Der Titel "Baum des Jahres" macht aufmerksam auf besondere oder gefährdete Bäume, auf alteingesessene oder zukunftsfähige. Mit der Echten Mehlbeere wurde für 2024 ein ökologisch wertvoller Baum gewählt, der mit Hitze und Trockenheit relativ gut zurechtkommt, also im Klimawandel bestehen könnte. Im Landkreis Schweinfurt ist die Mehlbeere äußerst selten zu finden. Aber im Wald bei Wasserlosen gibt es einige Exemplare, sogar sehr stattliche.
Über 20 Meter hoch und mit einem Durchmesser von 43 Zentimeter steht eine Mehlbeere – lateinisch Sorbus aria – im Waldstück mit dem bezeichnenden Namen "Dürrenfirst". Ein eher unauffälliger, langer Stamm mit einer ordentlichen Krone. "So eine Dimension hätte ich hier nicht erwartet", bekennt Stephan Thierfelder, Leiter des Staatlichen Forstamts Schweinfurt. Meist wird die Mehlbeere circa zehn Meter hoch.
Der Bereich im Gemeindewald ist seit einigen Jahren eingezäunt, um gegen Wildverbiss zu schützen und eine Naturverjüngung zu ermöglichen. "Wir haben hier vor zwei Jahren auch die Samen dieser Mehlbeere geerntet und zu einer Baumschule gebracht", informiert Bürgermeister Anton Gößmann zu den Bemühungen, Pflanzen mit dieser Genetik nachzuziehen und gezielt zu setzen. Allerdings sei die Keimfähigkeit ziemlich schlecht gewesen.
Wo Mehlbeeren besonders gerne wachsen
Mehlbeeren mögen kalkreiche Böden, wie hier. Einige hundert Meter weiter, Richtung Saaletal im Landkreis Bad Kissingen, wachsen auf den Muschelkalkböden noch mehr, weiß Thierfelder. Der Baum wurzelt üblicherweise flachgründig und sogar im Fels ist er zu finden. In Bayern kommt er vor allem im alpinen Bergwald vor.
Der Standort des stattlichen Exemplars mitten im Wasserlöser Wald ist eher ungewöhnlich für die Mehlbeere, die sehr lichtbedürftig ist. Denn die Rotbuchen daneben bilden mit ihren Kronen und Schatten eine echte Konkurrenz. An dieser Stelle aber war Platz, die Bäume stehen locker beieinander.
Meist finden sich Mehlbeeren mit den typisch silbrigen Blattunterseiten am Waldrand, wo sie genügend Sonnenlicht erhalten. Allerdings fallen sie dort oft dem Randschnitt zum Opfer. "Bei der Pflege müssen wir künftig besser darauf achten", sagt Thierfelder und ist sich darin mit der neuen Revierförsterin Selina Schott einig.
Die Früchte der Mehlbeere lassen sich nicht nur Vögel schmecken
Tatsächlich findet sich entlang des angrenzenden Feldweges eine weitere Mehlbeere, mit weißen, leicht cremefarbigen Blüten in den doldenartigen Blütenständen. "Wir haben sie vorsichtig freigeschnitten", erklärt die Försterin und deutet auf einen frischen Baumstumpf daneben. Das bleibt eine Aufgabe: Mehlbeeren für ihren Erhalt vor der Konkurrenz anderer Baumkronen zu schützen.
Über ihre orangenen bis roten Früchte, die über den Winter am Baum hängen bleiben, vermehrt sich die Mehlbeere. Vielen Vögeln, aber auch Mäusen oder Wildschweinen dienen die Früchte als Futter. Auch unzählige Insektenarten fühlen sich hier wohl. Über Vogelkot werden die Samen weiterverbreitet.
"Weiter unten ist ein Douglasienbestand mit Trockenschäden, wo etliche Bäume entnommen wurden", erzählt Thierfelder. "Da sitzen die Vögel gerne und darunter sind jetzt einige kleine Mehlbeeren aufgegangen."
Über 30 Arten sind in Europa bekannt
Eine Besonderheit zeichnet die Mehlbeere aus, die zur Gattung Sorbus zählt. Während es von den Sorbus-Arten Elsbeere, Speierling und Vogelbeere nur eine Art in Bayern gibt, sind von der Mehlbeere über 30 Arten in Europa bekannt. "Sie ist ziemlich dynamisch unterwegs, das ist spannend", meint Thierfelder.
Das helle Holz dieses Baumes ist eines der härtesten in Europa. Meist dient es zum Drechseln, als Bauholz ist es nicht geeignet, klärt Revierförsterin Selina Schott auf. Bislang war dies die Fichte, "aber die komplette Holzwirtschaft muss sich umstellen", weiß sie angesichts der Trocken-, Hitze- und Schädlingsschäden, die den Nadelbäumen gerade auf der Fränkischen Platte zusetzen.
Was der Baum des Jahres für die Wälder tun kann
Für die Waldbesitzer heißt das Gebot der Stunde: die Mehlbeere erhalten, sie mehr unter die anderen Bäume mischen und damit das Risiko streuen, erklärt Forstamtsleiter Thierfelder. Bei der laufenden Waldbereinigung könnte das für die Gemeinde auch einen Flächentausch mit Privatwald bedeuten, um die Mehlbeere stärker zu schützen.
Auch für die Städte zeigt sich dieser Baum als zukunftsfähig, zumal er mit der immer höheren Sonneneinstrahlung und den zunehmenden Trockenperioden gut zurechtkommt. Zwar kann er in Extremjahren frühzeitig das Laub abwerfen. Aber für den Wiederaustrieb im Folgejahr und das Wachstum hat das keine Auswirkungen, weiß der Forstmann. Deshalb hat die bundesweite Gartenamtsleiterkonferenz die Mehlbeere auch in die Liste der Zukunftsbäume für die Stadt aufgenommen.
Was den Namen Mehlbeere anbelangt, könnte dieser vom mehligen Geschmack der Früchte herrühren, erklärt Thierfelder. Allerdings wurde in Notzeiten mit den getrockneten Beeren auch das Mehl gestreckt und ein süßlich schmeckendes Brot gebacken, was ebenfalls für den Namen verantwortlich sein könnte.