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Gerolzhofen
Der gute Morgen: Silvia Kirchhofs Vorbild ist  Tante Uschi aus Amerika
Mutmacher in der Corona-Krise. In dieser Serie geben Menschen aus der Region 18 Antworten in unserem Fragebogen. Diesmal: Die Künstlerin und Klinik-Clownin Silvia Kirchhof.
Künstlerin Silvia Kirchhof aus Gerolzhofen
Foto: SERGEJ CHERNOISIKOW | Künstlerin Silvia Kirchhof aus Gerolzhofen
Bearbeitet von Achim Muth Bearbeitet von Alice Natter
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:04 Uhr

Im Frühjahr 2020, zu Beginn der Pandemie, herrschte Verunsicherung. Menschen hielten Abstand. Neue Begriffe kursierten: Lockdown, Quarantäne, PCR-Tests. In diesen aufgeregten Tagen entstand die Rubrik "Der gute Morgen": Leserinnen und Leser hatten sich angesichts der sich überschlagenden Nachrichten mit dramatischen Häufungen von Todesfällen in Seniorenheimen, rasant steigenden Infizierungen und immer neuen Beschränkungen des öffentlichen Lebens auch Mut machende Nachrichten gewünscht. So baten wir Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen der Region, uns positive Impulse zu schreiben. Die Serie wurde ein Erfolg und gab knapp zwei Monate lang täglich kleine Denkanstöße.

Eineinhalb Jahre später, in der vierten Welle, ist Corona massiv zurück in unserem Bewusstsein. Die Infektionszahlen sind rasant gestiegen, Krankenhäuser behandeln immer mehr Covid-Patientinnen und -Patienten, wieder gibt es Beschränkungen des öffentlichen Lebens – und das alles, obwohl es einen Impfstoff gibt.

Gerne hat diese Redaktion deshalb den Wunsch zahlreicher Leserinnen und Leser aufgegriffen und eine Neuauflage der Rubrik gestartet. "Der gute Morgen" ist wieder da – nun in Form eines Fragebogens.

Diesmal beantwortet die Künstlerin Silvia Kirchhof unsere 18 Fragen. Die Sängerin, Schauspielerin, Regisseurin und Klinikclownin aus Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt) blickt trotz Pandemie optimistisch ins neue Jahr.  

Was war Ihr schönster Moment 2021?

Ganz klar im Sommer die Aufführung des Theaterstückes "Herr Vogel, ein Märchen über die Suche nach dem Glück". Nach vielen Abwägungen und Überlegungen hat dann alles so wunderbar geklappt. Ich habe über 2000 glückliche Menschen gesehen, die das Stück besuchen durften.

Was wird nach der Pandemie besser sein als vorher?

Ich hoffe, dass einiges besser sein wird, aber da haben wir alle noch viel Arbeit vor uns.

Was macht Ihnen Mut?

Mut ist für mich eine Fähigkeit und eine Lebenseinstellung, etwas ganz tief in einem, so ein Vertrauen aufs Leben. Mir wurde das bewusst, als meine Schwester – ich war noch ein Teenager – zu mir gesagt hat: "Silvia, Mut hast Du." Mir machen alle Menschen Mut, die das Leben bejahen.

Was haben Sie, was haben wir durch die Pandemie gelernt?

Ich habe gelernt, dass ich mich auf die Menschen, auf die ich mich schon immer verlassen konnte, auch in der Krise verlassen kann.

Was hat Sie zuletzt überrascht?

Zu Beginn der Pandemie hatte ich ein wenig Angst, dass wir als Künstler womöglich von der Bildfläche verschwinden könnten, als wir nicht mehr auftreten durften. Überrascht hat mich dann, wie Menschen mich als Künstlerin wahrgenommen haben und mit mir in Kontakt getreten sind.

Was hat Sie zuletzt gefreut?

Gefreut hat mich sehr, dass ich mit dem Kulturkreis des Bezirks Unterfranken ausgezeichnet wurde. Gerade in der aktuellen Zeit ist dieser Ausdruck der Wertschätzung meiner Arbeit sehr kostbar und wichtig für mich. Dafür bin ich sehr dankbar.

Wer ist Ihr Vorbild?

