Es sieht besinnlich aus an diesem Montagnachmittag vor dem Rhön-Klinikum Campus in Bad Neustadt. Der Weihnachtsbaum ist geschmückt, im Hintergrund spiegeln sich die markanten Glaskuppeln im Licht, die Abenddämmerung steht bevor. Doch der Schein trügt. Denn im Inneren malen die Campus-Verantwortlichen im Rahmen eines Pressegesprächs kein besinnliches Vorweihnachtsbild. Der Grund: Corona und Omikron.
"Die Omikron-Variante wird in den kommenden Monaten ganz sicher auch diese Region belasten", so Professor Bernd Griewing, Vorstand Medizin der Rhön-Klinikum AG. Bereits jetzt und auch an den bevorstehenden Feiertagen werde man sich am Campus "ohne jede Frage" auf die fünfte Corona-Welle vorbereiten, die im Laufe des Januars oder Februars den Landkreis ereilen wird.
Kaum Zeit durchzuatmen für das müde Personal, das nun schon fast zwei Jahre hautnah die Auswirkungen der Pandemie tagtäglich zu spüren bekommt. Und der Höhepunkt der bislang schwersten Welle am Campus ist noch keine drei Wochen her. In der Spitze bis zu 75 Corona-Patienten täglich sind Anfang Dezember am Bad Neustädter Klinikberg behandelt worden: Zum Vergleich: Zu Beginn der Pandemie Anfang 2020 waren es maximal 23, zu Beginn dieses Jahres 33 und später 28.
Patienten aus Traunstein oder Augsburg am Campus aufgenommen
Da der Campus als Corona-Schwerpunktklinik gilt, sind zuletzt Patienten aus Traunstein oder Augsburg, aber auch aus der umliegenden Gegend (Bad Brückenau, Bad Kissingen, Schweinfurt) aufgenommen worden. "Wir sind aber stolz, dass wir bislang noch keinen Corona-Patienten aus unserem Landkreis verlegen mussten", will Dr. Hassan Soda gleich Sorgen ob möglicher Kapazitätsprobleme nehmen. Insgesamt sind seit Anfang Oktober 250 Corona-Patienten am Campus behandelt worden.
Über deren Verläufe berichtete Dr. Johannes Weiß, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Verantwortlicher der Covid-Station. Rund zwei Drittel der Patienten, die auf den Intensivstationen behandelt werden mussten, waren ungeimpft, ein Drittel hatte einen Impfschutz. Wer beispielsweise erst eine Impfung hinter sich hatte und danach erkrankte, galt in dieser Statistik ebenfalls als ungeimpft.
Schwere Verläufe zeigten sich laut Weiß vor allem bei ungeimpften Patienten unter 60 Jahren. Bei Geimpften würde sich meist nur ein milder Krankheitsverlauf zeigen. Eine Ausnahme bilden hochbetagte Geimpfte, die zudem noch an schweren Vorerkrankungen leiden.
Unterstützung von Ärzten und Rettungsdiensten notwendig
Auch wenn die Versorgung von akuten Notfällen – beispielsweise Herzinfarkte oder Schlaganfälle – trotz der enormen Corona-Belastung gesichert war und ist, macht Bernd Griewing keinen Hehl daraus, dass man im Hinblick auf Omikron in der nahen Zukunft weiter auf die Unterstützung von niedergelassenen Ärzten oder Rettungsdiensten angewiesen sei, was keine akuten Erkrankungen betrifft.
Warum man am Campus mit größter Sorge auf die kommenden Wochen blickt, macht Alexander Schubert deutlich. Der Facharzt in der Krankenhaushygiene und gleichzeitig ärztlicher Leiter des hauseigenen Impfzentrums beschäftigt sich schon länger mit der neuen Virusvariante aus Südafrika, die momentan unter anderem Großbritannien fest im Griff hat.
Von der Insel bekommt Schubert gerade Daten. Deshalb warnt der Mediziner: "Man darf Omikron nicht unterschätzen, die Variante ist viel ansteckender und unterläuft auch teilweise den Immunschutz, wenn die zweite Impfung mehrere Monate zurückliegt."
Omikron: Viele Ausfälle von Mitarbeitern drohen
Wenn in London zurzeit eine starke Zunahme von täglichen Corona-Fällen festgestellt wird, könne man daraus, so Schubert, Schlüsse ableiten, dass mit etwas Verzögerung eine ähnliche Situation in Deutschland eintreten könnte. Eine weitere Konsequenz aus den vorliegenden Daten zeige, "dass mit vielen Ausfällen von Mitarbeitern zu rechnen ist"– im Gesundheitsbereich und darüber hinaus.
Vor diesem Hintergrund appellieren alle Campus-Verantwortlichen, sich zeitnah boostern zu lassen. "Zwei Wochen nach der Booster-Impfung steigt der Schutz vor einer schweren Erkrankung auf 70 bis 80 Prozent." Umso zufriedener ist Alexander Schubert, dass seit der Öffnung des Campus-Impfzentrums für die Bevölkerung Anfang Dezember schon fast 1500 Impfungen durchgeführt worden sind. Beim jüngsten Sonderimpftag am vergangenen Wochenende waren es über 450. Auch über 100 Erstimpfungen seien "erfreulich" gewesen.
Die Quote weiter steigern sollen unter anderem mobile Impfteams, die der Campus nach Weihnachten quer durch den Landkreis schicken will, um Interessierte direkt vor Ort unkompliziert erreichen zu können.
Eine trügerische Corona-Situation derzeit
Neben Impfungen appelliert Bernd Griewing daran, weiterhin FFP2-Masken zu tragen und seine Kontakte wieder zu reduzieren. Gesetzlich angeordnete Beschränkungen werden seiner Ansicht nach zeitnah folgen. "Ich persönlich bedauere das, weil ich immer denke, man kann Menschen überzeugen. Aber wir haben einfach nicht viel Zeit", so Griewing, der klarmacht: "Die scheinbare Ruhe und Abflachung der Fallzahlen und Inzidenzen derzeit sind absolut trügerisch."