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Kreis Schweinfurt
Ansturm auf Mühlen rund um Schweinfurt: Warum zwei Müller von Hamsterkäufen beim Mehl abraten
Mehl ist in diesen Tagen so gefragt wie nie. Zwei Schweinfurter Müller erklären, ob die Vorräte für das kommende Jahr ausreichen und wovor sich die Experten sorgen.
In der Schlossmühle in Untereuerheim hat Müller Jochen Schor dieser Tage alle Hände voll zu tun. Wegen der großen Nachfrage kommt er mit dem Mahlen nicht mehr hinterher.
Foto: Anand Anders | In der Schlossmühle in Untereuerheim hat Müller Jochen Schor dieser Tage alle Hände voll zu tun. Wegen der großen Nachfrage kommt er mit dem Mahlen nicht mehr hinterher.
Marcel Dinkel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:34 Uhr

Zuerst das Speiseöl, jetzt das Weizenmehl. Seit in der Ukraine Krieg herrscht, geht bei vielen die Angst um, dass manche Lebensmittel in hiesigen Läden knapper werden könnten. In den vergangenen Wochen ist es deshalb zu einem regelrechten Ansturm der Menschen auf die Mühlen im Landkreis Schweinfurt gekommen. So auch bei Müller Jochen Schor aus Untereuerheim.

"Die letzten drei Wochen waren krass", beschreibt Schor die Situation in seiner Mühle in den letzten Tagen im Gespräch mit dieser Redaktion. Nachdem das Mehl in den Supermarktregalen gefühlt immer weniger geworden war, habe die Nachfrage bei seiner Mühle immer weiter und spürbar zugenommen, so der Untereuerheimer.

"Das war noch schlimmer als am Anfang der Corona-Pandemie", meint Schor. Säckeweise haben die Menschen das Mehl in unüblichen Mengen aus seinem Laden geschleppt. "Ich habe sogar Probleme gehabt, wieder neue Säcke beizubringen."

Mühle kommt mit dem Abpacken nicht hinterher

Seit mehr als drei Generationen mahlt Schor verschiedenste Getreidesorten, wie Dinkel, Weizen und Roggen in seiner Schlossmühle in Untereuerheim zu Mehl. Das Getreide kauft der Müller von lokalen Getreidebauern aus einem Umkreis von 20 Kilometern. Etwa zwei bis drei Tonnen Mehl mahlt er zusammen mit seiner Frau und zwei Teilzeitkräften pro Tag. Die größte Menge davon liefert er an Bäckereien aus der Region.

Dennoch: Trotz der vergleichsweise geringen Mengen, die seine Mühle produziere, ist der Betreiber am Schluss mit dem Abpacken gar nicht mehr hinterhergekommen. "Eine so plötzliche Nachfrage, kann man in so kurzer Zeit nicht auffangen", verdeutlicht der Müller.

Kunde 300 Kilogramm Mehl auf einmal

Ein Kunde trieb das Ganze schließlich auf die Spitze, indem er 300 Kilogramm Mehl auf einmal kaufte. Zum Vergleich: Der Pro-Kopf-Konsum von Weizenmehl lag, laut der Datenplattform Statista, in Deutschland im vergangenen Jahr bei gerade einmal 70 Kilogramm.

Zum Schluss habe der Müller seine Kundinnen und Kunden überzeugen müssen, weniger Mehl zu kaufen. Derartige Mengen müssen, so der Experte, fachgerecht eingelagert werden, damit sie über einen längeren Zeitraum verzehrbar bleiben. Massenkäufe aus Angst vor einer drohenden Mehlknappheit seien hingegen Nonsens. "Das Getreide ist ja da. Die Ernte ist im letzten August eingebracht worden und verschwindet jetzt nicht einfach."

Philipp Cramer, Geschäftsführer der Cramer Mühle in Schweinfurt, beliefert zirka 200 Bäckereien und 50 Kundinnen und Kunden aus der Großindustrie in einem Umkreis von 150 Kilometern.
Foto: Thomas Obermeier | Philipp Cramer, Geschäftsführer der Cramer Mühle in Schweinfurt, beliefert zirka 200 Bäckereien und 50 Kundinnen und Kunden aus der Großindustrie in einem Umkreis von 150 Kilometern.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen Zusatzschichten leisten

Auch bei Unterfrankens größter Industriemühle haben die vergangenen Wochen ihre Spuren hinterlassen. "Die Wochen sind immer noch herausfordernd", sagt Philipp Cramer, Geschäftsführer der Cramer Mühle in Schweinfurt im Gespräch mit dieser Redaktion. Auch in anderen Landkreisen erlebten Mühlen in den vergangenen Wochen einen historischen Ansturm.