Ich tue mir mit berühmten Personen als Vorbild schwer. Diese kann ich bewundern, aber in das wirkliche Leben dieser Menschen kann man ja nicht schauen. Als mein Vorbild würde ich meine Tante Uschi aus Amerika nennen. Sie ist eine Dame, mittlerweile 92 Jahre alt, und kam bis zur Corona-Pandemie jedes Jahr nach Deutschland, weil sie ihre Heimat so liebt. Sie hat so viel erlebt. Sie musste als Mädchen mit 15 Jahren von Breslau nach Dresden fliehen. Hat auf der Flucht Vergewaltigung erlebt und viel Leid gesehen. Später hat sie einen GI geheiratet und ist mit ihm in die USA, begleitet von sehr viel Heimweh. Von ihren acht Kindern hat sie einen Sohn bei einem Verkehrsunfall verloren. Dennoch hat sie stets ihren Humor, ihre Würde und ihre Haltung behalten. Bis heute ist sie immer gut zurechtgemacht. Noch beim letzten Besuch sagte sie: "Ach Silvia, wenn ich in Deutschland wäre würde ich Clown mit Dir machen." Wenn ich bis ins hohe Alter so sein könnte, das wäre schön.

Woraus schöpfen Sie Kraft?

Im Moment höre ich immer wieder: "Gib bitte nicht auf." Es gibt mir Kraft, wenn ich gar nicht erst gefragt werde, ob ich mit meinen Projekten weitermache. Oder wenn ich in der Kinderklinik als Clownin in die Gesichter der Kinder, ihrer Eltern oder der Pflegenden schaue und sehe, was mein Spiel bei Ihnen auslöst.

Eine Sorge, die sich 2021 als unbegründet erwies?

Ich glaube, da brauche ich noch ein Jahr. Es sind einfach keine schönen Zeiten für eine Künstlerin.

Haben Sie aufgrund der Pandemie etwas Grundsätzliches an Ihrem Leben verändert?

Ich versuche, mehr auf meine Gesundheit zu achten und nicht mehr mit 40 Grad Fieber auf die Bühne zu gehen. Ich dachte immer, ich kann ja nicht absagen. Nun habe ich gelernt, dass es geht…

Was haben Sie zuletzt falsch gemacht?

Ich habe das Katzenfutter stehen lassen, vergessen die Türe zuzumachen, sodass es der Hund aufgefressen hat.

Haben Sie in den vergangenen Monaten geweint? Warum?

Meine Tochter kam nach einer Woche Urlaub zurück in die Uhlenmühle und hat bei mir weinend angerufen: "Mama bei mir wurde eingebrochen." Sie war dort alleine mit ihrem Säugling und ich bin sofort hingefahren. Wir durften nicht in die Zimmer, mussten in der Küche warten, bis die Spurensicherung nach Stunden fertig war. Bei all den Schwierigkeiten in der Gastronomie nun auch noch so etwas: bestohlen zu werden. Da kommen einem schon die Tränen…

Silvia Kirchhof begeistert seit Jahren als Klinikclownin kranke Kinder in den Krankenhäusern der Region.
Foto: Daniel Peter | Silvia Kirchhof begeistert seit Jahren als Klinikclownin kranke Kinder in den Krankenhäusern der Region.
Mit welcher Überzeugung gehen Sie ins Jahr 2022?

Mit meinem Lebensmotto, das ich mit einem Augenzwinkern gerne so formuliere: Auf meinem Grabstein steht einmal: Es gibt immer einen Ausweg.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?

"Oskar und die Dame in Rosa" von Eric Emanuel Schmitt, da ich diese wunderbare Geschichte um den krebskranken Jungen Oskar gerne nächstes Jahr im Kleinen Stadttheater Gerolzhofen inszenieren möchte. Ich finde es wichtig, gerade in dieser Zeit das Thema Sterben aus dem Tabubereich ins Leben zu holen. Wir vergessen zu oft, dass das Leben verletzlich und vergänglich ist.

Was darf trotz Pandemie nie im Kühlschrank fehlen?

Jalapenos und Silvaner.

Wo waren Sie 2021 im Urlaub?

Drei Tage in Bad Windsheim mit Therme.

Welches Lied begleitet Sie durch die Pandemie?

"Es wird in 100 Jahren wieder so ein Frühling sein." Da heißt es: "Und es kann nicht schöner sein, als heut mit Dir." Trotz dieser Pandemie mit den vielen Einschränkungen gab und gibt es die Möglichkeiten dieser besonderen Begegnung, die ein einzigartiger wundervoller Moment sein kann.

Bei wem würden Sie sich gerne einmal öffentlich bedanken?

Bei ganz, ganz vielen. Von einigen weiß ich nicht einmal die Namen. Ich bekam viele Briefe, teils anonyme finanzielle Unterstützung. Ein Herr, bei dem mein Auftritt an seinem runden Geburtstag ausfallen musste, hat mir trotzdem das versprochene Honorar vorbeigebracht. Ein Unternehmer, bei dem ich auf der Weihnachtsfeier spielen sollte, schenkte mir einen Gutschein für einen Christbaum. Da gibt es so viele Menschen. Jede und jeder, der das liest, weiß dann schon, dass dieses Danke für Sie oder Ihn ist. Danke!

 
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