Die Stimmung in der Schweinfurter Kulturszene war schon mal besser, um es höflich zu umschreiben. Der Gründe gibt es viele: die Coronakrise, natürlich, denn auch im zweiten Lockdown in diesem Jahr trifft es die Kulturschaffenden überproportional hart. Theater zu, Museen geschlossen, die Kinos dürfen nicht aufmachen, die Disharmonie und der Stattbahnhof sind auch dicht – und das ausgerechnet in der Jahreszeit, wo es normalerweise vor Veranstaltungen nur so brummt.
Doch Corona ist nicht der einzige Grund, warum die Stimmung vor allem bei den freien Kulturträgern dem städtischen Kulturamt mit seinem Leiter Christian Federolf-Kreppel gegenüber frostig geworden ist. Eine jahrelange Entwicklung, die sich 2020 aus verschiedenen Gründen noch einmal zu verstärken scheint. Das ist auch deswegen keine gute Entwicklung, da gerade die freien Kulturträger dringend gebraucht werden, damit das Kulturforum am Martin-Luther-Platz der gewünschte Erfolg wird. Über die neuen Pläne dazu beriet der Stadtrat in seiner Sitzung am 1. Dezember.
Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat und dafür sorgte, dass sich KulturPackt- und Disharmonie-Vertreter noch einmal mit deutlicher Kritik zu Wort meldeten, waren die vom städtischen Finanzreferat verordneten Kürzungen von 20 Prozent im Haushalt 2021 bei allen Ausgaben, wo es keine gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen gibt.
Betroffen sind natürlich vor allem die freiwilligen Leistungen und hier Kultur, Sport, Vereine und Soziales. Kritik an der von Finanzreferentin Anna Barbara Keck verordneten "Rasenmähermethode" gab es reichlich, geholfen hat sie nicht. 65 000 Euro gibt die Stadt nun weniger aus als 2020. Diese gerade mal 0,025 Prozent des gesamten städtischen Haushalts von über 200 Millionen Euro sorgten nicht nur bei Linken-Fraktionschef Frank Firsching für Kopfschütteln: "Das ist an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten."
Die befürchtete Demotivation der Ehrenamtlichen in der Stadt ist deutlich spürbar, KulturPackt und Disharmonie äußern sie auch nicht hinter vorgehaltener Hand. "Wir sind entsetzt über die Kürzungen im Bereich der freien Kulturszene in einem Moment, wo diese am Boden liegt", macht Gerald Günther, Geschäftsführer des KulturPackts, klar.
In anderen Städten wie Coburg, Bamberg, Würzburg oder Aschaffenburg bemühe sich die Verwaltung redlich, die Kulturschaffenden über die von Bund und Ländern hinausgehenden Hilfen zu unterstützen. Doch in der Wälzlagerstadt fühlt man sich allein gelassen in der Coronakrise.
Günther erläutert, dass Kulturstaatsministerin Monika Grütters im Sommer einen Brief an alle Oberbürgermeister im Land verschickt hatte mit der Bitte, die Kulturszene so gut es gehe zu unterstützen. "Hier gab es keine Reaktion des Oberbürgermeisters." KulturPackt-Sprecher Ingo Schäfer verweist darauf, dass es für den Verein und seine Veranstaltungen fast 20 Jahre lang keinen Cent mehr gab, nun wurde aber um 20 Prozent gekürzt, was rund 4500 Euro im Jahres-Budget ausmacht. Bei der Disharmonie bedeutet die Kürzung auf 40 000 Euro pro Jahr ein Finanzloch von 10 000 Euro.
Natürlich, so Schäfer, sei der beschlossene Fonds von 20 000 Euro, den die Stadt auflegt, "eine schöne Geste." Gleichwohl gelte er für alle Vereine; ob man, wenn man in Not sein sollte, etwas bekommt, ist offen. Aus Schäfers Sicht hätte sich Kulturamtsleiter Christian Federolf-Kreppel, der mit dem von ihm geleiteten Theater am stärksten von allen Kulturbetrieben in der Stadt von der Kürzung betroffen ist, stärker einsetzen sollen, dass andere Lösungen zur Haushaltskonsolidierung als die nun von Schwarz-Grün genehmigten gefunden werden.
Disharmonie-Leiter Jürgen Dahlke bringt es auf den Punkt: "Es geht um den psychologischen Effekt der Wertschätzung." Die spüre man nicht, weswegen Ingo Schäfer auch fürchtet, "dass die Ehrenamtlichen vergrault werden und frustriert sind."
KulturPackt und Disharmonie überleben mit Kurzarbeit, bemühen sich auch um Bundes- und Landesmittel. Wie die Kulturlandschaft in Schweinfurt in einem Jahr aber ausschaut, das sorgt alle enorm. Die gewünschte Lösung, wie es in Schweinfurt besser laufen könnte, ist eine altbekannte: ein Kulturamtsleiter, der nicht auch noch zusätzlich ein städtisches Haus leitet. "Das Kulturprofil und seine Ergebnisse", so Jürgen Dahlke, "ist doch genau die Handreichung, die wir brauchen."
Als das Kulturprofil vor drei Jahren erstellt wurde, gab es fast schon so etwas wie Aufbruchstimmung. Städtische Institutionen und freie Kulturszene diskutierten auf Augenhöhe, beschlossen gemeinsam, ernteten vom Gutachter viel Lob. Passiert ist seither nichts. Und genau das sorgt gepaart mit der existenzbedrohenden Coronakrise und den Haushalts-Kürzungen nun dafür, dass viele Akteure in der Kulturszene nachhaltig frustriert sind.