Die zwölf Rau- oder Heiligennächte sind in Rhön und Grabfeld Volksmund auch heute noch ein Begriff. Natürlich werden sie längst nicht mehr so begangen wie einst. Sie beginnen am Abend des 25. Dezember und dauern bis 6. Januar.
Vorchristlicher Aberglauben und uraltes Brauchtum ranken sich um diese zwölf Nächte, in denen nach germanischem Aberglauben das wilde Heer Odins durch die Luft fährt und jeden mitreißt, der ihm begegnet.
Odins Heer hat die Hände im Spiel
Der Name Rau- oder Rauchnacht leitet sich von dem Brauch ab, Haus und Hof mit Weihrauch (Rauchwerk) auszuräuchern, um sie zu reinigen und Krankheiten abzuhalten. Das wurde noch bis in die 1960er Jahre in vielen Bauernhöfen gemacht.
Der Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert aus Sternberg weiß, dass sich um diese Rauhnächte viele Geschichten ranken. So sollte man keine Türen zuschlagen, sonst muss man im kommenden Jahr mit Blitz und Donner rechnen.
Wer sich in dieser Zeit Fingernägel oder Haare schnitt, musste mit Fingerkrankheiten oder Kopfschmerzen rechnen. Es wurde kein Brot gebacken und keinesfalls gewaschen, auch das Stopfen von Strümpfen war verpönt, ebenso das Kartenspiel in den Wirtshäusern. Mit dem Läuten der Kirchenglocken am Abend ruhte fast jede Tätigkeit im Haus.
Lebkuchen gegen Sodbrennen
Am Silvesterabend konnte man am Zaun des Nachbarn rütteln, damit im neuen Jahr dessen Hühner zum Eierlegen auf das eigene Grundstück kommen. Am Neujahrsmorgen sollte man Lebkuchen in Schnaps legen, anzünden und dann essen, um vor Sodbrennen geschützt zu sein.
Den Silvesterabend nannte man in Langenleiten nur die "alte Nacht". Nach dem Kirchgang wurde das Abendessen aufgetischt, das besonders gut und reichhaltig war. Raketen und sonstige Feuerwerkskörper gab es früher noch nicht. Dafür hatte man besondere Pistolen, die am Silvesterabend und bei anderen Festtagen hervorgeholt und zum "Böllerschießen" benutzt wurden.
In der Rhön gabs Neujahrsküchle mit Huitzeln
Am Neujahrstag morgens machte der Gemeindehirt mit dem Sack die Runde und bekam sein "Neujahr", bestehend aus Erbsen, Fleisch und Würsten. Oftmals ist es in Franken heute noch Sitte, am Neujahrstag Kraut und Erbsen auf den Tisch zu bringen, "damit das Jahr über das Geld nicht ausgeht".
In der Rhön gab's Neujahrsküchle mit Huitzeln." Den Neujahrsabend verbrachte der echte Neustädter nicht in der Familie, sondern in einem der 35 Wirtshäuser der Stadt. Die Mitternacht verbrachte man dann auf den Straßen und Plätzen der Stadt mit dem gegenseitigen Neujahrswünschen. Dann gab es sogar unter Vorantritt der Stadtkapelle einen Fackel-Umzug durch die Straßen der Altstadt.
In Hendungen spielten die Musikanten
In Hendungen war es bis 1907 Sitte, dass die Musikanten beim 12-Uhr-Schlagen nachts vor dem Pfarrhaus ein Lied und zwei Tänze spielten, abends wiederholte sich das vor den Lehrerwohnungen. Dann ging es vor die Häuser der Verwaltungsmitglieder und der reichen Bauern; überall spielten sie drei Tänze. Das dauerte bis morgens 6 oder 7 Uhr.
Neujahr ist in Hendungen auch ein so genanner Dödlestage (Patentag), ebenso wie Ostern, Pfingsten und Kirchweih. Da gehen die Dödli bis zum siebten Lebensjahr zu ihren Paten und werden dort bewirtet.
In Irmelshausen gibt es heute noch das Glücksbrot. Vorgeschrieben sind hierfür 55 Pfund Weizen- und 55 Pfund Roggenmehl. Dieses Glücksbrot erhalten die Kinder am Neujahrstag, wenn sie dem Gutspächter des Schlosses Irmelshausen ihr Neujägerständchen gesungen hatten.
In Haselbach werden an Silvester Zwiggla gebacken
In Haselbach in der Rhön werden Zwiggla an Silvester gebacken. Dort wird in einigen Familien dieser Brauch noch gepflegt, so wie es um 1900 in jedem Haushalt war. Das Haselbacher Zwiggla ist ein Hefegebäck mit Anisgeschmack. Aus drei Kilogramm Mehl werden kleine Brote geformt, die am Neujahrstag dann an die Verwandtschaft verteilt werden.
Noch um die 1900 war es in Haselbach Brauch, dass Geishirt, Schäfer, Totengräber, Schlotfeger, Mesner und der Gänshirte von Haus zu Haus gingen und Zwiggla als Entlohnung für ihre Dienste erhielten. Allerdings erst nach dem Spruch: "Prost Neujohr, läß mer a Zwiggla nei mei Tösche foahr."
In Frickenhausen sind die Burschen unterwegs
Traditionell singen im Mellrichstädter Stadtteil Frickenhausen die Burschen des Dorfes am Neujahrstag das neue Jahr an. Der mehr als 400 Einwohner zählende Ort im Landkreis Rhön-Grabfeld hält damit seit Generationen eine Tradition wach, die es ansonsten nicht mehr gibt.
An Silvester und am Neujahrstag sind die Burschen des Dorfes unterwegs. In den Genuss der Lieder kommen zunächst Pfarrer, Bürgermeister und Lehrer, später die gesamte Dorfbevölkerung. Beim so genannten Ansingen wird der jeweils Angesprochene mit Namen angesungen. Im Lied verabschiedet man das alte und begrüßt das neue Jahr mit einem kräftigen "Prosit Neujahr". Woher der Brauch des Ansingens kommt, ist nicht bekannt.