
Wirklich viele Gedanken über die Verfassung hat sich Aleksej in seinem Leben bisher nicht gemacht. Warum auch? Tendenziell begegnet sie dem Schüler in seinem Alltag eher selten, sagt der Achtklässler. In den Sozialen Medien, wo der 15-Jährige und seine Mitschüler heutzutage viel Zeit verbringen, drängend sich ihm meist andere Inhalte auf.
Am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium (AvH) weiß man um die Herausforderung Bescheid, junge Menschen wie Aleksej für Demokratie und Rechtsstaat zu begeistern. "Es genügt keinesfalls, irgendwelche Paragrafen zu lernen", erklärt Schulleiter Klemens Alfen. Es gehe darum, die Schule aus dem Haus zu bringen. "Sie muss in der politischen Umgebung kooperieren und Welterfahrung ermöglichen."
Um solche Erfahrungen zu ermöglichen, veranstaltet das AvH jährlich einen Projekttag, an dem sich die Schülerinnen und Schüler intensiver mit Themen aus der politischen Bildung beschäftigen. Den Anlass dafür bot heuer der 75. Geburtstag des Grundgesetzes. Mit dabei: Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler), die beiden Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber (CSU) und Markus Hümpfer (SPD) sowie die beiden Grünen-Landtagsabgeordneten Paul Knoblach und Kerstin Celina und der Schonunger Bürgermeister Stefan Rottmann (SPD) als Vertreter der Kommunalpolitik.
Politiker mahnen Erstarken von Populismus an
Als Teilnehmer einer Diskussion mahnten die Politikerinnen und Politiker mit Blick auf die vergangenen Europawahl vor allem ein Erstarken der Rechtsnationalisten und Demokratieskeptiker an.
Der Grad zwischen Populismus und der Überschreitung hin zu körperlicher Gewalt, sei klein, erklärte Markus Hümpfer. Immer wieder würden Kollegen bedroht oder Opfer von Anschlägen. Die Demokratie lebe vor allem auch vom Streit um Argumente und Austausch, ergänzte Kollegin Anja Weisgerber. Es sei eine Gefahr für die Demokratie, wenn kein sachlicher, fairer Austausch stattfinde.

Was das bedeutet, hat der Abgeordnete Paul Knoblach selbst am eigenen Leib erfahren, als ein Mann dem 69-Jährigen bei seinem Wahlkampfstand im vergangenen Jahr damit gedroht hatte, ihm eine Kugel in den Kopf zu schießen. Angst habe er deshalb nicht, meinte Knoblach. "Wir müssen das Verbindende hervorheben, auch wenn wir uns als Politikerinnen und Politiker über den besseren Weg streiten."
Verbale Gewalt ist auch seiner Parteifreundin Kerstin Celina nicht fremd. Vor allem Frauen würden heute immer noch Opfer sexualisierter Gewalt sein. "Dort einzuschreiten, ist enorm wichtig", so Celina. Von Anfeindungen blieb der Lokalpolitiker Rottmann bisweilen verschont. Dennoch würde auch er in alltäglichen Gesprächen mit den Menschen bemerken, wie sehr sich der Diskurs aufheize und Menschen auf die vermeintlich einfachen Antworten der Populisten hereinfielen.
Schülerinnen und Schüler sollen sich mehr einbringen
Professor Bernd Ankenbrand von der Technischen Hochschule Schweinfurt-Würzburg ermutigte die Schülerinnen und Schüler dazu, herrschenden Defizite zu benennen und in den demokratischen Diskurs hereinzutragen. Seine Botschaft: "Das, was euch drückt, könnt ihr miteinbringen", sagt der Wirtschaftswissenschaftler mit Verweis auf die Schülermitverantwortung (SMV) an den Schulen.
Lehrerin Cynthia Pfeffermann, Mitorganisatorin des Projekttages, sah sich und ihre Kolleginnen jedenfalls bestärkt in ihrem Vorgehen. "Das Bedürfnis nach Aufklärung wird angesichts der politischen Situation immer größer." Und es wächst – auch unter den Schülern, so Pfeffermann. Im nächsten Jahr wolle man deshalb zusätzlich die unteren Jahrgangsstufen am Projekttag beteiligen, trotz des vollen Lehrplans.
Schulleiter Klemens Alfen befürwortete in diesem Zusammenhang die Schaffung einer Verfassungsviertelstunde einigen Jahrgangsstufen. "Ich glaube, wenn wir die Verfassung von den Schülern aus denken, können wir diese einfachen Antworten aufbohren."