Die Räumung des nordrhein-westfälischen Dorfes Lützerath ist abgeschlossen – trotz massiver Proteste seitens der Klimaschutzbewegung. Gegenstand der Kritik ist ein zwischen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und dem Energieversorger RWE ausgehandelter Kompromiss, der es dem Konzern erlaubt, den Tagebau Garzweiler II auszuweiten und Lützerath abzubaggern – dafür verpflichtet sich RWE zu einem verfrühten Kohleausstieg bis zum Jahr 2030.
Dieser Deal sorgt bei vielen Klimaschützerinnen und Klimaschützern für Unverständnis. Bei einer Großdemo am vergangenen Samstag demonstrierten tausende Menschen aus ganz Deutschland nahe Lützerath gegen den Abriss für den Braunkohleabbau. Bilder und Videos von vor Ort zeigen hunderte Menschen am Rand der Abbruchkante und wie es zwischen Demonstrierenden und Polizei auch zu Ausschreitungen kam.
Auch Menschen der Schweinfurter Klimaschutzbewegung machten sich in Lützerath gegen den Braunkohleabbau stark. Zwei von ihnen berichten, wie sie die Proteste erlebten.
Verlassene Häuser: Kundgebung in der Geisterortschaft Keyenberg
"Wenn man in eine tote Ortschaft, eine Geisterortschaft wie Keyenberg, reinkommt und sieht, dass fast alle Häuser leer sind, dann ist das eine furchtbare Erfahrung. Das macht was mit einem", sagt Uwe Gratzsky über seine ersten Eindrücke in der ebenfalls von der Umsiedlung durch RWE betroffenen Ortschaft Keyenberg nahe Lützerath. "Dass man solche Häuser aufgibt, ist ein Wahnsinn", sagt er. Der 59-Jährige aus Gerolzhofen arbeitet als Gewerkschaftssekretär bei Verdi, engagiert sich für den Bund Naturschutz und den Naturpark Steigerwald.
Von der Kundgebung in Keyenberg habe er durch die Schweinfurter Klimaschutzbewegung "People for Future" erfahren. Zunächst habe er jedoch gezögert, sich den Protesten vor Ort anzuschließen. "Man erzählt sich ja, dass da schlimme Sachen passieren", sagt er.
Letztlich habe jedoch sein Pflichtgefühl überwogen: "Ich empfinde das als eine Pflicht zum Ungehorsam, wenn die Welt sich nicht selber rettet." So seien er und seine Lebensgefährtin am Samstagmorgen um fünf Uhr in einem der drei Busse gelandet, die rund 150 Aktivistinnen und Aktivisten von Würzburg nach Lützerath brachten. "Ich hatte noch drei Leute, die auch gerne mitgekommen wären, aber die haben leider keinen Platz mehr bekommen", sagt Gratzky.
Dass gerade Menschen aus Bayern und auch aus Schweinfurt ein Zeichen für den Klimaschutz setzen, sei besonders wichtig, meint Christian Schäflein aus Schonungen. Der 54-Jährige engagiert sich bei den Schweinfurter People for Future und war auf eigene Faust mit der Bahn zu den Protesten nach Lützerath gereist. "Es geht nicht nur um den Braunkohletagebau im Rheinland. Gerade Bayern steht, was Klimapolitik und Energiewende betrifft, seit Jahrzehnten auf der Seite der Blockierer. Auch die Stadt Schweinfurt ist dabei wirklich kein Glanzlicht", sagt er.
"Lützerath steht für eine Klimapolitik, die in die absolute Sackgasse führt. Deswegen war für mich klar, ich muss da hoch", so Schäflein. Auch er habe sich im Vorfeld an der Diskussion der Schweinfurter People for Future beteiligt. "Das war eine wichtige und interessante Diskussion darüber, wie wichtig es ist, diesen Kristallisationspunkt der Klimaschutzbewegung vor Ort zu unterstützen", sagt er.
Zwar habe es auch Stimmen gegeben, die sich dafür aussprachen, sich zunächst auf konkrete Projekte in der Region Schweinfurt zu konzentrieren, dem könne Schäflein jedoch nur bedingt zustimmen. "Meine Haltung war immer: Beides ist extrem wichtig. Natürlich müssen wir hier vor Ort aktiv sein, aber für die Klimaschutzbewegung ist es auch wichtig, eine gemeinsame Großaktion wie in Lützerath zu veranstalten."
Festival-Stimmung unter den Aktivistinnen und Aktivisten trotz Matsch und Regen
Vor Ort seien sowohl Gratzky als auch Schäflein von der Menge an Demonstrierenden überrascht gewesen. Die Polizei spricht offiziell von rund 15.000 Menschen, die Veranstaltenden von rund 35.000. "Man hat nur noch Menschenmassen gesehen, es war unglaublich", sagt Gratzky. Ein wichtiges Zeichen, meint Schäflein: "Von politischer Seite aus wollte man das Thema klein halten. Ich denke, damit haben wir gezeigt, dass diese Strategie nicht aufgegangen ist, sondern dass es den Widerstand eher aktiviert, belebt und verbreitert hat."
Das habe sich auch in der Stimmung unter den Demonstrierenden widergespiegelt. Diese sei trotz widriger Wetterbedingungen "fröhlich und friedlich" gewesen, berichtet Gratzky. Mit Musikgruppen, Rednerinnen und Rednern und Gesang habe er sich eher wie auf einem Festival als wie bei einer klimapolitischen Kundgebung gefühlt.
