
Gabelstapler surren durch die Gänge. Das Geräusch mischt sich mit dem Rattern der Förderbänder. Hier, im Logistikzweig von ZF Aftermarket in Schweinfurt, ist von der Auftragsflaute im Automobilbereich, die derzeit viele Betriebe plagt, wenig zu spüren – im Gegenteil: Das Geschäft mit Ersatzteilen für Fahrzeuge und Autos läuft auf Hochtouren.
Die Sparte hat ihren Umsatz in den vergangenen Jahre fast kontinuierlich gesteigert. 2024 erzielte ZF Aftermarket einen Umsatz von 3,6 Milliarden Euro und war damit einer der wenigen Unternehmensbereiche mit einem deutlichen Wachstum. Milliardenumsätze hier, Krise dort: Während ein paar Hallen weiter die Elektromobilität in einer Konjunkturflaute dümpelt und dringend einen Geschäftspartner braucht, haben sie hier, im Ersatzteilgeschäft, alle Hände voll zu tun. Wie kann das sein?
820 Beschäftigte zählt ZF Aftermarket in Schweinfurt
Es ist Freitag, 13 Uhr. Zwischen den Hochregalen und Kartonbergen herrscht reger Betrieb. Nach einer kurzen Einweisung bleibt Standortleiter Jochen Hauke, der gemeinsam mit dem Betriebsratsvorsitzenden Wolfgang Gutgesell durch die Hallen führt, stehen, um einen Überblick zu geben, was man in den vergangenen Jahren umgesetzt hat. Bessere Sicherheitskonzepte, effizientere Abläufe, neue Produktfamilien: "Wir wachsen, wachsen, wachsen", so der Standortleiter, der für 820 Beschäftigte zuständig ist.

Schweinfurt ist neben Bremen und Ostrov (Tschechien) einer von drei europäischen Aftermarket-Standorten. 30 bis 40 vollgeladene Lastwagen erreichen den Wareneingang am Tag, 40 bis 50 verlassen ihn bis abends wieder, sagt Hauke. Das entspricht rund 2000 Paletten täglich. Von der 30.000 Quadratmeter großen Logistikfläche nahe des Mainufers geht es in die ganze Welt. Die Ware, darunter vor allem Ersatzteile wie Stoßdämpfer, Kupplungen sowie Gummi- und Metallteile der Marken Sachs und Boge, kommt im Lager an, wird abgeladen, überprüft, eingelagert, verpackt und wieder verkauft. Alles digital und automatisiert.
In der Logistik ist Tempo entscheidend
Die Kunden sind neben Autoherstellern auch Kfz-Ersatzteilhändler wie Stahlgruber, ATU oder die eigenen Konzernwerke. Die Zwischenhändler wiederum verkaufen die Waren dann an die Kfz-Werkstätten. "Ab 16 Uhr, wenn die Autowerkstätten schließen und die Kfz-Meister ihre Ersatzteile bestellen, fängt in Schweinfurt an, die Musik zu spielen", verdeutlicht Hauke. Bis zu 800 Expresssendungen gehen hier am Tag raus, damit diese am nächsten Tag beim Abnehmer sind.
"Der Kunde wartet nicht", sagt Hauke. Ein Satz, der in allen Branchen fällt – bei dem ehemaligen Bundeswehrsoldaten und Leistungssportler aber weniger nach Floskel, sondern eher wie Prinzip klingt. Geschwindigkeit und Struktur sei in der modernen Logistik ein entscheidendes Kriterium, um auf dem hart umkämpften Markt bestehen zu können, so Hauke. "Wenn der Versand die Ware nicht heraussaugen kann und vorne immer weiter Produkte eingelagert werden, verstopfen wir", veranschaulicht er. Unter anderem durch diesen Aufbau sei es ZF in den vergangenen Jahren gelungen, dort lieferfähig zu bleiben, wo andere Wettbewerber stagnierten.

Tempo ist auch im Kommissionierbereich ein Gradmesser. An einem der Verpackungsplätze ist Guido Engelbreit gerade dabei, einen Systemfehler am Rechner seines Kollegen zu beheben. Hier werden Stoßdämpfer und Kupplungssysteme der Marken Boge und Sachs für Autos und Lastwagen verpackt und versandfertig gemacht.
Allein bei den Dämpfern unterhält ZF vier Verpackungslinien. "Jede kann 2500 Dämpfer in einer Schicht verpacken", sagt Hauke. Bei drei Schichten entspricht das etwa 30.000 Dämpfern am Tag, die in Schweinfurt verpackt werden. Ähnlich bei den Kupplungen. Selbst die Verpackungen sind auf die 18.000 verschiedenen Artikel im Lager abgestimmt.

