Wann hört mir wieder jemand zu, wann lässt man mich frei?
Ja, ich kann singen, aber ich bin es gewohnt zu fliegen. Freiheitsliebend sind wir freiberuflichen Künstler. Das gibt uns Kraft und lässt uns oft große Dinge vollbringen.
Doch plötzlich ist alles anders! Das Große Freilichttheater "Wunderland" zu 75 Jahre Kriegsende haben wir gerade noch voller Energie und Freude geprobt, die nächste Woche muss ich es absagen und verschieben. Das ging im Homeoffice, im Käfig. Ich bleibe im Käfig, ich füge mich.
Die Situation fordert es von uns allen. Ich lasse die Türe im Käfig zu, es darf mich auch niemand besuchen: Mich, die Künstlerin, die vom Zuschauer lebt. Die Sehnsucht nach Freiheit wird immer größer. Mir kommt ein Lied aus unserem aktuellen Chansonprogramm in den Sinn. Mein Mann Achim Hofmann hatte es vor vier Jahren für mich geschrieben, aber mir kommt es vor, als wäre es eben für jetzt getextet worden. Es heißt: "Glück du scheuer Vogel, wann zeigst du dich und kommst aus dem Versteck?"
Viele sehnen sich nach etwas Glück
Viele von uns sehnen sich nun nach etwas Glück, nach einer Aussicht: Wie geht es weiter, was kommt? Aber niemand kann uns jetzt sagen, was, wie, wann kommt.
Im Lied heißt es weiter: "Glück du scheuer Vogel, wenn man dich greifen will, dann fliegst du plötzlich weg…" Keiner von uns kann das Glück fangen. Jetzt ist Innehalten und Geduld gefordert. Ich kann in meinem Käfig arbeiten und arbeite auch. Sammle neue Ideen für Programme. Für wann und für wen? Wird das Thema dann noch relevant sein? Bin ich relevant? Gerade redet man mir ein, ich bin es nicht.
Aber wie geht es im Lied weiter: "... dann wirkt die Planung unsres Lebens ziemlich mager, zu viel Kontrolle ist fürs Glück nicht produktiv…" Planung macht gerade in meinem Beruf wenig Sinn, die Zeit braucht nun das Innehalten.
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Aber es geht weiter. Ich bin ganz fest davon überzeugt. Denn wie in dem Lied stell ich dem scheuen Vogel Glück jeden Tag aufs Neue Körner hin. "Glück, ob du heut kommst oder nicht zu mir, das wissen nur die Sterne. Doch wenn du wieder da bist, du scheuer Vogel, ja dann will ich mal ganz glücklich sein für jede kurze Zeit, dann wird jede Kleinigkeit erhaben, schön und groß!"
All das werden wir nach der Krise mehr zu schätzen wissen. Ich schätze es jetzt schon so sehr. Ich freue mit ganzem Herzen mich auf das Wiedersehen.
Silvia Kirchhof (50) ist freiberufliche Künstlerin, Sängerin, Schauspielerin, Regisseurin, Klinikclownin bei "Klinikclowns Lachtränen Würzburg", betreibt das "Kleines Stadttheater Gerolzhofen" und bildet mit Ehemann Achim Hofmann am Piano das Duo "Café Sehnsucht". Dieser Beitrag gehört zur Main-Post-Serie "Der gute Morgen", in der in Zeiten der Corona-Krise Menschen aus Franken ihre positiven Gedanken aufschreiben und mit unseren Leserinnen und Lesern teilen.