dann geht es Schlag auf Schlag. Über Nacht entwickeln sich blutige Wunden im Zahnfleisch, die Haut zeigt offene Stellen. Der erste Verdacht "bakterielle Entzündung" wird schnell zu den Akten gelegt, das detaillierte Blutbild bringt es an den Tag – Leukämie.     

Mit der Diagnose am 19. September wird sofort in der Uni-Würzburg mit der Chemotherapie begonnen. "Das Leben wie man es bisher geführt hat, steht von einem Tag auf den anderen nicht nur still, sondern auf der Kippe, denn die Lebenserwartung ohne Stammzellenspende ist gering", erinnert sich Benjamin Krug an die schweren Tage im Spätsommer und Herbst 2020. Für den Ehemann, Vater zweier Töchter und Großvater einer kleinen Enkelin beginnt das volle Programm mit Hochdosis- Chemotherapien, Antikörperbehandlung, Ganzkörperbestrahlungen und gesundheitlich sehr  kritischen Tagen. Viel Aufwand mit statistisch gesehen mäßigem Erfolg, denn nur eine Stammzellentherapie erhöht die Chancen auf Heilung signifikant.  

"Ich hatte großes Glück, dass sich mein 'genetischer Zwilling' als Spender registriert hatte", blickt Benjamin Krug dankbar auf diese Zeit zurück. Die Chance, diesen genetischen Zwilling zu finden erhöht sich mit Zahl und Bereitschaft der Menschen, sich typisieren zu lassen und so als potenzieller Stammzellenspender zur Verfügung zu stehen. Viele Patienten warten vergeblich auf einen genetischen "Treffer", der eine Stammzellentransplantation ermöglicht. Zu wenige Spender, das bedeutet zu viele Menschen – Kinder, Eltern, Freunde, Geschwister, Großeltern – die an dieser Krankheit sterben.

Bei ZF in Schweinfurt, wo Benjamin Krug als Programmplaner arbeitet, wurde dazu aufgerufen sich typisieren zu lassen. Viele Kolleginnen und Kollegen sind dem gefolgt, wofür er ihnen ewig dankbar sein wird. Die Planungen für eine eigene Typisierungsaktion bei ZF waren noch im Gange, als von der Deutschen Knochenmarkspender-Datei (DKMS) ein "Match" gemeldet wurde. Ein Volltreffer sozusagen, denn alle zehn der überprüften "Marker" stimmten überein. Schon bei 9 von 10 Übereinstimmungen hat man einen Treffer.        

"Ich hatte großes Glück, dass sich mein 'genetischer Zwilling' als Spender registriert hatte". 
Benjamin Krug, dem am 1. Dezember passende Stammzellen transplantiert wurden 

"Am 1. Dezember wurden die lebensnotwenigen Stammzellen von meinem Spender transplantiert", erinnert sich Benjamin Krug an diesen Tag, seinen "zweiten Geburtstag", wie er ihn nennt. Wem er den zu verdanken hat, das bleibt anonym. Nach zwei Jahren wäre es möglich, dass sowohl Spender als auch Empfänger Kontakt aufnehmen könnten.

Aber um mehr solche neue Hoffnung auf ein Weiterleben zu ermöglichen, sei es nötig, dass sich mehr Menschen typisieren lassen. Benjamin Krug selbst und seine Frau Stefanie sind bereits seit 18 Jahren als Spender registriert. Damals wurde für einen kleinen Jungen in Schweinfurt ein geeigneter Spender gesucht. Die Typisierung selbst geht ganz schnell über die Bühne.

"Man hat praktisch kein Immunsystem mehr"

Sollte man als Spender in Frage kommen, müsse man sich das ähnlich wie bei einer Bluttransfusion vorstellen. Aus dem entnommenen Blut werden die Stammzellen gefiltert, sein Eigenblut wird dem Spender danach wieder zugeführt. Äußerlich ähnlich unspektakulär verläuft die Stammzellen-Übertragung an den Empfänger.     

Der lange und schwere Weg der Genesung mit der Aussicht, irgendwann einmal wieder einen Gutteil seines alten Lebens zurückzubekommen, fängt damit aber erst an, für Patienten wie Benjamin Krug. "Es ist, als wäre genetisch gesehen der Reset-Knopf gedrückt worden", vergleicht er seine Situation. Genetisch "auf Null gesetzt", besteht eine hohe Infektionsgefahr, eigene "Helferzellen" bauen sich nur langsam wieder auf. "Man hat zunächst praktisch kein Immunsystem mehr, jeder Keim, jede Infektion kann sehr gefährlich werden, außerdem ist der Impfschutz weg". Hinter Benjamin Krug liegen drei Monate Krankenhaus, meist alleine im Zimmer, um Infektionen zu vermeiden, und nur wenige Tage zuhause.     

"Jeder Spender kann ein Leben retten, ich habe die Chance bekommen und möchte helfen, damit auch andere diese Chance bekommen".
Benjamin Krug ruft zur Typisierung auf, um die Wahrscheinlichkeit eines "Match" zu erhöhen  

"Die ersten zwei Jahre nach der Stammzellen-Transplantation sind kritisch im Hinblick darauf, dass die Leukämie zurückkommt, oder die Stammzellen abgestoßen werden", weiß Benjamin Krug. Nicht "rezidiv", also  ohne neue Krebszellen zu sein, ist die gute Botschaft nach jeder Kontrolluntersuchung in der Uni-Klinik. Auch Benjamin Krug zählt die Tage seines neuen Lebens – es sind schon gut 150. Als "Studienpatient" unterzieht er sich selbst regelmäßigen Tests, möchte so dazu beitragen, dass die Medizin neue Erkenntnisse über die Krankheit gewinnen kann.

"Vor uns liegt noch ein steiniger Weg, aber wir werden ihn gehen", und mit "Wir" meint er Freunde, seine Familie, allen voran seine Frau Stefanie, die rund um die Uhr für ihn da war und ist. "Nach der Transplantation musste ich 42 Tabletten am Tag nehmen, jetzt sind es noch neun." So schlägt sich Hoffnung in Zahlen nieder. Und noch eine Hoffnung hat er, nämlich die, Ende diesen Jahres wieder arbeiten gehen zu können.

Bis es so weit ist, möchte er andere Menschen ermutigen selbst potenzielle Stammzellenspender zu werden. "Diese heimtückische Krankheit kann jeden Treffen, lasst euch typisieren", so seine Botschaft. Vor allem an jungen Spendern und da vornehmlich an jungen Männern fehle es beim "Netzwerk Hoffnung", der Stammzellspender-Datei des Universitätsklinikums Würzburg oder bei der gemeinnützigen Deutschen Knochenmarkspender-Datei DKMS, wo man sich auch online ein Typisierungs-Set kommen lassen kann. Das ist vor allem im Augenblick wichtig, weil wegen Corona keine großen Typisierungsaktionen stattfinden können.

"Jeder neue Spender kann ein Leben retten, ich habe die Chance bekommen und möchte helfen, damit auch andere diese Chance bekommen", appelliert Benjamin Krug an alle dazu beizutragen, dieser Krankheit etwas von ihrem Schrecken zu nehmen.

 
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