Die Leerstände in der Schweinfurter Innenstadt sind ein Dauerthema und Dauerärgernis: Rund 70 sind es nach wie vor in teils bester Lage. Einer davon ausgerechnet in der Keßlergasse, eine der zentralen Verbindungen zwischen Roßmarkt und Marktplatz. Besitzer Kurt Rösner möchte die Gebäude mit der Hausnummer 5 und 7 sanieren. Doch es gibt Dissonanzen mit der Denkmalpflege.
Mittlerweile beschäftigt der Fall auch den Stadtrat, schon länger natürlich die Bauverwaltung und die städtische Sanierungsstelle. Die Stadträte Peter Hofmann und Julia Stürmer-Hawlitschek (beide SPD) sowie Grünen-Fraktionssprecher Holger Laschka haben einen Antrag gestellt, in dem Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) aufgefordert wird, eine Lösung zwischen beiden Parteien zu finden. Bisher wurde der Antrag aber nur nichtöffentlich beraten.
Für die drei Stadträte ist es angesichts der Situation in der Innenstadt wichtig, dass Sanierungsvorhaben gerade in so exponierter Lage auch ermöglicht werden. Es bedürfe dringend einer baurechtlichen Lösung, heißt es, da der "optisch höchst bedenkliche Zustand, der der Keßlergasse im Besonderen, der Innenstadt aber auch insgesamt im jetzigen Zustand erheblichen Schaden zufügt".
Warum die Denkmalpflege das Haus Keßlergasse 5 für schützenswert hält
Das Haus Nummer 5 wurde laut Information der Denkmalpflege 2008 unter Denkmalschutz gestellt, der jetzige Besitzer hat es deutlich früher gekauft. Es ist ein dreigeschossiger, verputzter Satteldachbau aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der im Kern aus dem Spätmittelalter ist.
Das ursprünglich zweigeschossige Haus wurde nach Auskunft des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 1874 aufgestockt und ist "ein besonders anschauliches Zeugnis der Wohnkultur des Bürgertums bzw. der wohlhabenden Handwerkerschicht aus dem 18. und 19. Jahrhundert."
Das Quartier sei früher von gut situierten Handwerkern bewohnt worden, viele ihrer Bürgerhäuser seien aber im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Trotz der Veränderungen im Erdgeschoss, das derzeit an einen Geschäftsmann vermietet ist, liegen die denkmalpflegerischen Schätze in den oberen Geschossen: Stuckdecken, profilierte Fenster- und Türrahmen, teilweise noch aus dem 18. Jahrhundert. "Dem Gebäude kommt daher eine besonders hohe geschichtliche Aussagekraft zu. Es besitzt eine besondere stadtgeschichtliche Bedeutung", schreibt Juliane Grimm-von Wedemeyer, Pressesprecherin des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, auf Anfrage dieser Redaktion.
Abrissgenehmigung für Gebäude Keßlergasse 7 liegt vor
Die attestierte stadtgeschichtliche Bedeutung erklärt die Haltung der Denkmalpflege. Sie wird vom Hausbesitzer in dieser Form nicht geteilt. Gleichwohl ist er kompromissbereit, wie er und sein Architekt Jörg Thinius im Gespräch mit dieser Redaktion betonen.
Klar ist aber auch: Gibt es keinen Kompromiss und keine Möglichkeit, zu sanieren, "werde ich nichts machen", so Kurt Rösner. Eine Sanierung wie sie sich die Denkmalpflege vorstelle mit kleinen Verkaufsräumen und Erhalt eines großen Teils der Bausubstanz, sei aus seiner Sicht finanziell nicht darstellbar.
Die Kommunalpolitiker Hofmann, Laschka und Stürmer-Hawlitschek wollen auch verhindern, dass das Gebäude Keßlergasse 7, das komplett leer steht und kein Denkmal ist, abgerissen wird. Das wäre möglich, die Standsicherheit des benachbarten Denkmals muss dabei gesichert werden. "Eine Lösung muss rasch gefunden und der Stadtrat beteiligt werden", so die politische Sichtweise.
Kleinteilige Sanierung oder ein großer Raum mit Erhalt der Stuckdecke
Die Denkmalpflege hat sich in mehreren Stellungnahmen mit der Sanierung beschäftigt und 2018 auch den Denkmalstatus bestätigt, nachdem der Eigentümer eine Überprüfung des Status gewünscht hatte. Die Sicht der Denkmalpflege laut Pressesprecherin: Erhalt des Kernbaus mit den Grundrissen im ersten und zweiten Stock und der historischen Ausstattung, sprich Tür- und Fensterbögen sowie Stuckdecke.
