zurück
Gerolzhofen
Dauerfrost statt Hitzestress: Wie arbeitet sich's im Hochsommer am frostigsten Arbeitsplatz in Gerolzhofen?
Im Norma-Logistik-Zentrum zeigt sich: Gegen Kälte kann man sich leichter schützen als gegen Hitze. Der Tiefkühlbereich ist außergewöhnlich – nicht nur im Hochsommer.
Thermokleidung gehört für die Beschäftigten im Tiefkühlbereich des Logistik-Zentrums zur Arbeitskluft. Auf diese Weise warm eingepackt, steuert Eva Nell ihr Fahrzeug bei minus 24 Grad.
Foto: Josef Lamber | Thermokleidung gehört für die Beschäftigten im Tiefkühlbereich des Logistik-Zentrums zur Arbeitskluft. Auf diese Weise warm eingepackt, steuert Eva Nell ihr Fahrzeug bei minus 24 Grad.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 31.08.2023 05:39 Uhr

Als das Rolltor nach oben surrt, peitscht einem die Kälte sofort ins Gesicht. Es ist, als ob jemand eine riesige Tiefkühltruhe aufgemacht hätte. Der Unterschied zur Truhe zuhause ist der: Hier stehst du nicht davor, sondern mittendrin, in der Kälte. Denn das Rolltor ist schon wieder heruntergefahren. Und die Tiefkühltruhe, die dich umgibt, ist riesengroß. Willkommen an einem der frostigsten Arbeitsplätze weit und breit.

Minus 24 Grad herrschen hier im fast 2000 Quadratmeter großen Tiefkühlbereich des Norma-Logistik-Zentrums in Gerolzhofen. Temperaturen wie am Polarkreis – im Winter. Der Tiefkühlbereich macht zwar nur knapp sechs Prozent der insgesamt fast 34.000 Quadratmeter großen Lagerfläche aus, die das Unternehmen im Mai dieses Jahres in Betrieb genommen hat. Doch diese Fläche ist im Vergleich zu anderen Logistikzentren recht groß, sagt Robert Blechschmidt, der Logistik-Leiter am Standort in Gerolzhofen. Hinzu kommen knapp 4000 Quadratmeter Kühlbereich. Dort beträgt die Temperatur vier Grad plus.

Sobald sich ein Rolltor zum Tiefkühlbereich öffnet, kommen einem Kälteschwaden entgegen.
Foto: Josef Lamber | Sobald sich ein Rolltor zum Tiefkühlbereich öffnet, kommen einem Kälteschwaden entgegen.

Im Team arbeiten neun Männer und eine Frau

Im Tiefkühlbereich arbeiten zehn Menschen. Neun kümmern sich als Kommissionierer darum, dass die angelieferten Waren im richtigen Regal landen und dann so zusammenpackt werden, dass sie in der bestellten Menge in die richtige Filiale gelangen. Ein Kollege bedient einen Gabelstapler. Im Zehnerteam gibt es auch eine Frau. Ihr Name ist Eva Nell.

Die 38-Jährige ist eine der Angestellten, die im Frühjahr ihrem Arbeitsplatz von Röttenbach bei Erlangen nach Gerolzhofen gefolgt ist und seitdem pendelt. In Röttenbach hatte Norma keinen Tiefkühlbereich. Insoweit betrat Nell mit dem Start in Gerolzhofen auch beruflich gesehen Neuland. Dass sie freiwillig vom Trockensortiment, wo sie in Röttenbach tätig war, in den Dauerfrost gewechselt ist, bereut sie nicht. Letztlich sei die Arbeit in der Kälte auch nicht anders als "draußen", im normal temperierten Lager, sagt sie.

Eva Nell arbeitet seit Eröffnung des Logistik-Zentrums in Gerolzhofen im Tiefkühlbereich. 'Wir kommen sehr gut miteinander klar', beschreibt sie die Arbeit im zehnköpfigen Team dort, in dem sie die einzige Frau ist.
Foto: Josef Lamber | Eva Nell arbeitet seit Eröffnung des Logistik-Zentrums in Gerolzhofen im Tiefkühlbereich. "Wir kommen sehr gut miteinander klar", beschreibt sie die Arbeit im zehnköpfigen Team dort, in dem sie die einzige Frau ist.

Für Außenstehende ist das kaum vorstellbar. Wenige Meter weiter, jenseits der dick isolierten Hülle des Tiefkühllagers, brutzelt die Welt bei 30 Grad im Schatten. Und hier drinnen ist es über 50 Grad kälter. Selbst in Nuuk, der Hauptstadt Grönlands, zeigt das Thermometer an diesem Tag zur Mittagszeit laut den Angaben im Internet acht Grad an – im Plusbereich wohlgemerkt.

Belastet die Kälte Gemüt und Gesundheit?

Das muss doch irgendwann aufs Gemüt schlagen, und auf die Gesundheit. Eine Fetzen-Erkältung scheint vorprogrammiert zu sein, beim ständigen Wechsel zwischen Backofen und Schockfroster. Oder? Nell verneint. Sie selbst und ihre Kollegen hätten keinerlei gesundheitliche Probleme. "Die Arbeit macht uns allen Spaß", beteuert sie.

