
In Stadtlauringen gibt es ein Tier, auf das Bürgermeister Friedel Heckenlauer gar nicht gut zu sprechen ist. Braunes Fell, breiter Schwanz, große Nagezähne – der einst fast ausgerottete Biber hat sich in der Marktgemeinde zu einem Störenfried entwickelt. Man könnte auch sagen, zu einem "Problem-Biber". Zumindest für die Menschen vor Ort. Denn der Biber tut, was er tun muss: Er fällt Bäume, baut Dämme, staut Bäche. Mit der Folge, dass Grundstücke überfluten, Wiesen übersäuern, ja sogar Gebäude Schaden nehmen.
In den vergangenen fünf Jahren wurden für den gesamten Landkreis Schweinfurt jährlich zwischen zehn und 20 Anträge auf Entschädigung gestellt. Die Schadenshöhe lag pro Jahr zwischen 2300 und 9500 Euro. Meist handelte es sich um Schäden an landwirtschaftlichen Flächen, teilt das Landratsamt Schweinfurt mit.
"Wir sind mit am stärksten betroffen im Landkreis Schweinfurt", sagt Stadtlauringens Bürgermeister Friedel Heckenlauer im Gespräch mit dieser Redaktion. 30 aktive Dämme wurden vor zwei Jahren zwischen Stadtlauringen und Oberlauringen gezählt. Inzwischen hat sich der Biber nicht nur an der Lauer, sondern auch an Geißler und Sauerquellbach bis an die Quellen vorgearbeitet. An den vorhandenen Biberdämmen seien massive Ausweitungen registriert worden. Das Bachbett der Lauer verlaufe jetzt teilweise außerhalb der ursprünglichen Trasse. Die Wiesen verlieren an Qualität, seien teilweise nicht mehr als Futtermittel zu verwenden. Wöchentlich müsse der Bauhof ausrücken, um Biberschäden zu beseitigen.

Das will Heckenlauer nicht länger akzeptieren. Man wolle sich nun mit den Nachbarlandkreisen Haßberge und Bad Kissingen zusammenschließen und auf politischer Ebene ein Lösungskonzept fordern. Heckenlauer: "Wenn die Gesellschaft will, dass der Biber hier heimisch ist, dann muss sie auch dafür sorgen, dass andere dadurch nicht geschädigt werden."
Im 19. Jahrhundert war der Biber nahezu ausgerottet
Menschen haben den Biber in Bayern im 19. Jahrhundert nahezu ausgerottet. Inzwischen ist er aber zurück. Das bayerische Umweltministerium schätzt, dass es im Freistaat etwa 22.000 Tiere in 6000 Revieren gibt. Bayern ist fast flächendeckend besiedelt.
Auch im Landkreis Schweinfurt ist der Biber angekommen. Er besiedelt nahezu alle möglichen Abschnitte von geeigneten Gewässern. Nach Angaben der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt waren im Jahr 2022 67 Biberreviere kartiert worden. Man geht davon aus, dass pro Revier drei bis sieben Biber leben. Da nur kartierte Biberreviere aufgenommen sind und nicht dauerhaft flächig kartiert wird, liege die Zahl an Biberrevieren aber deutlich höher, heißt es in der Stellungnahme der Behörde.
Dass sich der Bestand erholt hat, führen die Fachleute auf die gezielte Wiederansiedlung in den 1960er- bis 1980er-Jahren und die Schutzmaßnahmen zurück. Der Biber zählt zu den streng geschützten Tieren, er hat den höchsten Schutzstatus in Deutschland. Dementsprechend gilt für Biber ein Tötungsverbot. Lediglich in Bayern darf der Nager zwischen dem 1. September und 15. März an Kläranlagen, Triebwerkskanälen, erwerbswirtschaftlich genutzten Fischteichanlagen oder öffentlichen Straßen "entnommen" werden, so lautet der Fachbegriff für die Bejagung, wenn es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt.
"Im Gemeindegebiet Stadtlauringen gibt es bereits seit dem Jahr 2016 Entnahmegenehmigungen im Bereich der alten Kläranlage bei Oberlauringen", informiert die Untere Naturschutzbehörde. Inwieweit die genehmigte Entnahme gelinge, "liegt nicht in unserem Einfluss", heißt es.
Bibermanagement vermittelt bei Konflikten und unterstützt die Bauhöfe
Das Bayerische Umweltministerium hat bereits vor über zehn Jahren ein Bibermanagement an den Landratsämtern etabliert. Denn je mehr Biber, desto mehr Probleme, zumindest für die Menschen. Am Landratsamt Schweinfurt gibt es geschulte Mitarbeiter, die bei Konflikten vermitteln. "Wir unterstützen die gemeindlichen Bauhöfe auch beim Bau von Dammdrainagen oder Elektrozäunen", teilt die Behörde mit.

