Am 15. November meldete das Landesamt für Umwelt erneut zwei verletzte und ein totes Schaf sowie eine tote Ziege im Landkreis Rhön-Grabfeld. Verantwortlich für den Vorfall, der sich offenbar in einer Herde bei Simonshof ereignete, scheint wieder ein Wolf zu sein. Die Ergebnisse der DNA-Analyse liegen noch nicht vor.
Nach dem ersten Wolfsnachweis vor vier Jahren ist eines klar: Der Wolf wird in der Rhön nicht mehr verschwinden. Herdenhalter rüsten sich. Was das richtige "Rezept" für den Schutz der Tiere ist – darüber scheiden sich die Geister bei den Schaf- und Ziegenbesitzern.
Hunde bedeuten Mehrarbeit
Rhönschäfer Josef Kolb aus Ginolfs ist eine Art Pionier in Sachen Wolfsschutz. Im Laufe der vergangenen vier Jahre schaffte sich der Schäfer insgesamt sechs Kaukasische Schäferhunde an. Mindestens drei von ihnen sind ständig bei den Schafen und Ziegen auf der Weide. Taucht ein Wolf auf, würden die Herdenschutzhunde ihn "ansprechen". Nach Kolbs Worten geben die Herdenschutzhunde mit ihrem Bellen dem Wolf zu verstehen: "Das ist mein Zuhause. Lass es sein. Geh hier nicht rein. Wir sind hier ein starkes Team."
Drei Jahre, berichtet Kolb, habe er gebraucht, um die Hunde an die Herde zu gewöhnen. Viel Zeit musste er investieren. Und auch heute bedeuten die Hunde für ihn täglich eine bis eineinhalb Stunden Mehrarbeit. Zusätzlich hat der Rhönschäfer vor kurzer Zeit einen Halterschein für die Hunde gemacht. Drei Hunde eines Geschlechts sind immer bei den Tieren – auch im Stall. Sie wechseln sich mit drei Herdenschutzhunden des anderen Geschlechts zur Bewachung der Herde ab.
Josef Kolb investiert viel Geld in den Schutz seiner Tiere
Erhebliche Kosten sind Josef Kolb für diese Form von Herdenschutz entstanden. Für seine insgesamt sechs Hunde, Ausrüstung wie einen Zwinger und einen Hänger investierte er circa 10.000 Euro. Hinzu kommen die jährlichen Kosten, zum Beispiel für Impfungen und Futter. Pro Hund liegen diese bei rund 800 Euro.
Und trotzdem lohne sich der Aufwand für Kolb: "Die Herdenschutzhunde geben mir eine gewisse Sicherheit", so der Rhönschäfer. "Wir sind sehr positiv gestimmt", erklärt Kolb. In diesem Jahr habe es überhaupt keine Probleme gegeben. Stolz ist er darauf, den Weg gegangen zu sein und den Schutz seiner Herde aufgebaut zu haben.
Die Hunde sind mittlerweile sozialisiert und haben insbesondere gelernt, dass der Mensch keine Gefahr darstellt. Hierzu brauche es "Fingerspitzengefühl", wie es Josef Kolb nennt. Auch im Umgang mit Wanderern und Radfahrern. An Tagen wie dem 1. Mai mit schönem Wetter sei es besser, die Hunde aus der Herde zu nehmen.
Julian Schulz hat eine Kamera installiert
Ein Aufwand, der für den Schäfer der Weidegemeinschaft "Rhönschaf" GbR Julian Schulz, ebenfalls aus Ginolfs, "kaum stemmbar" ist. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis sei für seine 1.000 Mutterschafe starke Herde bei der Haltung von Herdeschutzhunden nicht gegeben. Anders als Kolb könnte er im Hinblick auf Touristen, die sich versehentlich der Herde nähern, dann "nicht ruhig schlafen".
Julian Schulz setzt auf ein stärkeres Stromgerät, das er an den mobilen, 90 Zentimeter hohen Elektrozaun anschließt. Da er nachts nicht bei seiner Herde ist, zäunt er sie immer auf der Weide ein. Zusätzlich hat er zwei Kameras installiert, die den Nachtpferch überwachen. Würde ein Wolf um den Elektrozaun laufen, so würden sich die Schafe und Ziegen aufgeregt in dem Pferch bewegen.
Diese Bewegung registriert die Kamera und löst einen Alarm aus, den sie dem Rhönschäfer auf sein Handy sendet. Schulz betrachtet das Livebild der Kamera über sein Smartphone. Wenn die Herde sehr unruhig ist, fährt er sofort hin. Schulz hat es bereits erlebt. Im vergangenen Jahr riss ein Wolf drei seiner Tiere – ein Lamm und zwei Ziegen.
Herdenschutz in der Rhön als Gemeinschaftsaufgabe
Beide Schäfer sehen in dem Herdenschutz eine Gemeinschaftsaufgabe, die jeden angeht. Die Schäfer haben eine sehr enge Bindung zu ihren Tieren. Nichts ist schlimmer für einen Tierhalter, als wenn eines seiner Tiere getötet wird. Und dass der Wolf in der Rhön nun wieder heimisch geworden ist, damit müsse man sich arrangieren und dagegen etwas übernehmen.
Der Freistaat Bayern fördert Nutztierhalter in Wolfsgebieten und deren Umgebung. Wolfsabweisende Herdenschutzzäune werden großzügig gefördert. Seit letztem Jahr wird auch die Anschaffung von Herdenschutzhunden mit bis zu 3.000 Euro pro Hund gefördert.