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Oberthulba
Über die Wiederentdeckung der Rauhnächte: Eine Zeit, in der "die Schleier zur Anderswelt durchlässig" sind?
Die Rauhnächte erleben ein Comeback. Was steckt hinter dem neuen Interesse an dieser magischen Zeit? Ein Blick auf alte Bräuche und moderne Interpretationen.
Die Rauhnächte gelten seit jeher als magische Zeit. Julia Diez aus Oberthulba lebt die Tage intensiv, unter anderem, indem sie den Brauch des Räucherns praktiziert.
Foto: Renecca Krampert | Die Rauhnächte gelten seit jeher als magische Zeit. Julia Diez aus Oberthulba lebt die Tage intensiv, unter anderem, indem sie den Brauch des Räucherns praktiziert.
Ines Renninger
 |  aktualisiert: 03.01.2025 02:36 Uhr

Die Rauhnächte gelten seit jeher als magische Zeit. In den Rauhnächten sind "die Schleier zur Anderswelt durchlässig", davon ist Julia Diez überzeugt. Die 40-jährige aus Oberthulba bietet mittlerweile im fünften Jahr Online-Seminare zu dem Thema an. An die 50 Teilnehmer begleitet sie jährlich gemeinsam mit ihrer Kollegin Fabiola Landsteiner in der Zeit zwischen Weihnachten und Dreikönig bei deren "innerer Einkehr". 

Frage: Die Rauhnächte erleben aktuell eine Renaissance. Teilen Sie diese Beobachtung?

Julia Diez: Als ich mich vor acht Jahren erstmals intensiver für das Thema interessierte, musste ich bis Stuttgart fahren, um ein Seminar darüber zu finden. In den letzten Jahren ist das Interesse an den Rauhnächten definitiv aufgeflammt. Da muss man nur mal in die Buchhandlungen schauen: Die sind voll von dem Thema.

Woran liegt das?

Diez: Vielen Menschen fehlt der Halt, den sie früher im Glauben oder in den Kirchen gefunden haben. Ich beobachte, dass gerade viel los ist bei den Leuten und viele schwere Themen da sind. Die Menschen sind auf der Suche.

Wie war das bei Ihnen persönlich?

Diez: Für mich waren die Rauhnächte schon Thema, als ich ein kleines Mädchen war: Damals konnte ich die besondere Qualität der Tage aber nur spüren, nicht erklären. Ich hatte das Gefühl, die Tage würden nicht in die reguläre Zeit gehören. 

Inwiefern sind die Rauhnächte aus der Zeit gefallen?

Diez: Als Rauhnächte bezeichnet man die Zeit zwischen den Jahren, also die zwölf Nächte zwischen Weihnachten und Dreikönig. Ihr Ursprung liegt im germanisch-keltischen, erste Aufzeichnungen stammen von 350 nach Christus. Sie stehen in Verbindung mit der Zeitrechnung des Sonnen- und Mondjahres. Das Mondjahr besteht aus 354 Tagen, das Sonnenjahr aus 365 Tagen. Die Differenz von 11 Tagen und 12 Nächten gilt als geschenkte Zeit, eine Schwellenzeit. Es sind Transittage, denen man traditionell besondere Kräfte zuspricht und die seit jeher mit Ritualen wie dem Räuchern verbunden sind. Eine Zeit, in der die Schleier zur Anderswelt sehr durchlässig sind.

Das klingt gespenstisch!

Diez: Als Kind hat mir die Zeit Angst gemacht, weil ich viel gespürt habe. Eigentlich war alles wundervoll – Weihnachten, Geschenke, Silvester, Ferien – so eine tolle Zeit. Trotzdem habe ich mich immer sehr ängstlich gefühlt. Ich hatte oft das Gefühl, als wäre jemand bei mir, den nur ich sehen und spüren konnte. Heute, nachdem ich mich intensiv mit der Thematik beschäftigt und verstanden habe, warum ich diese Dinge spüren darf, und ich die Rauhnächte aktiv lebe, sind sie für mich ein ganz großes Geschenk. Eine helle Zeit.

