100 Jahre ist es her, dass mit der Grundsteinlegung der Bau der evangelischen Erlöserkirche in Gerolzhofen begonnen wurde. Während eines Festgottesdienstes am Sonntagvormittag feierte die Kirchengemeinde dieses wichtige Ereignisse in der Geschichte der Protestanten in der Stadt. Der Mut und der Tatendrang der damals Verantwortlichen könne der Gemeinde auch heute noch ein Vorbild sein, lautete eine Botschaft von Pfarrer Reiner Apel.
Allein das "volle Haus mitten in den Ferien", wie Pfarrer Apel die Atmosphäre im Gotteshaus beschrieb, brachte es deutlich zum Ausdruck: Es ist ein wichtiges Jubiläum, das die evangelischen Gläubigen in Gerolzhofen an diesem Sonntag feierten. Denn während die übrigen, katholischen Kirchen in der Stadt alle ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel haben, ist die kleine evangelisch-lutherische Kirche nicht nur die jüngste im Bunde. Sie steht auch wie nichts sonst für die Geschichte der Protestanten in Gerolzhofen.
Julius Echter vertrieb sämtliche Protestanten aus der Stadt
Denn erst gut sieben Jahrzehnte vor der Grundsteinlegung am 6. August 1922 tauchten in den überlieferten Dokumenten überhaupt wieder Namen von evangelische Christen in der Stadt auf. Nach der Reformationszeit in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte es in Gerolzhofen zwar eine Zeitlang Protestanten gegeben. Fürstbischof Julius Echter vertrieb diese jedoch in den 1580er Jahre im Zuge der von ihm mit aller Härte vollzogenen Gegenreformation aus seinem Fürstbistum, zu dem auch Gerolzhofen gehörte. Seitdem wurden hier lange Zeit keine sesshaften Protestanten mehr verzeichnet.
Erst im Jahr 1905, so berichtete es Apel während des Gottesdienstes, wurde dann nach Vertreibung der hiesigen Protestanten unter Julius Echter wieder der erste evangelische Gottesdienst gefeiert, im Rathaussaal. Doch trotz der widrigen Umstände – vielleicht aber auch gerade deshalb – hielten die Evangelen an ihren Plänen für den Bau einer eigenen Kirche außerhalb der Stadtmauer, auf einem von der Stadt kostenlos überlassenen Grundstück fest. "Es war eine Flucht nach vorne", sagte Apel.
Er beschrieb den Kirchenbau seinerzeit als einen mutigen Schritt. Die Vorfahren hätten sich ein eigenes Haus gewünscht, das sie beschützt, einen festen Ort zum Beten und Singen sowie ein Zuhause für die Gottesdienste, beschrieb der Pfarrer, was die Menschen vor gut 100 Jahren angetrieben hat.
Apel: Aufbrüche sind auch heute noch wichtig
Wenngleich die Situation der heutigen Kirchengemeinde nicht der von vor 100 Jahren gleicht, gebe Verknüpfungspunkte. Denn auch heute seien Aufbrüche wichtig, sagte Apel. Es gehe um die Frage, wohin Kirche sich entwickeln soll. Was stimmt in der Gesellschaft, und was nicht?
Und hierbei wünscht sich Apel für die evangelische Kirchengemeinde durchaus den "Mut zum Risiko", den seinerzeit die Gründungsväter des Evangelischen Kirchenbauvereins, der die Pläne für die Errichtung der Erlöserkirche bis zur Umsetzung vorangetrieben hat, an den Tag gelegt haben. "Lebt als Kinder des Lichts", dieses Motto gelte es auch heute ernst zu nehmen und auf die Ausstrahlungskraft Gottes zu vertrauen. Die Menschen seinerzeit hätten "einfach mal gemacht, ohne zu wissen, was daraus wird", stellte Apel den Wagemut der damaligen Gläubigen heraus. "Das täte uns heute vielleicht auch gut." Denn manchmal gehe es darum, zu schauen "wohin uns der Glaube trägt".
Menschen vertrauten konsequent auf Gott
Auch aus dem Predigttext des Sonntags zog Pfarrer Apel ebenfalls Rückschlüsse auf den Bau der Erlöserkirche. Denn wie die ohnehin verarmte Witwe in dem Text aus dem Lukas-Evangelium ihr letzte Hab und Gut spendet, um anderen zu helfen, so stehe auch dieses Gotteshaus letztendlich deshalb, weil Menschen Geld gegeben hätten für eine Sache, deren Ausgang nicht sicher war. Diese Menschen hätten konsequent auf Gott vertraut. Sich dem hinzugeben, was Gott mit uns vorhat, "davon lebt unser Glaube und unsere Kirche", sagte Apel.
Im Laufe des Festgottesdienstes mit Abendmahlsfeier waren die Gläubigen eingeladen, mit großen Bausteinen, die in der Kirche verstreut lagen, ihre eigene Wunschkirche zu bauen. Anschließend durften sie auf Zetteln mit den symbolischen Zeichen für Herz, Mund und Hand die Bausteine beschriften mit den Botschaften, die ihrer Meinung innerhalb der Kirche nicht verloren gehen dürfen.
Der Posaunenchor unter Leitung von Martina Heßmer umrahmte den festlichen Gottesdienst zum 100. Jahrestag der Grundsteinlegung. Unter anderem spielte dieser auch Lieder, die seinerzeit während der Feier zur Grundsteinlegung gespielt wurden. Hierzu zählte auch das Lied "Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre", dessen Musik von Ludwig van Beethoven stammt, der Text von Christian Fürchtegott. An der Orgel spielte Dekanatskantor Reiner Gaar.