Ein abschätziger Kommentar, diskriminierende Worte, Vorurteile – viele Menschen mit ausländischen Wurzeln erleben solche Formen von Rassismus in ihrem Alltag. Schulen sind davon nicht ausgenommen. Rassistische Entgleisungen und Parolen seien "erschreckend gesellschaftsfähig", wie Bürgermeister Thorsten Wozniak während des Festakts der Ludwig-Derleth-Realschule (LDR) in Gerolzhofen wenige Tage vor Beginn der Sommerferien feststellte. Solch menschenverachtendem Verhalten möchten die LDR und ihre Schülerinnen und Schüler einen Riegel vorschieben.
Deshalb sind an diesem Vormittag alle Klassen, von der fünften bis zur neunten Jahrgangsstufe, in die Dreifachturnhalle gekommen. Die offizielle Aufnahme der LDR in das Netzwerk "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" ist ein wichtiges Ereignis. Über 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler hätten eine Selbstverpflichtung unterschrieben, sich in ihrem Umfeld schützend vor Menschen zu stellen, die unter Rassismus leiden, berichtet Lea Hattenbach. Sie ist die für das Projekt zuständige Regionalkoordinatorin beim Bezirksjugendring in Würzburg.
Dass die LDR damit nicht alleine steht, zeigt ein Blick auf die Zahlen, die Hattenbach nennt: Die LDR ist die 4528. Schule in Deutschland, die 913. in Bayern und die 106. in Unterfranken, die sich dem Netzwerk anschließt. Es ist eines der größten Schülernetzwerke überhaupt. Mit dem symbolischen Beitritt und der Übergabe eines großen Hinweisschildes, für das laut Schulleiterin Elisabeth Grimanelis noch ein passender Platz am Schulhaus gesucht wird, sei es nicht getan, sagt Hattenbach. An die Mädchen und Jungen gerichtet appelliert sie: "Ihr müsst euch für die Werte, für die das Netzwerk steht, fortan einsetzen und aufstehen."
Grimanelis: "Dunkelste Zeit der deutschen Geschichte"
Während der Zeit des Nationalsozialismus, der laut der Schulleiterin "dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte", hätten "widerliche Kreaturen und Monster in Menschengestalt" das Sagen gehabt. Damals hätten Menschen, die dem Weltbild der Nazis nicht entsprachen, etwa Ausländer oder Menschen mit Behinderungen, keinen Platz in der Gesellschaft gehabt. "Ich bin froh, dass ich 80 Jahre später in einer anderen Welt lebe", sagt Grimanelis. In einer Welt, in der alle Menschen gleich seien. "Setzen wir uns als Schulfamilie dafür ein."
Dafür zu sorgen, dass die Würde des Menschen unantastbar bleibt, wie es Artikel 1 des Grundgesetzes vorgibt, sei auch Aufgabe der Zivilgesellschaft, sagt Barış Yüksel vom Verein "Würzburg KulturS". Der Netzwerk-Pate der Schule hat zum Festakt eine Audiobotschaft geschickt, weil er krankheitsbedingt verhindert ist. Täglich machten Menschen in unserem Land gewaltvolle Erfahrungen, weil sie anders sind als andere, beispielsweise ein Kopftuch tragen oder augenscheinlich nicht in Deutschland geboren sind, heißt es in der Botschaft.
"Weil die Gesellschaft nicht frei von Rassismus ist, braucht es Orte, an denen entschieden dagegen eingetreten wird", sagt Yüksel. Der Verachtung von Menschen dürfe niemals ein Türspalt geöffnet werden. Denn, so macht Yüksel klar: "Am Ende von Rassismus stehen Gewalt und Tod."
Vizl: "Der Landkreis Schweinfurt ist stolz auf euch"
Sich gegen Rassismus und Diskriminierung zu wehren, beginne im Kleinen, im Alltag, sagt stellvertretender Landrat Thomas Vizl. "Der Landkreis Schweinfurt ist stolz, dass ihr dagegen eintretet", wendet er sich an die Schülerinnen und Schüler.
Auch eine Schule sei als Abbild der Gesellschaft nicht frei von Alltagsrassismus und Intoleranten, sagt Bürgermeister Wozniak. Aber: "Hier, an dieser Schule, schweigen die Toleranten nicht", macht er klar. Dies stärke Mitschüler mit anderer Hautfarbe oder anderer Religion. Dies stelle einen Beitrag dar zu einer friedlichen Gesellschaft und einem friedlichen Miteinander.
Nach den vielen ermutigenden Worten, bleibt die Frage, wie sich der Beitritt zum Netzwerk in einer Schule, die sich jetzt offiziell dem Antirassismus verschrieben hat, auswirkt. Hier hat Schülersprecherin Elisa Kraiß, die mit Schülersprecher Benedikt Kleinhenz den Festakt moderiert, eine Ansage an alle Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler: "Sprecht Verstöße an und meldet diese."
Bauer: "Ich höre immer wieder diskriminierende Worte"
Dass es sich dabei um keine alltagsferne Theorie handelt, bestätigt Lehrerin Karina Bauer. Sie hat mit ihrem Kollegen Philipp Schwaab den Beitritt der LDR zum Netzwerk initiiert hat. Bauer bestätigt im Gespräch mit dieser Redaktion: "Ich höre in der Schule immer wieder diskriminierende Worte, die sich gegen ausländische Schüler richten." Darauf müsse man achten, sagt sie.
Deshalb ist es ihr wichtig, als "Schule ohne Rassismus" die dahinter steckende Idee im Schulleben zu verankern, etwa in Form von Arbeitsgruppen oder eines Tags der offenen Tür zum Thema.
Oft geht es darum, "Licht zu machen" und etwas zu wagen, was keiner wagt, wie es in einem Lied heißt, mit dem Sängerin Silvia Kirchhof den Festakt umrahmt. Denn ins Licht der Aufmerksamkeit gestellt, lassen sich Rassisten leicht enttarnen.