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Bad Neustadt
Valeo streicht in Bad Neustadt 310 Stellen: Trauer, Wut und Unsicherheit bei Versammlung und Protestaktion
Valeo will die Produktion in Bad Neustadt schließen. An einer Protestaktion mit Betriebsversammlung nahmen 400 Mitarbeitende teil. Wie geht es nun weiter?
Mit der Schließung der Valeo-Produktion in Bad Neustadt wollen sich Betriebsrats-Vorsitzende Jessica Reichert und ihr Stellvertreter Sebastian Albrecht nicht abfinden. Sie luden deshalb zur einer Betriebsversammlung mit Protestaktion nach Mellrichstadt.
Foto: Anand Anders | Mit der Schließung der Valeo-Produktion in Bad Neustadt wollen sich Betriebsrats-Vorsitzende Jessica Reichert und ihr Stellvertreter Sebastian Albrecht nicht abfinden.
Kristina Kunzmann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:40 Uhr

Ein trüber Herbstmittwoch vor der Oskar-Herbig-Halle in Mellrichstadt: Gruppen von Valeo-Mitarbeitenden stehen im Vorfeld der vom Betriebsrat einberufenen Betriebsversammlung zusammen. Mancher tippt auf seinem Handy, andere scherzen miteinander – doch nur kurz, dann werden ihre Gesichter wieder ernst. Aus Richtung des Bahnhofs kommen in langen Schlangen weitere Personen zur Halle gelaufen. Düster schallt "Hurra, diese Welt geht unter!" der Band K. I. Z. aus den Boxen. 

Das Wetter und die Musik passen zur Gemütslage der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Arbeitgeber Valeo angekündigt hat, die Produktion in Bad Neustadt stillzulegen. Damit wäre der Wegfall von 310 Arbeitsplätzen verbunden. "Die Stimmung in der Belegschaft ist furchtbar. Die Motivation ist am Boden", beschreibt Betriebsratsvorsitzende Jessica Reichert. 

Als Mitarbeitende die unterschriebenen Kisten in die Oskar-Herbig-Halle trugen, brandete Applaus unter den Versammlungsbesuchern auf.
Foto: Anand Anders | Als Mitarbeitende die unterschriebenen Kisten in die Oskar-Herbig-Halle trugen, brandete Applaus unter den Versammlungsbesuchern auf.

Valeo Bad Neustadt: Keine neuen Informationen des Arbeitgebers an die Belegschaft

Nach der letzten Betriebsversammlung hätten die Beschäftigten und der Betriebsrat keine weiteren Informationen vom Arbeitgeber erhalten. "Wir haben nun externe Sachverständige beauftragt und werden uns morgen mit ihnen und der IG Metall über das weitere Vorgehen abstimmen", so Reichert. Dann eilt sie ihren Kollegen sowie Thomas Höhn (1. Bevollmächtigter IG Metall Schweinfurt) und Reiner Gehring (2. Bevollmächtigter) zu Hilfe.

Sie drapieren Kartons rund um den Baum in der Mitte des Hallen-Vorplatzes. Bruchstückhaft sind darauf Buchstaben zu erkennen, ein Megaphon und erhobene Arme. Auf den Pappkisten und auf Unterschriftenlisten im Vorraum der Halle können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mittels Unterschrift zeigen, dass sie mit den Plänen ihres Arbeitgebers nicht einverstanden sind, erläutert Jessica Reichert den Anwesenden.

Neben Vertretern der IG Metall kamen auch rund 400 Valeo-Mitarbeitende zur Protestaktion in Mellrichstadt und taten ihren Unmut mit ihrer Unterschrift auf Kartons und Listen kund.
Foto: Anand Anders | Neben Vertretern der IG Metall kamen auch rund 400 Valeo-Mitarbeitende zur Protestaktion in Mellrichstadt und taten ihren Unmut mit ihrer Unterschrift auf Kartons und Listen kund.

