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Schweinfurt
Das Gründerzeitviertel in Schweinfurt räumt auf - mit Müll und Vorurteilen
Unterwegs mit den Müllsammlerinnen und -sammlern, die erzählen, warum sie aktiv werden, welche Probleme es gibt und wie alles etwas besser werden könnte.
Müllsammelaktion im Gründerzeitviertel: Bürgermeisterin Sorya Lippert und Ordnungsreferent Jan von Lackum klauben Zigarettenstummel in der Luitpoldstraße zusammen.
Foto: René Ruprecht | Müllsammelaktion im Gründerzeitviertel: Bürgermeisterin Sorya Lippert und Ordnungsreferent Jan von Lackum klauben Zigarettenstummel in der Luitpoldstraße zusammen.
Natalia Mleczko       -  Natalia Mleczko ist in Polen aufgewachsen und lebte dann in Rostock. Nach einer Ausbildung und diversen Jobs studiere sie auf dem Zweiten Bildungsweg Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen im Master an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Seit 2022 arbeitete sie als freie Journalistin. Natalia Mleczko ist seit April 2024 Volontärin bei der Main-Post.
Natalia Mleczko
 |  aktualisiert: 23.07.2023 04:15 Uhr

Rund 30 Bürgerinnen und Bürger, ausgestattet mit grell-orangenen Warnwesten, blau-grünen Mülltüten und Müllgreifern, sind am Samstagvormittag durch das Schweinfurter Gründerzeitviertel gezogen. Ihre Mission: den Müll auf den Straßen aufsammeln. Vor allem Zigarettenstummel liegen zuhauf dort herum. 

Initiiert hat die Müllsammelaktion Bürgermeisterin Sorya Lippert. Die Idee dazu hat sie aus dem bolivianischen Tarija mitgebracht, der Klimapartnerstadt der Stadt Schweinfurt, die sie im April mit einer städtischen Delegation besucht hatte. Dort sammelt der Bürgermeister jeden Freitag vor allem in den Stadtteilen mit schwierigen sozialen Verhältnissen gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern den Müll auf den Straßen ein. Dabei geht es nicht nur darum, das Quartier zu säubern, sondern auch mit den dort lebenden Menschen ins Gespräch zu kommen, erzählt Lippert. Die Bewohnerinnen und Bewohner können bei der Müllsammelaktion mitmachen oder einfach nur mitlaufen und dem Bürgermeister dabei berichten, woran es im Stadtteil mangelt. Ein Grundgedanken der Aktion sei es auch, "dass die Menschen sich ein bisschen schämen, den Müll wegzuschmeißen, obwohl sie ihn zuhause ordentlich entsorgen könnten", sagt Lippert.

Gemeinsam die Straßen säubern

Anja Schmidbauer von den Offenen Sozialen Diensten der Diakonie ist zuständig für das Projekt "Quartier(s)leben" und arbeitete in Kooperation mit der Abfallberatung der Stadt Schweinfurt das Konzept für die Müllsammelaktion aus. Ziel sei es, dass die "Bürgerinnen und Bürger aus dem Viertel zusammenkommen", erklärt Schmidbauer, "und der positive Nebeneffekt ist, dass es hier ein bisschen sauberer wird".

Gleich geht es los mit Warnweste, Müllsack, Müllzange und guter Sonnenlaune.
Foto: René Ruprecht | Gleich geht es los mit Warnweste, Müllsack, Müllzange und guter Sonnenlaune.

Trotz sommerlichen Temperaturen zog die Aktion eine beachtliche Anzahl von Freiwilligen an. Schmidbauer freut sich über die große Resonanz. "Es sind ganz unterschiedliche Menschen – junge, ältere, Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen." Markus Stockmann von der Abfallberatung Schweinfurt meint: "Das Projekt ist auch übertragbar auf andere Stadtteile. Ich bin positiv überrascht über den ersten Aufschlag, dass wir gleich so viele Bürger und Bürgerinnen für die Aktion gewinnen konnten."

Interessante Gespräche geführt 

Den Freiwilligen Müllsammlerinnen und -sammlern hat die Aktion gut gefallen. Angie Boelmans, die über die Theresienstube von dem Aufruf erfahren hat, findet die Idee toll. "Ich habe angerufen und gesagt, dass ich gehandicapt bin und ob es eine Möglichkeit gibt mitzumachen." Die gab es. Denn es wurden ja nicht nur die Straßen gesäubert, sondern auch interessante Gespräche geführt.

Huzaifa Jarad hat über einen Flyer im Briefkasten und von Bürgermeisterin Lippert persönlich von der Aktion erfahren. Dass so viele Kippen auf den Straßen liegen, findet er schlecht; auch weil man die Stummeln kaum mit der Greifzange aufheben kann. Sie müssen mühsam mit den Fingern aufgeklaubt werden. "Das dauert seine Zeit."

Schnell füllten sich die großen blauen Müllsäcke.
Foto: René Ruprecht | Schnell füllten sich die großen blauen Müllsäcke.

Mit an der Aktion beteiligt war auch Ordnungsreferent Jan von Lackum, der Jarads Beobachtung bestätigt: "Was wir hier an Zigarettenkippen, -schachteln und -folie vorfinden, ist schon enorm." Aber auch anderer Müll wie Dosen und aufgerissene Gelbe Säcke mit Glasscherben darin finden die eifrigen Sammlerinnen und Sammler auf den Straßen. "Wenn nicht alle zusammenhelfen und den Müll in die vorgesehen Abfallbehälter werfen, dann wird es hier auf Dauer schlecht aussehen", meint von Lackum und appelliert an alle Bewohnerinnen und Bewohner, vor ihrer eigenen Haustüre zu kehren. Denn das Gründerzeitviertel sei sehr lebenswert.

Die Aktion war nebenbei auch eine gute Gelegenheit, sich kennenzulernen. Der Neu-Schweinfurter Can Güler zum Beispiel nahm kurzerhand mit seiner Freundin teil und lernte so andere Bewohnerinnen und Bewohner des Viertels kennen.

Abfallberater Markus Stockmann und Anja Schmidbauer von der Diakonie Schweinfurt beteiligten sich ebenfalls an der Müllsammelaktion.
Foto: René Ruprecht | Abfallberater Markus Stockmann und Anja Schmidbauer von der Diakonie Schweinfurt beteiligten sich ebenfalls an der Müllsammelaktion.

Auch die Geschäftsleute lobten die Aktion. Hamza Yahua, Inhaber von Bilal Supermarkt, und sein Freund Basel Hashmeh, sind die vielen Zigarettenstummel schon immer ein Ärgernis gewesen. "Das ist nicht gut für die Straße und die Menschen", bedanken sie sich für die Aufräumaktion.

Nach getaner Arbeit im Quartier ging es für die Freiwilligen im Anschluss zum Bürgerfest an der Gustav-Adolf-Kirche. Bei Kaffee und Kuchen konnten die Ehrenamtlichen sich abseits von Mülltüten und Westen noch besser kennenlernen.

 
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