In den Rauhnächten sind 'die Schleier zur Anderswelt durchlässig', davon ist Julia Diez überzeugt. 
Foto: Renecca Krampert | In den Rauhnächten sind "die Schleier zur Anderswelt durchlässig", davon ist Julia Diez überzeugt. 

Wann beginnen und wann enden die Rauhnächte?

Diez: Da gibt es unterschiedliche Auffassungen. Ein wichtiger Tag ist die Wintersonnwende am 21. Dezember, da kann man wunderbar das 13-Wünsche-Ritual durchführen. Die eigentlichen Rauhnächte starten in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember und enden am 5. Januar.

Bei dem Begriff Rauhnacht denke ich an stürmische Winterwälder. Passt die Assoziation?

Diez: Das wäre rau im Sinne von kalt, schroff. Ich denke bei Rauhnacht eher an Rauchnacht. Der bekannteste Brauch rund um die Rauhnächte ist nämlich das Räuchern. Früher war es das Normalste der Welt, während der Rauhnächte Ställe und Krankenzimmer mit Weihrauch auszuräuchern. Auch heutzutage räuchern viele Menschen, die die Rauhnächte zelebrieren, noch ihre Wohnung aus, um Gutes anzuziehen und Böses zu vertreiben.

Inwiefern haben moderne Interpretationen der Rauhnächte noch Bezug zu den ursprünglichen Traditionen?

Diez: Das Räuchern ist eine Sache, die sich gehalten hat. An vielen Stellen begehen wir die Rauhnächte aber sicher in abgewandelter Version. Früher gab es strenge Regeln. Da wurde beispielsweise während der Rauhnächte keine Wäsche gewaschen, weil man Angst hatte, die bösen Geister würden sich in den aufgehängten Bettlaken verfangen.

Für heutige Familien eher keine Option! Auch Fingernägel und Haare durften früher nicht geschnitten, Brot nicht gebacken werden. 

Diez: Und die Spinnräder mussten still stehen. All die Regeln zielten darauf ab, Rückzug und Innenschau zu ermöglichen. Wer nur im Außen unterwegs ist, spürt sich nicht und hört seine innere Stimme nicht. Die Rauhnächte sind die Chance einer staden Zeit.

Um was geht es für Sie persönlich in den Rauhnächten?

Diez: In den Rauhnächten geht es um zwei Dinge: Das alte Jahr verabschieden und eine klare Vision zu entwickeln, wie ich ins neue Jahr starten möchte. Für mich fließt dabei viel Wissen aus der Astrologie mit ein, aber auch die Meditation, Gebete für die Familie und die Verstorbenen und natürlich Kundalini Yoga. Die Yogapraxis hilft, um sich mit seinem Herzen und dem Hier und Jetzt zu verbinden. Eine Sache, die niemals fehlen darf, ist die Gestaltung eines "Visionboards". Auf einem Visionboard werden Wünsche und Visionen sichtbar gemacht. Geklebt oder gezeichnet. 

Sie hatten von dem 13-Wünsche-Ritual gesprochen. Was ist das? 

Diez: Man schreibt 13 Wünsche auf 13 Zettel. Die werden zusammengefaltet und in jeder Rauhnacht wird einer verbrannt. Ich sammle die Asche der Zettel und pflanze später darauf eine Blume. In der letzten Rauhnacht bleibt ein Zettel übrig. Um diesen 13. Wunsch muss man sich selbst aktiv kümmern. Die restlichen zwölf werden im besten Fall vom Universum erfüllt. Dieses Ritual hilft haltlosen Menschen wieder in Verbindung zu gehen und Vertrauen ins Leben aufzubauen.

Kritiker sehen in den Rauhnächten inzwischen eine kommerzialisierte Gelegenheit. Auch ihr Kurs kostet Geld. Darf man mit Spiritualität Geld verdienen?