Die finanziellen Erwägungen des Eigentümers könne man nachvollziehen, weswegen ein Teilabbruch im rückwärtigen Bereich und die Erneuerung oder Aufstockung des Daches möglich seien, so Juliane Grimm-von Wedemeyer, anfügend: "Letztlich verlangt auch die Denkmalpflege nichts belegt Unzumutbares.“
Das Landesamt habe nicht nur das notwendige Aufmaß, Tragwerksgutachten, Bestandserfassung und restauratorische Befunduntersuchung hoch bezuschusst, sondern auch ein Gesamtkonzept vorgeschlagen, bei dem der Abriss und Neubau des Hauses Keßlergasse 7 möglich wäre, um dort Haustechnik und barrierefreie Erschließung unterzubringen, "sodass das Denkmal geschont und seine Wertigkeit herausgearbeitet wird."
Hausbesitzer will eine möglichst große Verkaufsfläche im Erdgeschoss
Auf dem Tisch liegt nun auch ein Vorschlag von Architekt Thinius, den es aus Sicht Kurt Rösners zu beraten gilt. Geschaffen würde so eine große Verkaufsfläche im Erdgeschoss über beide Häuser, die historische Fassade des Denkmals würde erhalten und des Neubaus entsprechend angepasst, in den Obergeschossen entstünden Wohnungen. Die historische Stuckdecke im ersten Stock des Denkmals und den Türbogen würde man erhalten und freilegen, so dass es im Verkaufsraum einen Teil mit knapp sechs Metern Raumhöhe gäbe, die historische Decke im Bewusstsein bliebe.
Kurt Rösner hält die auch von städtischer Seite gemachten Vorschläge für nicht praktikabel, weil die Themen Barrierefreiheit ebenso wenig berücksichtigt werden wie die heute üblichen Größen und vor allem Raumhöhen moderner Verkaufsflächen. Dazu kommt, dass die Baukosten ohnehin höher sind als anderswo aufgrund der Lage mitten in der Fußgängerzone.
Ein weiterer Punkt: Die ungelöste Sanierung soll bisher dazu geführt haben, dass das sanierte Erdgeschoss des Gebäudes Keßlergasse 9 nicht vermietet werden konnte. Einen Kompromiss wie von den Stadträten in ihrem Antrag gefordert zu finden, wäre offenbar dem Zustand der Keßlergasse aus vielerlei Gründen zuträglich.
Die Stuckdecken, die profilierten Fenster- u. Türrahmen im Inneren haben bisher vermutlich nur wenige Menschen zu Gesicht bekommen. Wenn es nach den Denkmalpflegern geht, soll das weiter so bleiben. Das wäre für mich in etwa so, als wenn man im Louvre die Mona Lisa in einem nicht zugänglichen Raum wegsperrt.
Die historische Bausubstanz sollte doch auch sichtbar und erlebbar sein und wenn es - als Kompromisslösung - nur als Teil eines Verkaufsraumes ist. Nur so kann doch die vom Denkmalschutz postulierte Aussagekraft entstehen. Der Vorschlag des Architekten ist gut und der Steuerzahler sieht dann auch mal etwas für die eingesetzten Steuermittel.
Die schlechteste Lösung für Stadt und Eigentümer wären weiterer Leerstand u. Dahingammeln.
Denkmalschutz ist eine schöne Sache für den Staat: Eigentümern werden teilweise überzogene Forderungen stellen, die der Eigentümer umzusetzen hat. Beugt sich der Eigentümer der Willkür des Staates nicht, dann darf er in seinem Gebäude nicht ran. Förderungen gibt es zwar, bedeutet aber dennoch erstmal, dass der Eigentümer bezahlen muss.
Und so gibt es hier drei Möglichkeiten, wie es weitergehen könnte:
1. der Eigentümer verkauft das Gebäude - bei den Allüren der Denkmalschutzbehörde eher unwahrscheinlich, dass sich ein Käufer findet
2. man einigt sich
3. man einigt sich nicht, der Eigentümer lässt das Gebäude bewusst verfallen, bis er es dann komplett abreissen darf.
Und so wird es wohl auch hier kommen - Verfall bis zum Abrisss. Gut gemacht, Denkmalschutz! *slow clap* Gut gemacht!
Aus solchen "besonderen annschaulichen Zeugnissen" wegen was auch immer wurden und werden auch zukünftig Schandflecke in den jeweiligen Ortschaften generiert.
Nicht jedes Haus aus der Vorzeit kann nun einmal erhalten werden, auch nicht jedes Haus welches einmal eine besondere Bedeutung hatte.