Hunderte Zuschauerinnen und Zuschauer, ein blauer Sommerhimmel über Ostheim, viel gute Laune für den Bieranstich mit Bürgermeister Steffen Malzer zu Beginn des Stadtfestes am Freitagabend. So soll es sein. Auch Axel Kochinki, Chef der Brauerei Streck, spricht mit starker Stimme ins Mikrofon. Doch was er sagt, ist ein Paukenschlag: Er verkündet das Ende von über 300 Jahren Brautradition in Ostheim. Zum 30. September schließt die Brauerei Streck ihre Tore.
Vor der Bühne mit dem ersten Bierfass für das beliebte Ostheimer Stadtfest stehen die Mutter von Axel Kochinki, Kinder und weitere Angehörige. "Liebe Gäste, (...) meine Freunde, (...) meine liebe Mutter. Wir werden in wenigen Minuten das 35. Stadtfest eröffnen. (...) Für uns von der Brauerei Streck ist das 35. Stadtfest ein besonderer Höhepunkt. Und zwar in der Form, dass es unser letztes Stadtfest sein wird. Wir werden unsere Brauerei am 30. September in diesem Jahr schließen."
Die Brauereibranche hat es seit Jahren nicht leicht
Die Nachricht platzt wie eine Bombe in Ostheim. Auch die Brauerei trägt seit Jahrhunderten ihren Teil dazu bei, dass der Name des Rhönstädtchens weithin einen guten Ruf genießt. 1718 wurde das Brauhaus gegründet. 2018 wurde dieses Jubiläum groß gefeiert, eine eigene Bierkreation zum Jubiläum trägt seither den Namen "1718".
Mit einher ging ein Relaunch des Auftrittes: Eine neue Internetseite, neue Bier- und Getränkeetiketten und weitere Biersorten verbreiteten durchaus Aufbruchstimmung in einer Branche, die seit Jahren zu kämpfen hat. Die Deutschen trinken immer weniger Bier, dazu kommt die Energiekrise, die den Brauereien arg zusetzt.
Vor allem aber haben die Corona-Jahre mit geschlossenen Gaststätten und ausgefallenen Festen insbesondere die kleinen Brauereien massiv unter Druck gesetzt.
Streck-Bräu aus Ostheim ist Deutschlands Brauerei des Jahres 2022
Im vergangenen Jahr 2022 folgte ein i-Tüpfelchen auf der Erfolgsgeschichte der Ostheimer Brauerei: Aus einer dreistelligen Zahl vom Mitbewerbern wurde die Streck-Bräu 2022 zu "Deutschlands bester Brauerei" gewählt. Die Freude im Unternehmen war entsprechend groß, voller Stolz holte man den Preis persönlich in Berlin ab.
Streck-Bräu: Getränkevertrieb und Gaststättenverpachtung
Zur Brauerei gehören nicht nur die Biersorten, sondern auch Erfrischungsgetränke und ein Getränkevertrieb. Viele Streckbier-Hektoliter gehen in den Gaststätten der Region über den Tresen, die an die Streck-Bräu gebunden sind. Oftmals ist das Ostheimer Haus auch Verpächter der Immobilien. Wie es hier weitergeht, wird jetzt wohl ausgehandelt werden in den nächsten Wochen und Monaten.
Bleiben die Abschiedsworte von Axel Kochinki beim Bieranstich vom Freitag: "Ich möchte Danke sagen, meinen ganzen Mitarbeitern. (...) Ich möchte aber auch der Stadt Ostheim Danke sagen. Das ging nicht nur über 35 Jahre, sondern über 300 Jahre. (...) Wir haben viele Kämpfe geführt, vieles ins Gute bewegt. (...) Es hat, egal was jetzt kommt, immer Spaß gemacht und es ist was Gutes geworden." "Die, die unser Bier getrunken und genossen haben, denen möchte ich ein Danke zurufen. (...). Danke für die guten Worte, die ich in den letzten Tagen gehört habe."
Gegenüber dieser Redaktion spricht Brauereichef Axel Kochinki von einem "Mosaik aus vielen Hundert Steinchen", die zu seiner Entscheidung geführt hätten, die Brauerei aufzugeben. "Es war ein ganz klarer Entschluss: Eine Brauerei in unserer Größe wird nicht in der Lage sein, auf Dauer zu bestehen", so Kochinki weiter.