Und dann sagt sie einen Satz, der in diesem Zusammenhang vieles erklärt: "Mir ist die Kälte lieber als die Hitze. Denn gegen Kälte kann man sich schützen." Wer Nell in ihrer Arbeitskluft betrachtet, versteht auf Anhieb, worum es geht. Sie ist von Kopf bis Fuß warm eingepackt. Die Thermokleidung, die sie zur Arbeit trägt, besteht aus einer gefütterten Latzhose, einer dicken Jacke, Stiefeln, Handschuhen und einem Mundschutz. So ausgerüstet, kann die Kälte sie bestimmt mal gerne haben.

Ein Stapler hebt eine Palette mit Tiefkühlkost aus einem der Hochregale. Wo die Waren lagern und wohin sie gebracht werden, ist genau festgelegt.
Foto: Josef Lamber | Ein Stapler hebt eine Palette mit Tiefkühlkost aus einem der Hochregale. Wo die Waren lagern und wohin sie gebracht werden, ist genau festgelegt.

Hinzu kommt, dass während der siebeneinhalb Stunden, die sie und ihre Kollegen im Logistik-Zentrum pro Tag arbeiten, mindestens alle 90 Minuten eine Pause von zehn bis 15 Minuten vorgesehen ist – im Brotzeitraum, um sich aufzuwärmen. Wer möchte, kann auch schon nach 60 Minuten raus aus der Kälte, sagt ihr Chef, Blechschmidt. Niemand müsse hier als Eiszapfen herumlaufen.

"Autos" transportieren die gefrorenen Waren

Währenddessen bewegt Nell mit einem Flurförderfahrzeug, das sie hier als "Auto" bezeichnen, Container innerhalb des Tiefkühl-Bereichs. Das elektrisch betriebene Fahrzeug schaut aus wie ein niedriger Stapler mit einer langen Gabel.

In einer Schleuse werden die angelieferten Tiefkühlwaren kurz zwischengelagert, bevor Eva Nell und ihre Kollegen diese in den Dauerfrost bringen.
Foto: Josef Lamber | In einer Schleuse werden die angelieferten Tiefkühlwaren kurz zwischengelagert, bevor Eva Nell und ihre Kollegen diese in den Dauerfrost bringen.

Mit ihrem "Auto" bringt Nell die von Lastwagen frisch angelieferten Waren möglichst direkt in den Frost. In der Schleuse, die für die Anlieferung genutzt wird, beträgt die Temperatur nur ein Grad plus. Dennoch muss das Tiefkühlsortiment so schnell als möglich in die Tiefkühlung, da die Kühlkette nicht unterbrochen werden darf. Ansonsten gilt die Ware als verdorben.

Alles in allem, sagt Nell, komme sie locker auf weit über 100 Fahrten pro Tag. Gefrorener Fisch, Pizza, Eis, Gemüse, Backwaren, Fleisch, also alles, was auch in den Märkten und zuhause tiefgekühlt aufbewahrt wird, darf hier im Logistik-Zentrum nicht auftauen.

Im Lager liegen Tiefkühlwaren für 140 Filialen

Nur bewegt sich hier alles in viel größeren Dimensionen. Selbst kleine Gruppen von Waren lagern in den Hochregalen noch palettenweise. Dagegen dürften es allein von den Teigrohlingen, die in den Backautomaten des Discounters massenweise zu Brötchen gebacken werden, 50 Paletten sein, die vor Ort lagern, schätzt Logistik-Leiter Blechschmidt. Von Gerolzhofen aus beliefert Norma 140 Filialen in fast ganz Franken und bis ins südliche Hessen hinein.

Damit alles zur rechten Zeit in die richtige Filiale gelangt, dafür sorgen die Kommissionierer. Nell und ihre Kollegen im Tiefkühlbereich erfahren über kleine Zettel, die ein Drucker ausspuckt, welche Waren sie wie zusammenzustellen und zum Transport bereitzustellen haben. Nummern auf den Kartons legen eindeutig fest, welche Tiefkühlprodukte in welches Regal und dort auf welchen Stellplatz gehören.

Die Sonne trifft einen wie ein Schlag

"Das ist so, als wenn man im Winter in die Saune geht, nur umgekehrt", sagt Blechschmidt bei der Rückkehr aus dem Dauerfrost in die nicht künstlich heruntergekühlte Welt. Dabei sind es innerhalb der Hallen des Logistik-Zentrums durchaus angenehme Arbeitstemperaturen. Beim Schritt vor die Halle trifft einen die Sonne jedoch wie ein Schlag.

Dabei spielt die Sonne für die Tiefkühlung des Logistik-Zentrums durchaus eine wichtige Rolle. Denn der auf den Hallendächern erzeugte Solarstrom reicht laut Blechschmidt jetzt im Sommer tatsächlich aus, um den absoluten Großteil des für die Kältemaschinen benötigten Stroms – und das sind riesige Mengen – vor Ort zu produzieren.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gerolzhofen
Michael Mößlein
Arbeitsorte
Brötchen
Dauerfrost
Gabelstapler
Wirtschaft in Schweinfurt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top