Bei der Versammlung die Emotionen der Mitarbeiter aufnehmen

Mehr und mehr Beschäftigte nutzen die Möglichkeit, auf den Kartons für die Zukunft ihrer Arbeitsplätze zu unterschreiben. Vor den Unterschriftenlisten bilden sich lange Schlangen, die Halle füllt sich im Minuten-Takt. Rund 400 Mitarbeiter der Produktion und der anderen Bad Neustädter Valeo-Abteilungen sind gekommen. Zuerst reden sie noch miteinander, winken verhalten ihren Kollegen oder schauen zur Bühne, auf der die Tagesordnung der Versammlung eingeblendet ist.

Dann richten sich ihre Blicke plötzlich gen Saaleingang. Es wird still in der Menge, bevor lautes Johlen und Klatschgeräusche losbrechen. Der Grund: Mitarbeitende tragen die Kartons mit den Buchstaben und Unterschriften hinein. Auf der Bühne aneinander gereiht, ergeben die einzelnen Wortteile auf den Kartons eine sinnvolle Kombination. Ein durchgestrichenes "Stand heute" ist dort zu lesen, darunter der Slogan "Standhaft für ein Morgen!".

Zum anschließenden offiziellen Teil der Betriebsversammlung sind keine Pressevertreter zugelassen, weil es dabei auch um Betriebsinterna gehen wird. "Wir wollen den Mitarbeitern den aktuellen Stand der Dinge erläutern, auf ihre Sorgen eingehen, ihre Emotionen aufnehmen und die nächsten Schritte aufzeigen", hatte Jessica Reichert im Vorfeld erklärt. "Viele Antworten werden wir den Mitarbeitenden nicht geben können. Aber wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir nicht aufgeben".

Werkleiter und Personalleiterin von Valeo kamen doch nach Mellrichstadt

Auch Vertreter der Geschäftsleitung von Valeo hatten ihr Kommen angekündigt. Allerdings sei ihre Teilnahme zwischendurch unsicher gewesen, weil sie gefürchtet hätten, die Presse werde auch beim offiziellen Teil der Versammlung anwesend sein, sagt der stellvertretende Valeo-Betriebsratsvorsitzende Sebastian Albrecht noch. Dann schließt er die Tür hinter den Pressevertretern und begibt sich wieder ins Innere der Halle.

"Jessica Reichert berichtete von der Nachricht des Arbeitgebers, er wolle nicht kommen, weil Medien im Raum seien. Dabei waren Buhrufe der Belegschaft zu hören", sagt der in der Versammlung anwesende IG-Metall-Bevollmächtigte Reiner Gehring auf Nachfrage dieser Redaktion nach deren Ende. Genau in diesem Moment habe Valeo-Werkleiter Peter Zgudziak mit seiner Personalleiterin den Saal betreten.

Von Zgudziak und seiner Personalleiterin habe es kaum neue Informationen für die Mitarbeitenden gegeben. Sie hätten lediglich versichert, dass sie sich eine schnelle Einigung mit dem Betriebsrat wünschen und einige wenige zuvor per Mail gestellte Fragen von Beschäftigten beantwortet, so Gehring.

Trauer, Wut und Ärger sind groß bei den Beschäftigten von Valeo in Bad Neustadt

"Bei der Versammlung war die Stimmung nicht nur gedrückt, sondern es waren auch große Unsicherheit, Trauer, Ärger und Wut zu spüren", beschreibt Gehring. Ein 58-jähriger Beschäftigter habe seinen Unmut darüber geäußert, wie menschlich mit ihm umgegangen werde. So hätten ihn stets nur Mitglieder des Betriebsrats nach seinem Befinden gefragt, nicht aber der Werkleiter. "Außerdem meldete sich ein jüngerer Mitarbeiter zu Wort. Er habe gerade ein Haus in der Region gekauft und fragte, wie es nun für ihn weitergehen solle". 

 
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