An der Abbruchkante des Tagebaus und näher an Lützerath habe sich das jedoch geändert. Obwohl die Kante abseits des abgesprochenen Weges für die Demonstration lag, zeigen Bildern und Videos hunderte Demonstrierende am Rand des Tagebaus. Auch Gratzky und Schäflein wagten sich bis zur Kante vor. Die Ausmaße des Kohleabbaus mit eigenen Augen zu sehen, habe bei den Aktivistinnen und Aktivisten Eindruck hinterlassen.
"Wenn man den Tagebau und diese Großbaustelle sieht, dann ist das schon schockierend. Das sind Bilder, die sich festsetzen", sagt Schäflein. Kurz vor Lützerath sei die Stimmung dann noch einmal umgeschlagen, berichtet Uwe Gratzky. Weg war die Festivalatmosphäre – die Stimmung "angespannt".
Lützerath selbst sei durch einen Erdwall, eine Absperrung und die Polizei abgeriegelt gewesen, berichtet Gratzky. "Da standen Wasserwerfer und viel Polizei. Wir haben viele Menschen gesehen, die zurück gerannt sind, aber man wusste nicht wieso. Das war ein ungutes Gefühl", erinnert sich der Gerolzhofener. Auch vom roten Rauch der Bengalos, Polizeihunden, Hubschraubern und Rettungswagen, die zum Teil nur schlecht durch die Menge kamen, berichten Gratzky und Schäflein.
Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden hätten sie jedoch nur aus der Ferne mitbekommen. Gratzky berichtet von einem Vorfall, bei dem ein Polizeibeamter vorgeprescht sei und einen Aktivisten, scheinbar ohne vorherige Provokation, umgestoßen habe. "Wenn man das sieht, wird man schon aggressiv, weil man sich fragt: Warum tust du das?", sagt er.
Trotzdem könne er auch nicht alle Aktionen der Demonstrierenden gutheißen. Videos von vor Ort zeigen unter anderem Polizeiautos mit zerstochenen Reifen und Menschen, die mit Schlamm und Steinen werfen. "Das Problem ist, dass bei solchen Demonstrationen oft so eine schwarzvermummte Front dabei ist, die meistens auf Krawall aus ist", sagt Gratzky. "Das ist schade, die versauen das Ganze für die anderen."
Wut, Schmerz, Hoffnung – die Gefühle nach Lützerath sind gemischt
Von den Protesten kehrten Gratzky und Schäflein mit gemischten Gefühlen zurück nach Schweinfurt. "Zum einen spüre ich großen Schmerz, Trauer und Wut. Zu sehen mit welcher Staats- und Polizeigewalt solche klimaschädlichen Großprojekte durchgesetzt werden – das ist wirklich hart", sagt Schäflein.
Andererseits hätten viele die Aktion als Zeichen der Solidarität sehr positiv empfunden. "Es war ein tolles Gefühl von Zusammenhalt, Hoffnung für die Zukunft zu haben und dass man nicht alleine dasteht", sagt Gratzky. So nähmen die Aktivistinnen und Aktivisten aus Lützerath vor allem Mut mit.
"Ich hoffe, dass sich jetzt auch politisch etwas bewegt. Klimaschutz kann nicht warten. Da kann es keine Kompromisse mehr geben. Und ich denke, es wird noch mehr solcher Aktionen brauchen, um diese Dramatik immer wieder deutlich zu machen", sagt Schäflein.
soll sich unter Prosselsheim
in der Nähe von Gerolzhofen
ein gewaltiges Neodym-Vorkommen befinden.
Für den Fall,
dass die Probebohrungen
erfolgreich verlaufen,
plant die Landesregierung,
die BayWa damit zu beauftragen,
den gesamten Ort wegzuschieben
und den begehrten Rohstoff
zu fördern".
Helau
(Sollte der Sachverhalt tatsächlich so sein, dann würden sicherlich manche RWE-und Braunkohle-Fans etwas kleinlauter auftreten).
Der Ort könnte auch Schweinshaupten, Rüdenhausen oder Hummelmarter heißen!
https://m.faz.net/aktuell/politik/inland/luetzerath-protest-anwohner-brechen-mit-aktivisten-18616804.amp.html
Gibt's nichts anderes mehr, worüber die MP schreiben kann?
Was empfinde ich als Pflicht, wenn ich so was lesen muss?
Aber als Aktivist ist man bei unseren Medien ein guter Mensch und wenn es zu tätlichen Auseinandersetzungen kommt, dann ist "logischerweise" nur die Polizei schuld.
Stimmt.
Es bringt mich auf die Palme, wenn ich so eine einseitig geschriebene Sichtweise sehen darf, wofür auch Gebühren erhoben werden.
Alle dort sind fürstlich entschädigt worden.
Energie wird gebraucht, wenn diese Weltretter was tun wollen: ein Fahrrad, einen Dynamo, einen Einspeisewechselrichter und ab damit ins Stromnetz!
Mal ausrechnen, wieviele Schnelltreter für eine Tonne Braunkohle notwendig werden.
Aber Vorsicht: diese Meinung könnte sehr viel Ironie beinhalten.
An die Demonstranten: woher soll der Leistungsverlust von Braunkohleverstromung und Atom kompensiert werden, wenn nicht durch Manpower???
Es wurde der Zeitwert der Gebäude bezahlt, teilweise gab es Extrazahlungen, der Neubau wurde damit querfinanziert. Reich ist damit definitiv niemand geworden. Es gibt genügend Fälle, wo Anwohner draufzahlen mussten. Hier von „fürstlicher Entschädigung“ zu sprechen, ist blanker Hohn.
„[…] woher soll der Leistungsverlust von Braunkohleverstromung und Atom kompensiert werden […]“
Kurzfristig Gas/LNG und langfristig Erneuerbare, so wie es schon seit Jahrzehnten geplant ist (und verhindert wird).