Es herrscht Krieg in der Ukraine. Russland hat am 24. Februar seinen Großangriff auf das Land gestartet. Seitdem haben bereits über 1,5 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen. Viele befinden sich noch auf der Flucht. Die Versorgungslage ist prekär. Dabei tatenlos zuzusehen, kam für Landwirt Martin Woywod aus dem Mellrichstädter Stadtteil Roßrieth nicht in Frage.
Er ist in der Ukraine gut vernetzt und hat viele Freunde dort. Seine Frau ist selbst Ukrainerin. Kennengelernt hat der 44-Jährige sie bei ihrem Auslandsstudium in Deutschland. Auch habe er viele ukrainische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in seinem landwirtschaftlichen Betrieb in Roßrieth gehabt, erzählt er.
Für ihn war sofort klar, dass er helfen muss. "Jeder von meinen Freunden in der Ukraine macht etwas, da musste ich auch etwas tun. Ich konnte nicht einfach so herumsitzen", sagt er. Von einem dortigen Freund bekommt er eine Liste mit Dingen, die dort gebraucht werden. Kurzerhand startet er über seinen WhatsApp-Status einen Hilfs- und Spendenaufruf.
Über die zahlreichen Spenden, die kurz nach dem Start des Aufrufes bereits zusammengekommen waren, sei er überrascht gewesen: "Mein Handy war dauerhaft am Klingeln. Nach drei Stunden war der Akku leer. Auf dem PayPal-Konto, das ich extra eingerichtet hatte, waren nach kurzer Zeit knapp 3000 Euro eingegangen." Mit dem Geld hat Woywod die benötigten Sachen bestellt, darunter beispielsweise fünf Kilogramm Schmerzmittel, 60 Powerbanks, 250 Verbandskästen und vier Nachtsichtgeräte.
Am vergangenen Donnerstag hieß es dann: Aufbruch. Zusammen mit seinem Freund Christof Herbert, Kreisrat aus Querbachshof, ging es in einem vollbepackten VW-Bus mit Pferdeanhänger – einem Gesamtgewicht von 5,5 Tonnen – auf die Reise in die Ukraine. Den Transport jemand anderem zu überlassen, sei für Woywod keine Option gewesen: "Mir war wichtig, dass die Hilfsgüter auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden und nicht auf irgendeinem Schwarzmarkt landen. Deshalb sind wir selbst bis zur Militärakademie in Lemberg gefahren."
Ukraine-Krieg: Großer Andrang an den Hilfsstationen
An der Grenze wurden die beiden von Taras Pavlenka – einem Bekannten, der laut Woywod, für das ukrainische Verteidigungsministerium arbeitet – abgeholt. "Taras konnte uns, aufgrund seiner Kontakte, schnell durch die ganzen Straßenkontrollen, sicher bis nach Lemberg zur Militärakademie, lotsen. Ohne ihn wären wir nicht ansatzweise so schnell, oder vielleicht überhaupt nicht, an unserem Zielort angekommen", so Woywod.
Die Situation an der Grenze zu Polen sei erschreckend. Der Strom an Flüchtlingen endlos. "Dort waren überall Frauen und kleine Kinder. Eine Mutter hatte ihr kleines Kind im Arm und zwei weitere an der Hand. Dabei hatten viele nur kleine Koffer", erzählt Woywod.
Der Andrang vor den Ausgabeorten von Lebensmitteln und Hilfsgütern sei groß gewesen. Zu groß, so der 44-Jährige: "Die Schlangen vor den Ausgabeorten waren unvorstellbar lang." An seinem Zielort in Lwiw (Lemberg) wurden die dringend benötigten Nachtsichtgeräte und Funkgeräte von den Soldaten weiterverladen und direkt nach Kiew gebracht, erzählt er.
Drei ukrainische Frauen sicher in Schweinfurt untergebracht
Doch damit war die Hilfsaktion für die Freunde noch nicht zu Ende. Woywod hatte während seiner Reise einen Anruf eines Schweinfurter Freundes bekommen, ob er drei Frauen mit zurück nach Unterfranken nehmen könne. "Der Vater hat seine drei Töchter dann von Luzk nach Lemberg gefahren, eine von ihnen schwanger", erzählt der Roßriether.
"Man muss sich das einmal vorstellen, dass ein Vater seine drei Töchter in die Obhut von wildfremden Männern gibt." Über die Hilfsbereitschaft sei der Mann sehr dankbar gewesen, erzählt Woywod: "Vor unserer Abreise hat uns der sehr gläubige Vater noch gesegnet und für eine sichere Heimfahrt gebetet."
Wie es den Frauen emotional ging, sei schwer einzuschätzen gewesen: "Die Frauen waren sehr still, sie haben während der Fahrt kaum gesprochen." Bei Verständigungsproblemen konnte Woywods Frau über das Telefon helfen. Die Rückreise verlief ohne Probleme, jedoch mit zahlreichen Kontrollen.
"Auf der Rückfahrt wurden wir ungefähr 15 Mal kontrolliert. Dabei waren wir und die Frauen den Behörden egal. Sie haben gezielt überprüft, ob wir ukrainische Männer verstecken", berichtet Woywod. Seit Verhängung des Kriegsrechts ist Männern im Alter zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise aus der Ukraine nicht mehr gestattet. "Die drei Frauen sind mittlerweile sicher und gut in Schweinfurt untergebracht", so Woywod.
Die nächste Hilfsaktion ist bereits in Planung
Ein Erlebnis während der Reise ist dem 44-Jährigen aus Roßrieth besonders in Erinnerung geblieben: "Als wir in Lemberg waren, ist ein Kampfjet ziemlich tief über uns hinweg geflogen. Allein bei der Lautstärke hatte ich schon ein mulmiges Gefühl. Bis uns dann ein Soldat beruhigt hat, dass das ein ukrainisches Flugzeug war." Dass in dem Land Krieg geführt wird, sei überall deutlich erkennbar. An vielen Ecken befänden sich Straßensperren, die von Panzern und Soldaten gesichert werden.
An der Planung für eine nächste Hilfsaktion sitzt der Landwirt bereits. "Ich bin mir zu 99 Prozent sicher, dass ich noch einmal in die Ukraine fahren werde", sagt er. Er wolle jedoch nur bestimmte Dinge transportieren. "Die Menschen brauchen beispielsweise keine Kleidung mehr. Und für Windeln und Nahrung sorgen andere Hilfsorganisation wie das Rote Kreuz oder der Katastrophenschutz, die das vor allem auch besser als ich können." Woywod wolle die Ukrainerinnen und Ukrainer gerne mit Schutzausrüstung ausstatten, erklärt er: "Damit kann ich ihnen im Moment am meisten helfen."