Ziel des Bibermanagements ist es, Schäden zu minimieren oder erst gar nicht entstehen zu lassen. Für den Markt Stadtlauringen seien in den vergangenen Monaten mehrere konkrete Maßnahmen ergriffen worden, teilt die Untere Naturschutzbehörde mit. So wurden insgesamt 100 Meter Drahtgeflecht an die Gemeinde und den Schützenverein Oberlauringen zum Schutz von erhaltenswerten Bäumen ausgegeben. Auch Dammabsenkungen und Dammbeseitigungen seien genehmigt worden. Grünes Licht gab es zudem für den Aufbau von Elektrozäunen an zuvor abgesenkten Biberdämmen zwischen Altenmünster und Sulzdorf sowie am Regenrückhaltebecken Sulzdorf. Der Wasserstand im Bachlauf werde dadurch entsprechend niedrig gehalten, um Vernässungsschäden an landwirtschaftlichen Flächen zu vermeiden. Geplant sei weiterhin der Einbau eines Drainagerohres bei einem Biberdamm an der Lauer am Ortseingang von Stadtlauringen.
Wo dennoch Schäden entstehen, gleicht der Freistaat Bayern einen Teil aus. Laut Umweltamt stehen aktuell 600.000 Euro im Jahr bayernweit zur Verfügung. Je nach Schadensaufkommen wird eine Ausgleichsquote berechnet und im Folgejahr ausgezahlt. Zuletzt lag die Erstattungsquote im Landkreis Schweinfurt bei 76,71 Prozent.
Bürgermeister Heckenlauer kritisiert, dass Grundstücksbesitzer ihren Schaden nur anteilig erstattet bekommen. Und dass die Auszahlung erst ein Jahr später erfolgt. Es sei nicht akzeptabel, dass für ein gesellschaftliches Ziel Einzelne mit ihrem Privatvermögen haften müssten.
Naturschützer sagen: "Der Biber ist in vielen Fällen ein Problemlöser"
In Stadtlauringen ist der Biber inzwischen ein ähnliches Reizthema geworden wie der Wolf in der Rhön oder Problembär Bruno in Oberbayern. "Bei dieser Diskussion rücken die vielen und überwiegenden positiven Aspekte, die Biber mit sich bringen, oftmals in den Hintergrund", bedauert die Untere Naturschutzbehörde. Biber seien keine "Schädlinge", sondern in vielen Fällen "Problemlöser". Biberteiche bauen Nährstoffe im Wasser ab, halten Sedimente zurück und reinigen so das Wasser. Durch den Rückstau entstehe neues Grundwasser, was gerade in unserer trockenen Gegend von enormer Bedeutung sei.
Die Behörde listet noch weitere Vorteile auf: In den von Bibern gestalteten Lebensräumen läuft bei Starkregen das Wasser langsamer ab und verteilt sich so über eine größere Fläche. In Trockenzeiten komme das Wasser, das durch Biberdämme in Teichen und über den erhöhten Grundwasserspiegel zurückgehalten wurde, auch den angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen sowie dem Wild zugute. So sei im Trockensommer 2022 der Mais im Bereich von Biberlebensräumen hochgewachsen, anderenorts nicht. An Biberseen entstehe zudem ein neuer Lebensraum für Amphibien, Libellen und Wasservögel. Die absterbenden Bäume entlang von Bächen seien Lebensraum und Nahrung für zahlreiche Insekten, die wiederum andere Arten wie den Specht anziehen.
Fazit der Naturschutzbehörde: "Die vom Biber zur Verfügung gestellten Ökosystemleistungen sind kostenlos und bringen der Gesellschaft diverse Vorteile. Die Nachteile werden, soweit möglich, durch entsprechende Präventionsmaßnahmen bzw. durch Ausgleichszahlungen abgemildert."
Da kommt mir die Rocky Horror Picture Show in den Sinn:
And crawling on the planet's face,
some insects called the human race.
Lost in time, and lost in space.
And meaning.
Richard O'Brien
Mensch hier, Umweltschutz dort!
zeigen Sie die Problematik sehr schön auf.
Sie sind ja nicht der einzige,
der verkennt, daß der Mensch als Bestandteil der Umwelt mit dieser vielfältig verwoben ist und eben nicht die völlig losgelöste selbstherrliche Krone der Schöpfung mit der Befugnis zur Ignoranz darstellt.
Was Sie oder auch der Bürgermeister von Stadtlauringen betreiben
ist ein gegeneinander Ausspielen
der Interessen einer frei definierten Gesellschaft mit finanziellen Sorgenfalten einerseits und dem Existenzrecht einer vielfältigen und sich selbst regulierenden natürlichen Umwelt.
Das Problem ist wirklich nicht die Existenz des Bibers,
sondern eine völlig überhebliche Denk- und Herangehensweise
von Seiten mancher Menschen.