
Es ist nicht üblich, dass eine Amtsleiterin Stadträtinnen und Stadträten politisch ins Gewissen redet. Die Chefin des Schweinfurter Jobcenters, Andrea Schranner, tat dies dennoch bei der Präsentation des Haushalts 2024 für das Jobcenter im Ausschuss für Beschäftigung und Soziales. Es war ihr letzter Auftritt, sie wird die Stadt Schweinfurt verlassen. Zum Ende ihres Vortrags gab sie dem Gremium die Empfehlung: "Nehmen Sie das erschreckende Ergebnis der Wahl zum Anlass, die richtigen Schritte zu gehen."
Bei der Vorstellung ihres Jahreszwischenberichtes sagt Schranner den Stadträtinnen und Stadträten auch gleich, was zu tun ist. Zum Beispiel Zahlen und Fakten benennen, wenn behauptet wird, "Arbeit lohnt sich nicht mehr". Mit dieser Aussage hatte die Union im Wahlkampf gegen die Erhöhung des Bürgergelds gewettert, das im kommenden Jahr um rund zwölf Prozent steigen wird. Alleinstehende erhalten dann monatlich 563 Euro statt bisher 502 Euro.
"Arbeit lohnt sich noch", widerspricht Schranner und verweist auf den Anstieg des Mindestlohns seit 2015 um 46 Prozent, während der Regelsatz seitdem um 41 Prozent gestiegen sei. "Da sind immer noch fünf Prozent dazwischen. Das Lohnabstandsgebot ist gewahrt." Bürgermeisterin Sorya Lippert pflichtet bei: "Was da draußen rumgeht, ist tödlich für unsere Demokratie."
Acht Prozent der Bevölkerung im Leistungsbezug
Aktuell betreut das städtische Jobcenter 3097 erwerbsfähige Leistungsberechtigte und 1400 Kinder in 2274 Bedarfsgemeinschaften. "Das sind acht Prozent der Bevölkerung", so Schranner. Auch nach Corona steigt die Zahl der Neuanträge, zuerst bedingt durch den Ukraine-Krieg, jetzt durch die Flüchtlingsbewegungen und Regelsatzerhöhungen. Für 2024 rechnet Schranner mit 1600 Neuanträgen. 2021 waren es 1000.
Damit steigen auch die Ausgaben des Gesamthaushaltes von 30,59 Millionen Euro (2022) auf 36,8 Millionen Euro (2023) und prognostizierten 40,25 Millionen Euro im Jahr 2024. Aufgrund der Erstattung vom Bund werden sich die Ausgaben der Stadt für Arbeitslosengeld II, Eingliederungshilfe und Unterkunft aber kaum verändern. "Es bleibt bei rund vier Millionen Euro."
Was auffällt: "Alles, was die Lernförderung anbetrifft, ist massiv teurer geworden", sagt Schranner. So sind die Ausgaben für Bildung und Teilhabe nach dem Sozialgesetzbuch II von 741.060 Euro im Jahr 2022 auf 790.000 Euro in 2023 gestiegen. 2024 wird mit 882.000 Euro kalkuliert.
Arbeitslosigkeit um 0,7 Prozent abgebaut
Trotz Krisen, Kriege, Rezension und schwächelnder Konjunktur: Es gibt auch gute Nachrichten aus dem Jobcenter. So sei es Schweinfurt entgegen dem allgemeinen Trend gelungen, die Arbeitslosigkeit um 0,7 Prozent abzubauen. Aktuell sind es 1240 Leistungsempfänger im SGB II. 24 Prozent der Jobcenter-Kunden seien weniger als zwölf Monate im Leistungsbezug. "Da ist viel Bewegung drin", so Schranner.
Was sie besonders freut: Insbesondere bei der Gruppe der Alleinerziehenden und Langzeitarbeitslosen sei eine nachhaltige Integration gelungen. "Das heißt, wir sind langfristig erfolgreich." Vor allem auch die Hilfsbedürftigkeit von Frauen habe gegenüber den Vorjahren etwas abgebaut werden können. "Unsere Quote ist jetzt besser als der Landesdurchschnitt." Das Jobcenter hat in den zurückliegenden Jahren den Fokus gezielt auf Frauen gerichtet, weil mehr als die Hälfte der 3128 Leistungsbeziehenden weiblich ist.
Es gibt viele offene Stellen, "doch was bei uns im Kundenstamm ist, matcht nicht", meint Schranner auf Nachfrage von Kathi Petersen (SPD), ob es bei den Arbeitgebern etwa an der Bereitschaft zum Einstellen mangele. Gesucht werden Fachkräfte. Von den Langzeitarbeitslosen aber seien 43 Prozent ohne Schulabschluss und davon 37 Prozent über 58 Jahre alt. "Diese Menschen vermitteln wir schwer."
Trotzdem: "Sie haben richtig viel bewegt", lobt Bürgermeisterin Sorya Lippert die Arbeit der Jobcenter-Leiterin, die nach dreieinhalb Jahren Schweinfurt verlässt. Die Stadt verliere mit Andrea Schranner eine Stütze der Verwaltung, ergänzt Sozialreferent Jürgen Montag.
Einer, der arbeiten könnte, mir gegenüber jedoch angibt, daß er mit dem künftigen Bürgergeld, Unterstützung bei Miete und Heizkosten, Einsparungen bei Fahrtkosten zur Arbeitsstelle, evtl. Verzicht aufs Auto und freie Zeit zur Verfügung habe, in welcher er sich etwas hinzuverdienen kann, freut sich natürlich über Schranners Erklärungen.
Hier sind ganz klar die Fehler der jetzigen Regierung zu erkennen, die offensichtlich den Gedanken des "Fördern und Fordern" verworfen haben.
Das zu dem Unterschiedsatz von "Mindestlohn um 46%, Regelsatz nur um 41% gestiegen".
Es fehlt ganz einfach am F o r d e r n