Er betont, dass keine Insolvenz gedroht habe und dass es sogar ein Wachstum von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr gegeben habe. Corona, die Energiepreisentwicklung oder die Lage auf dem Arbeitsmarkt seien aber auch Teile des Mosaiks gewesen.
"Es gibt keinen Schuldigen an der Schließung. Ich habe die Entscheidung im Frieden geschlossen, ohne irgendwelchen Groll gegen irgendjemanden", so der Brauereichef weiter. Die Verpachtung von Gaststätten soll zudem weiter laufen, so Kochinki. Gerührt sei er von dutzenden Nachrichten und dankenden Worten, die ihn in den letzten Tagen erreicht hätten.
Bürgermeister Steffen Malzer: "Eine schlimme Nachricht für Ostheim."
Bürgermeister Steffen Malzer hatte der Brauereichef vor dem Stadtfest bereits persönlich über die Betriebsschließung informiert. Die schlimme Nachricht für die Stadt hatte Malzer aber nach eigenen Worten bis zum Bieranstich am Freitag noch nicht verdaut: "Für Ostheim und die Region ist das schlichtweg eine Katastrophe!"
Nach der Privatbrauerei Peter, später Ostheimer Bürgerbräu, ist die Streck-Bräu das zweite Traditionsunternehmen, das in Ostheim die Betriebstore schließt. 305 Jahre braute Streck im Streustädtchen. Was soll nun werden, wenn Ende September die Kessel leer bleiben? "Die Frage ist ganz konkret, wie wir künftig noch Feste veranstalten können", sorgt sich der Stadtchef.
Feste ohne die Streck-Bräu: "Wie soll das gehen?", fragt sich der Bürgermeister
Bislang arbeiteten die Stadt sowie Vereine in der ganzen Region bei Veranstaltungen mit der Brauerei Streck Hand in Hand. Das Unternehmen stellt Bierbänke bereit, die mit einem Lastwagen geliefert werden. Kühlwagen und Ausschankwagen, bestückt mit alkoholischen und nicht alkoholischen Getränken, werden ebenfalls zur Verfügung gestellt.
"Der Service ist top, Bestellungen und Lieferungen klappen hervorragend", so Malzer. Kein städtisches Fest wurde in den letzten Jahren ohne die Streck-Bräu gefeiert. "Wie soll das nun weitergehen? Ich kann mir das gar nicht vorstellen."
Nachdem Axel Kochinki die Betriebsschließung am Freitag auf der Festbühne verkündet hatte, waren viele Gäste betroffen von der Schocknachricht. Auch der Stadtchef wurde immer wieder darauf angesprochen. Er bedauert die Entwicklung, dass die kleinen Brauereien heute mit den Angeboten der großen Konzerne nicht mehr mithalten können.
Steffen Malzer sorgt sich zudem, dass in Ostheim jetzt einige Arbeitsplätze wegfallen könnten. Der Streck-Chef versucht, seinen Beitrag zur Abfederung zu leisten. "Ich bemühe mich für jeden einzelnen Mitarbeiter um einen Anschluss-Job", versichert Axel Kochinki.
Ich kann mir nicht vorstellen dass es einem leicht fällt 10 Generationen Familienbetrieb zu schließen. Keiner von uns kennt die genauen Hintergründe aber dass die Brauereien seit Jahren sehr schwer zu kämpfen haben, sollte jedem klar sein! Preissteigerungen ohne Ende, kann man alles nachlesen...
Kommt u.a. auch davon wenn man sich lieber für 8€ nen Kasten Bitburger/Hasseröder usw. kauft anstatt die regionalen Brauereien zu unterstützen...
Ich find´s sehr schade, dass Bier war sehr gut und ich hoffe es finden sich vor allem für die Mitarbeiter schnell Lösungen!
Grundsätzlich ist die Schließung ein schmerzhafter Vorgang, auch für unseren Landkreis.
Es ist auch wieder ein Verlust unserer kulturellen Identität. Das möge auch jeder bedenken der im Getränkemarkt zum billigeren Industriebier zb. Marke Kulmbacher greift.
So kennt man Herrn Kochinki. "Erstmal Ich!" Ein gesundes Unternehmen einfach mal so in die Tonne treten. Und die Mitarbeiter? "ich bemühe mich ..um Anschlußjobs", Phrasen eines Herrn der es einfach nicht nötig hat. Hoffentlich müssen wir nicht noch sammeln gehen.