
Als das Rolltor nach oben surrt, peitscht einem die Kälte sofort ins Gesicht. Es ist, als ob jemand eine riesige Tiefkühltruhe aufgemacht hätte. Der Unterschied zur Truhe zuhause ist der: Hier stehst du nicht davor, sondern mittendrin, in der Kälte. Denn das Rolltor ist schon wieder heruntergefahren. Und die Tiefkühltruhe, die dich umgibt, ist riesengroß. Willkommen an einem der frostigsten Arbeitsplätze weit und breit.
Minus 24 Grad herrschen hier im fast 2000 Quadratmeter großen Tiefkühlbereich des Norma-Logistik-Zentrums in Gerolzhofen. Temperaturen wie am Polarkreis – im Winter. Der Tiefkühlbereich macht zwar nur knapp sechs Prozent der insgesamt fast 34.000 Quadratmeter großen Lagerfläche aus, die das Unternehmen im Mai dieses Jahres in Betrieb genommen hat. Doch diese Fläche ist im Vergleich zu anderen Logistikzentren recht groß, sagt Robert Blechschmidt, der Logistik-Leiter am Standort in Gerolzhofen. Hinzu kommen knapp 4000 Quadratmeter Kühlbereich. Dort beträgt die Temperatur vier Grad plus.

Im Team arbeiten neun Männer und eine Frau
Im Tiefkühlbereich arbeiten zehn Menschen. Neun kümmern sich als Kommissionierer darum, dass die angelieferten Waren im richtigen Regal landen und dann so zusammenpackt werden, dass sie in der bestellten Menge in die richtige Filiale gelangen. Ein Kollege bedient einen Gabelstapler. Im Zehnerteam gibt es auch eine Frau. Ihr Name ist Eva Nell.
Die 38-Jährige ist eine der Angestellten, die im Frühjahr ihrem Arbeitsplatz von Röttenbach bei Erlangen nach Gerolzhofen gefolgt ist und seitdem pendelt. In Röttenbach hatte Norma keinen Tiefkühlbereich. Insoweit betrat Nell mit dem Start in Gerolzhofen auch beruflich gesehen Neuland. Dass sie freiwillig vom Trockensortiment, wo sie in Röttenbach tätig war, in den Dauerfrost gewechselt ist, bereut sie nicht. Letztlich sei die Arbeit in der Kälte auch nicht anders als "draußen", im normal temperierten Lager, sagt sie.

Für Außenstehende ist das kaum vorstellbar. Wenige Meter weiter, jenseits der dick isolierten Hülle des Tiefkühllagers, brutzelt die Welt bei 30 Grad im Schatten. Und hier drinnen ist es über 50 Grad kälter. Selbst in Nuuk, der Hauptstadt Grönlands, zeigt das Thermometer an diesem Tag zur Mittagszeit laut den Angaben im Internet acht Grad an – im Plusbereich wohlgemerkt.
Belastet die Kälte Gemüt und Gesundheit?
Das muss doch irgendwann aufs Gemüt schlagen, und auf die Gesundheit. Eine Fetzen-Erkältung scheint vorprogrammiert zu sein, beim ständigen Wechsel zwischen Backofen und Schockfroster. Oder? Nell verneint. Sie selbst und ihre Kollegen hätten keinerlei gesundheitliche Probleme. "Die Arbeit macht uns allen Spaß", beteuert sie.
Und dann sagt sie einen Satz, der in diesem Zusammenhang vieles erklärt: "Mir ist die Kälte lieber als die Hitze. Denn gegen Kälte kann man sich schützen." Wer Nell in ihrer Arbeitskluft betrachtet, versteht auf Anhieb, worum es geht. Sie ist von Kopf bis Fuß warm eingepackt. Die Thermokleidung, die sie zur Arbeit trägt, besteht aus einer gefütterten Latzhose, einer dicken Jacke, Stiefeln, Handschuhen und einem Mundschutz. So ausgerüstet, kann die Kälte sie bestimmt mal gerne haben.

Hinzu kommt, dass während der siebeneinhalb Stunden, die sie und ihre Kollegen im Logistik-Zentrum pro Tag arbeiten, mindestens alle 90 Minuten eine Pause von zehn bis 15 Minuten vorgesehen ist – im Brotzeitraum, um sich aufzuwärmen. Wer möchte, kann auch schon nach 60 Minuten raus aus der Kälte, sagt ihr Chef, Blechschmidt. Niemand müsse hier als Eiszapfen herumlaufen.
"Autos" transportieren die gefrorenen Waren
Währenddessen bewegt Nell mit einem Flurförderfahrzeug, das sie hier als "Auto" bezeichnen, Container innerhalb des Tiefkühl-Bereichs. Das elektrisch betriebene Fahrzeug schaut aus wie ein niedriger Stapler mit einer langen Gabel.

Mit ihrem "Auto" bringt Nell die von Lastwagen frisch angelieferten Waren möglichst direkt in den Frost. In der Schleuse, die für die Anlieferung genutzt wird, beträgt die Temperatur nur ein Grad plus. Dennoch muss das Tiefkühlsortiment so schnell als möglich in die Tiefkühlung, da die Kühlkette nicht unterbrochen werden darf. Ansonsten gilt die Ware als verdorben.
Alles in allem, sagt Nell, komme sie locker auf weit über 100 Fahrten pro Tag. Gefrorener Fisch, Pizza, Eis, Gemüse, Backwaren, Fleisch, also alles, was auch in den Märkten und zuhause tiefgekühlt aufbewahrt wird, darf hier im Logistik-Zentrum nicht auftauen.
Im Lager liegen Tiefkühlwaren für 140 Filialen
Nur bewegt sich hier alles in viel größeren Dimensionen. Selbst kleine Gruppen von Waren lagern in den Hochregalen noch palettenweise. Dagegen dürften es allein von den Teigrohlingen, die in den Backautomaten des Discounters massenweise zu Brötchen gebacken werden, 50 Paletten sein, die vor Ort lagern, schätzt Logistik-Leiter Blechschmidt. Von Gerolzhofen aus beliefert Norma 140 Filialen in fast ganz Franken und bis ins südliche Hessen hinein.
Damit alles zur rechten Zeit in die richtige Filiale gelangt, dafür sorgen die Kommissionierer. Nell und ihre Kollegen im Tiefkühlbereich erfahren über kleine Zettel, die ein Drucker ausspuckt, welche Waren sie wie zusammenzustellen und zum Transport bereitzustellen haben. Nummern auf den Kartons legen eindeutig fest, welche Tiefkühlprodukte in welches Regal und dort auf welchen Stellplatz gehören.
Die Sonne trifft einen wie ein Schlag
"Das ist so, als wenn man im Winter in die Saune geht, nur umgekehrt", sagt Blechschmidt bei der Rückkehr aus dem Dauerfrost in die nicht künstlich heruntergekühlte Welt. Dabei sind es innerhalb der Hallen des Logistik-Zentrums durchaus angenehme Arbeitstemperaturen. Beim Schritt vor die Halle trifft einen die Sonne jedoch wie ein Schlag.
Dabei spielt die Sonne für die Tiefkühlung des Logistik-Zentrums durchaus eine wichtige Rolle. Denn der auf den Hallendächern erzeugte Solarstrom reicht laut Blechschmidt jetzt im Sommer tatsächlich aus, um den absoluten Großteil des für die Kältemaschinen benötigten Stroms – und das sind riesige Mengen – vor Ort zu produzieren.