In Ostheim sind in den vergangenen Tagen die ersten geflüchteten Menschen aus der Ukraine angekommen und an verschiedenen Stellen im ganzen Landkreis werden mittlerweile Hilfsgüter gesammelt. Doch wie stellt sich die Situation an der polnisch-ukrainischen Grenze eigentlich dar?
Der gebürtige Pole Andreas Krefft ist Dekan in Bad Neustadt und lebt seit 30 Jahren in Deutschland. "Ich hatte schon immer guten Kontakt zu den Menschen in der Ukraine, seit der Annexion der Krim 2014 hat sich das sogar verstärkt", erzählt er. Seit damals leben auch immer mehr Ukrainerinnen und Ukrainer in Polen, so Krefft.
Fast bei jeder Gemeinde in Polen werde momentan für die Ukraine gesammelt, erzählt er: "Das ist eine enorme Bewegung, über die ich mich riesig freue." Auch polnische Freunde und Familienangehörige des Neustädter Dekans wollen helfen.
"Sie hatten vier Transporter voll mit Hilfswaren gepackt und sind am Dienstag damit an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren", erzählt Krefft. Einfach sei es momentan jedoch nicht, dort wirklich Hilfe zu leisten. "Sie konnten gar nicht an die Grenze fahren, weil momentan so viele Menschen die Ukraine verlassen", sagt er.
Vor allem bei der A4, die zwischen Lwiw und Krakau verläuft, staute es sich in den vergangenen Tagen. "Menschen mussten dort vier Tage warten", so der Dekan. Aufgrund der langen Staus, verließen die Menschen zu Fuß die Ukraine, nur mit dem Nötigsten dabei. Sein Schwager habe ihm von unvorstellbaren Bildern berichtet. "In der Nacht hat es minus 8 Grad, die Menschen zittern und können vor Erschöpfung nicht einmal mehr weinen." Die Nachrichten, die er täglich bekomme, seien "ergreifend".
"Die Männer müssen in der Ukraine bleiben und verabschieden sich an der Grenze von ihren Frauen und Kindern", so sein Schwager. Diese Eindrücke werde dieser nie mehr vergessen, habe er erzählt. "Man kann noch so stark sein, wie man will, aber alle haben geweint", schildert Krefft – und wird selbst einen Moment lang still.
Der Bad Neustädter Dekan kennt den Erzbischof von Lwiw, Mieczyslaw Mokrzycki, persönlich. Mit ihm sowie dem Chef der dortigen Caritas steht er in engem Austausch. "Der Caritas-Chef von Lwiw hat gesagt, dass größere Transporte momentan als zu gefährlich eingeschätzt werden. Darin können Waffen vermutet werden", so Krefft. "Er hat davor gewarnt, diese klassischen Transporte zu schicken. Das geht dort logistisch gerade einfach nicht."
Hilfsgüter in die Ukraine zu transportieren stelle sich als schwierig heraus. Selbst wenn man mit einem Transporter an die Grenze komme, aus der Menschen strömen, sei der Grenzübergang in die Ukraine geschlossen. Seine Familienangehörigen haben Krefft davon berichtet, wie die Männer, die sich an der Grenze von ihren Familien verabschieden, die Hilfspakete zu Fuß mitnehmen und sie dann im Land verteilen. "Es sind Berge von Hilfsgütern, aber keiner ist in der Lage, diese auf die ukrainische Seite zu bringen."
Doch in all dem Chaos, gebe es auch gute Nachrichten, wie Krefft am Mittwochmittag erfährt. Von seiner Familie hat er die Nachricht bekommen, dass mittlerweile vier Autos voll mit Lebensmitteln über die Grenze fahren konnten. "Die Kleider sind noch in Polen, aber die Lebensmittel waren jetzt erst einmal wichtig", so Krefft.
Auch mit Menschen in Cytomia in der Ukraine hat der Neustädter Dekan Kontakt. Dort kochen Frauen ab 6 Uhr früh Essen für 500 Menschen. "Am meisten haben sie gerade Angst, dass ihnen Lebensmittel fehlen", erzählt er.
Deshalb haben Krefft und seine Freunde mittlerweile sogar Geld auf die Konten von einem ukrainischen Bekannten überwiesen. "Einer hat 200 Euro geschickt, ein anderer 400 Euro", so der Dekan. "Davon kauft er dort nun Lebensmittel für ältere Menschen." Auch von der Kirche wolle man Hilfe organisieren. "Aber erst, wenn wir wissen, dass wir auch in der Lage sind, mit dem Transporter ins Land zu kommen", sagt er.
Dass es vor allem an Lebensmitteln fehlt, bestätigt auch der Chef der Caritas in Lwiw, so Krefft. Es werde immer wärmer, daher sind die Kleider nicht das Problem, zitiert der Bad Neustädter diesen. Der Vertreter der Caritas wünsche sich "nur Lebensmittel" und, gibt Krefft ihn wieder: "Ein bisschen Frieden. Wir können nicht ständig im Bunker sitzen."