Diez: Finde ich absolut. Besonders, wenn ich sehe, was ich selbst für Geld in meine Ausbildungen und persönliche Weiterentwicklung investiert habe. All das Wissen fließt in den Kurs. Ich finde es schade, dass dies oft infrage gestellt wird. Viele Menschen geben für so viele Dinge Geld aus. Bei der persönlichen Weiterentwicklung und spirituellen Dingen sind viele oft ziemlich knausrig.

Was haben Sie in den Rauhnächten persönlich erlebt?

Diez: Beim Meditieren habe ich einmal meine bereits gestorbene Oma, die ich nie kennenlernen durfte, gespürt. Mein damals fünfjähriger Sohn ist zwei Stockwerke über mir zeitgleich erwacht und hat mir später von einer Frau erzählt, die in seinem Zimmer gewesen sei. Er hat gesehen, was ich gespürt habe. Das war eines der für mich beeindruckendsten Dinge. 

Was macht Sie sicher, dass das kein Aberglauben oder Humbug ist?

Diez: Für mich ist total klar, dass da was ist. Ich bin überzeugt, dass in dieser Zeit die Schleier zur Anderswelt sehr dünn sind, dass die Verstorbenen und Ahnen da sind. Ich habe mir aber schon lange abgewöhnt, andere bekehren zu wollen. Es gibt Menschen, die sind offen dafür und es gibt Menschen, für die ist das in diesem Leben nicht dran. Wenn das jemand nicht so wahrnimmt, ist das für mich voll in Ordnung. 

Julia Diez

Die 40-Jährige stammt gebürtig aus Sulzthal und hat zwei Kinder. Im Jahr 2022 hat Diez ihre Arbeit als Logopädin aufgegeben und sich selbstständig gemacht: Unter dem Namen "Pratyahara" gibt sie unter anderem Kurse im Kundalini Yoga, Ayurveda-Coachings und begleitet Ayurveda-Reisen nach Indien. Als Wildkräuter- und Heilpflanzenpädagogin ist sie außerdem in der Naturschule ihres Vaters Otmar Diez aus Sulzthal tätig.
Quelle: ir
 
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  • Zu jeder Zeit hat sich die Menscheit nach Mythen, Ritualen und Legenden gesehnt um das zu erklären was sie in der aktuellen Welt nicht mehr verstehen.
    Und in Zeiten einer zu Recht gescheiterten Ampelregierung, Kriege, Amok wird die Sehnsucht nach mystischen Ritualen und Träumen immer größer.
    Also ihr Realos - laßt der Menschheit ihre Träume - cha­cun à son goût!
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  • Manfred Markert
    Kleine Anmerkung:
    Die Rauhnächte sind eine alte Tradition, die auf keltische, germanische und christliche Bräuche zurückgeht. Diese zwölf Nächte zwischen Weihnachten (25. Dezember) und Dreikönigstag (6. Januar) gelten als magische Zeit, in der die Grenzen zwischen der sichtbaren und unsichtbaren Welt verschwimmen. Parallelen zwischen keltisch-germanischen Jahresfesten und christlichen Feiern beruhen auf der Verbindung zur Natur und ihren Zyklen. Vorchristliche Feste betonten Rhythmen der Natur und Gemeinschaft, christliche gaben diesen Zeiten eine theologische Bedeutung. Das Grundmotiv bleibt: der Kreislauf von Leben, Tod, Erneuerung, Licht und Dunkelheit. Die Rauhnächte spiegeln diesen Kreislauf wider. Ursprünglich eine Übergangszeit zwischen Altem und Neuem, wurden sie christlich geprägt durch Rituale wie Weihrauchsegen und die Geburt Christi. Sie symbolisieren Reinigung, Erneuerung, Licht und die spirituelle Verbindung zu höheren Mächten.
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  • Dominik Marx
    Frage an die Mainpost-Redaktion bzw. die Autorin: Warum wird bei diesem Artikel „Jesus Christus“ als Keyword / Themenbegriff / Überbegriff verwendet?
    Ich finde das sehr sehr unpassend, denn nichts könnte weiter vom christlichen Glauben entfernt sein als solche Rituale.
    Wenn man schon solche Themen bringt, wärs gut den Namen Jesus nicht auch noch bewusst damit zu verknüpfen. Liebe Grüße
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  • Ines Renninger
    Sehr geehrter Herr Marx, die Keywords werden automatisch generiert, Jesus Christus macht im Zusammenhang mit diesem Text natürlich gar keinen Sinn, wir haben das Schlagwort deshalb nun händisch herausgenommen. Danke für den Hinweis. Beste Grüße, Ines Renninger (Redaktion Bad Neustadt)
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  • Stefan Flessa
    Logisch , wo Kirche nicht mehr klar den auferstandenen Herrn bekennt und predigt und immer mehr Vakuum entsteht, da wird dieses Vakuum von anderen Dingen und Mächten gefüllt.