Um das zu stemmen, braucht es neben präzisen Abläufen auch Technik, die mitzieht. Im 32 Meter hohen Hochregallager mit 17.700 Stellplätzen fahren im Akkord Paletten ein, um anschließend von einem der 26 Tonnen schweren Regalbediengeräte automatisch eingelagert zu werden. Die 21 Mitarbeiter, die sich bei Aftermarket um die Wartung der Maschinen kümmern, sind ausgebildete Höhenretter, um sich im Notfall abseilen zu können, sagt Hauke.

Selbst die Schweinfurter Feuerwehr kommt hierher, um in einem der höchsten Hochregallager Europas zu üben. Zwar sei die Anlage aus dem Jahr 2008 derzeit noch „state of the art“, dennoch müsse Schritt für Schritt in Erhaltung und Modernisierung investiert werden. Bis zu 15 Millionen Euro will das Unternehmen dafür am Standort bereitstellen.
Wenn der Neuwagenmarkt stagniert, steigt in der Regel das Ersatzteilgeschäft
"Es können sich viele nicht vorstellen, dass das wie eine riesige Maschine ist", sagt Wolfgang Gutgesell, Betriebsratsvorsitzender von ZF Aftermarket. Und damit die ungehindert läuft, kommt es auf das Zusammenspiel zwischen Marktanforderungen, Flexibilität des Unternehmens und Bedürfnissen der Belegschaft an. Ähnlich wie die E-Division in Schweinfurt heute stand ZF Aftermarket 1998 vor einem großen Schritt. Damals, so Gutgesell, wurde die Sparte aus dem Konzern ausgegliedert und hat sich seitdem als selbstständige Tochtergesellschaft weiterentwickelt.

Leistung bedeutet nicht, dass alles perfekt ist. Noch vor wenigen Wochen herrschte unter der Belegschaft von ZF Aftermarket Verunsicherung wegen möglicher Stellenstreichungen im Zuge des Ausbaus des Standorts in Ostrov. Kürzlich konnten sich Betriebsrat und Konzern auf eine Beschäftigungsgarantie für mindestens 300 festangestellte Vollzeitkräfte im Schweinfurter Logistikbereich bis 2030 einigen.
Mit Blick auf die Situation bei der E-Division ein paar Hallen weiter sagt Gutgesell: Eine Abspaltung bringe sowohl Risiken als auch Chancen. Für den Bereich Aftermarket ist sein Fazit klar: "Es war eine Erfolgsstrategie, sich selbstständig auf sein Business unabhängig von anderen zu konzentrieren." Heute ist Schweinfurt nicht nur einer der größten Aftermarket-Standorte weltweit, sondern ein Beispiel, das zeigt, wie Transformation auch laufen kann.
Fast 2000 Paletten am Tag verlassen das Werk am Tag
Zu dieser Transformation gehören auch Alexander Erhart, Teamleiter Product Engineering, und die Mitarbeitenden in seiner Versuchswerkstatt. ZF verkauft nicht nur die ursprünglich für bestimmte Fahrzeuge gefertigten Teile, sondern entwickelt auch selbst Ersatzteile nach. Die Daten hierfür analysiert und sammelt das Unternehmen in eigenen Messräumen. Nebenan prüft Mitarbeiter Tim Kempe gerade eine Fahrwerksfeder auf Abweichungen. Dieses Wissen über die technischen Spezifikationen verschaffe ZF einen entscheidenden Vorteil gegenüber Konkurrenten, so Erhart.
Generell zeichne sich der ZF-Standort in Schweinfurt durch seine Vielschichtigkeit aus. Dazu gehört auch der Anspruch, für 95 Prozent aller Fahrzeuge am Markt das passende Ersatzteil in Originalqualität liefern zu können. Weil Werkstätten neben den Ersatzteilen aber weitere Hilfsmittel benötigen, um die Teile richtig einzubauen und das Auto anschließend wieder funktionstüchtig machen zu können, hat ZF den Standort zusätzlich zu einem Qualitäts- und Trainingscenter für Werkstätten ausgebaut. "Eigentlich ein Novum für ein Logistikunternehmen", so der Teamleiter weiter.

"Die Werkstattbindung und die Möglichkeit, schnell auf Bedarf zu reagieren, sind für uns essenziell", erklärt Erhart. Ein weiterer Vorteil der Nähe von Logistik und Qualitätsprüfung besteht darin, dass Mitarbeiter Teile miteinander vergleichen können. "Wir haben nicht nur kurze Wege, wir kennen einander", betont Erhart. Bei Ausfällen können sich die Abteilungen dank ihres Know-hows gegenseitig unterstützen und so Zeit gewinnen.
"Das alles zeigt, dass man als eigenständiger Bereich flexibler und kundenorientierter handeln kann", sagt Jochen Hauke. Letztendlich habe die Eigenständigkeit das Wachstum des Aftermarkets erst ermöglicht. Richtung E-Division, sagt er: "An uns sieht man, dass die Eigenständigkeit eine gute Chance sein kann." Letztlich brauche es dafür aber auch Mut auf allen Seiten.