Inzwischen habe sich der Kaufdrang der Leute und die Nachfrage vom Lebensmitteleinzelhandel zwar wieder etwas beruhigt, dennoch liege der geschäftliche Bedarf dreimal höher als sonst, erklärt Cramer. Seine rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten noch immer zusätzliche Schichten und Überstunden ab – auch weil sich viele Kolleginnen und Kollegen aufgrund Corona in Quarantäne befinden, so der Geschäftsführer.

In der Cramer-Mühle rechnet man damit, dass der Bedarf für 2022 gedeckt ist

Angstkäufe, hält Cramer ebenso wie sein Kollege, für absolut unbegründet. "Aktuell habe ich 40.000 Tonnen Weizen bei mir liegen. Das werde ich im kommenden Jahr Stück für Stück verarbeiten." Die Industriemühle beliefert zirka 200 Bäckereien und 50 Kunden aus der Großindustrie in einem Umkreis von 150 Kilometern.

Täglich werden in dem 40 Meter hohen Mühlengebäude der Cramer-Mühlen Werke in Schweinfurt zwischen 600 und 850 Tonnen Getreide vermahlen.
Foto: Thomas Obermeier | Täglich werden in dem 40 Meter hohen Mühlengebäude der Cramer-Mühlen Werke in Schweinfurt zwischen 600 und 850 Tonnen Getreide vermahlen.

Der Betrieb habe sogar selbst zehn Tonnen Mehl an Betroffene des Ukraine-Kriegs gespendet. Seinen Bedarf an Weizen kann die Industriemühle mit regionalem Getreide decken. Eine Mehlknappheit schließt der Experte künftig unter anderem auch wegen der starken Kaufkraft von Industrieländern wie Deutschland aus.

Wird Mehl in Deutschland teurer?

Abgesehen von der zusätzlichen Belastung für die Belegschaft, wirken sich die hohe Nachfrage durch die Bevölkerung samt des drohenden Auslieferungsstopps aus der Ukraine preistreibend auf den Weizenpreis am Weltmarkt aus, erklärt Cramer. Lag der Preis für 100 Kilogramm Weizen im Herbst 2021 noch zwischen 18 und 22 Euro, sei dieser mittlerweile auf das Doppelte gestiegen. Die Preise ändern sich laut Börse täglich, so Cramer.

Dabei können die Müller die aktuellen Preissteigerungen beim Getreide nicht sofort auf den Preis im Regal übersetzen, erklärt Jochen Schor. Fünf Kilogramm gemahlenes Weizenmehl kosten bei ihm derzeit um die fünf Euro und damit 50 Cent mehr als noch vor einigen Wochen.

Was die künftige Preisentwicklung betrifft, könne man erst im September mit einer spürbaren Veränderung beim Weizenpreis rechnen. "Wie diese aussieht, ist derzeit noch nicht absehbar." Das hänge unter anderem davon ab, wie die kommende Ernte ausfalle, so Cramer.

Sorge bereitet Cramer hingegen die künftige Ernährungslage in ärmeren Teilen der Welt. "Ich mache mir wirklich große Sorgen, dass Russland den Weizenhahn der Ukraine ganz zudreht und damit eine riesige Hungersnot in Ländern in Afrika auslöst." In Deutschland hingegen sei die Versorgung aktuell gesichert, so der Müller.

 
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  • H. S.
    Es wird langsam Zeit, dass das Bundeskartellamt hier einschreitet, und zwar ganz massiv!
    Die Preissteigerungen sind nur der Tatsache geschuldet, dass irgendwelche Spekulanten darauf wetten, dass dieses Produkt bald nicht mehr so gut verfügbar sein könnte. Doch an der Verfügbarkeit vieler dieser Produkte hat sich bisher noch gar nichts geändert!
    Das beste Beispiel ist die Öl-Branche. Daran verdienen sich irgendwelche Broker eine goldenen Nase, die die Verbraucher finanzieren müssen, weil es unser Staat halt einfach erlaubt.
    Und die gesamte Vertriebskette verdient mit.
    Denen muss der Hahn abgedreht werden!
    Die andere Frage ist die: Wo bunkern die Menschen denn jetzt das viele Olivenöl, und das Mehl, wenn doch deren Keller und Garagen noch komplett mit Toilettenpapier und Nudeln vollgepackt sind?
    Die parken ja nur noch im Freien, weil sie wegen den vielen gehamsterten Produkten, die bei ihnen mittlerweile vergammeln, ihr Fahrzeug nicht mehr in der eigenen Garage abstellen können...
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  • D. E.
    "Daran verdienen sich irgendwelche Broker eine goldenen Nase, die die Verbraucher finanzieren müssen..."

    Zum gierigen Brooker gehört halt auch der dumme Verbraucher. Funktioniert nicht so unsere Marktwirtschaft? Durch den Staat vorgegebene Preise, wäre das nicht Sozialismus?

    Ich kann nur raten, kühlen Kopf behalten und finanzschwachen Haushalten sollte der Staat helfen.
    Aber kein Gießkannenprinzip ala FDP mit dem Tankrabatt. Ach ja, wo bleibt der eigentlich?
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