    Bevor der Glaube zu den heidnischen Germanen kam, da wurden genau diese Dinge beachtet und man tat es aus Angst. Angst vor den bösen Geistern . Angst brauche ich als Christ keine zu haben, denn - und das hat ein Bonifatius sehr schön gezeigt , indem er die Donareiche fällte, aber kein Blitz vom Himmel kam und ihn tötete - Donar gibt es nicht. Gott sehr wohl. Das konnten vor etwa 2000 Jahren etliche Menschen bezeugen , dass sie den auferstandenen Jesus gesehen haben.

    Insofern: seid nicht dumm und folgt selbsternannten Göttern und Propheten, sondern hört auf den, der selbst das Leben ist und der allein den Weg zum Leben frei gemacht hat: Jesus. Und insofern: frohe Weihnachten!
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  • J. F.
    Vorab: Ich möchte nicht Ihren Glauben anzweifeln. Aber Donar war für diese Menschen zu dieser Zeit auch ein Gott und man glaubte, daß dieser die Blitze senden kann. Auch das was Sie in Ihrem Glauben Gott nennen, kann und wird keine Blitze senden, zumindest wie ich es glaube.
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  • Roland Albert
    Jeder kann glauben was er will. Ob bei Jesus und seinen Varianten, in allen anderen Religionen ebenso geht es um das zu bezahlende Seelenheil, das den einen Armut (auch geistige) und den anderen unermesslichen Reichtum beschert hat.
    Einen belastbaren BEWEIS sind bisher alle schuldig geblieben. Das wird auch weiterhin so bleiben, denn nur so lassen sich die Menschen nach Gusto beeinflussen.
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  • Stefan Flessa
    Den Beweis bekommen Sie von mir, wenn wir uns gemeinsam auf eine Hopfenkaltschale nach dem Tod treffen… ;-)

    Dann ist klar, wer Recht hat.
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  • Dorothea Birkner
    Spontan würde ich es ein Humbug nennen. Aber vielleicht hat das für die betreffenden Personenen einen tieferen Sinn
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  • Peter Koch
    Für Leute die mit diesem Humbug Geld verdienen hat der Unsinn sicher einen Sinn.
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  • Roland Albert
    Jeder kann eine Meinung haben, die die MP dann in die Welt trägt. Oder auch nicht….
    Zuviel Zeit ist zuweilen auch schädlich.
    Man könnte auf zu seltsame Dinge kommen.
    Jedem das Seine. Jeder kann sein Geld ausgeben wie er/sie/es möchte.
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  • Peter Koch
    "die Schleier zur Anderswelt durchlässig"
    Wenn das in den Rauhnächten passiert liegt das wahrscheinlich an den typischen Silvesterdrogen. Falls es auch ohne diese geschehen sollte wird es sehr bedenklich.
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  • Peter Koch
    Interviews mit ExpertInnen aus der Region zu bestimmten Themen sind gängige Praxis. Werbliche Inhalte werden dabei streng getrennt.
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