
Anfang des Jahres wäre das noch undenkbar gewesen: Daniela Mahler, acht Jahre lang AfD-Mitglied und ab 2020 für die Partei mit Sitz im Schweinfurter Stadtrat, war Gast beim Bündnistreffen von "Schweinfurt ist bunt". Nun saß sie im Gemeindesaal der Schweinfurter Christuskirche vor gut 20 Mitgliedern von "Schweinfurt ist bunt", um ihre Geschichte zu erzählen.
Mahler wirkt gefasst. Es ist nicht ihr erster Auftritt als AfD-Aussteigerin in den letzten Wochen. Marietta Eder, Stadträtin für die SPD und Vorsitzende von "Schweinfurt ist bunt", begrüßt sie mit folgenden Worten: "Vor einem Jahr hätte man wahrscheinlich gesagt, uns beide findet man nicht in einem Raum." Mahler trat im März aus der AfD aus, im Mai hat sie offiziell die AfD-Fraktion im Schweinfurter Stadtrat verlassen. Mittlerweile warnt sie vor ihrer Ex-Partei.
"Wie kommt man denn in die AfD?", will Eder eingangs von Mahler erfahren. Eder vermutete den Schweinfurter AfD-Landtagsabgeordneten Richard Graupner als Triebfeder. Graupner hatte keinen Einfluss auf ihren Einstieg in die Politik, erzählt Mahler. "Der war da noch bei den Republikanern." Ihr Einstieg habe "eigentlich noch weiter rechts" stattgefunden. Über das Internet habe sie sich zuerst selbst radikalisiert und schließlich an Demonstrationen von Pegida in Nürnberg teilgenommen. Die Anwesenheit dort von bekannten Neonazis habe sie erst viel später realisiert.
"Die Leute dort waren nett", sagt Mahler. Über die Szene habe sich ihr Medienverhalten geändert. Sogenannte "alternative Medien" hätten von da an ihren Alltag geprägt. Der Weg zur AfD war nicht weit. Er führte für Mahler auch wieder über Nürnberg, bei einer Demonstration mit dem AfD-Bundestagsabgeordneten Peter Bystron. Besonders der Anti-Islamismus habe in ihrer Anfangszeit bei den Rechten verfangen, sagt sie. "Man fühlte sich durch die aufgeheizte Stimmung fast wie einem Krieg."
Schockiert über die Wahlergebnisse in den ostdeutschen Bundesländern
Was sich bei der AfD zusammenbraut, konnte Mahler jahrelang nicht wirklich erfassen. "Ich bin ehrlich gesagt nie davon ausgegangen, dass diese Partei überhaupt mal stark wird." Sie selbst zeigt sich heute schockiert über die jüngsten Wahlergebnisse in den ostdeutschen Bundesländern. Nach 2015 sei in der Partei noch darauf geachtet worden, dass man Leute mit rechtsextremen Tendenzen losbekomme, meint Mahler.
Mahlers Parteieintritt startete "ganz unschuldig, es war fast wie in einer Familie". Sie taucht die nächsten Jahre komplett in den AfD-Kosmos ab. "Du glaubst an eine andere Realität, wie in einem Paralleluniversum", erzählt sie.
Ihre Entfremdung von der Partei kam erst spät. Internet-Videos von Neonazi-Aussteigern hätten ihr die Augen geöffnet. Der Fall Daniel Halemba in der unterfränkischen AfD tat sein Übriges. Der Ausstieg folgte nach einem gut zweijährigen Prozess. Heute stellt sich Mahler gegen die Partei. "Die Politik der AfD zielt darauf ab, Krisen zu nutzen, um die Politik auf Rechts zu drehen", klärt sie auf.
Strengere Maßnahmen gegen Social-Media-Plattformen
Die häufigste Frage, die Mahler an diesem Abend beantworten muss: Wie kann die AfD gestoppt werden? Überzeugte AfD-Wähler noch einmal zurückzubekommen, sei schwierig, sagt sie aus eigener Erfahrung. Sie regt an, dass Deutschland darüber nachdenken müsse, gewisse Messengerdienste und Social-Media-Plattformen notfalls zu sperren. "Telegram und Tiktok sind die Pest in meinen Augen", sagt Mahler. Dort könne unwidersprochen, im schlimmsten Fall verstärkt von Algorithmen, Propaganda verbreitet werden. "Da passiert ganz bewusst eine komplette Meinungsverzerrung."
Von den demokratischen Parteien fordert Mahler Zusammenhalt. "Jeder gibt dem anderen die Schuld, anstatt dass alle zusammenhalten." Das Gegeneinander der übrigen Parteien stärke die AfD. Genauso wie das Aufgreifen von AfD-Themen. Das könne fatale Folgen haben, meint Mahler: "Die AfD zieht durch. Ich kenne sie. Und dann haben wir ein Problem."
Die Aussteigerin ist für ein Verbotsverfahren gegen die AfD. Das Bündnis "Schweinfurt ist bunt" hat sich dazu übrigens noch keine abschließende Meinung gebildet. "Danke für deine Offenheit", sagt Eder am Ende des Gesprächs und verspricht Mahler die Solidarität des Bündnisses. "Wer dich angreift, greift auch uns an", so Eder.