Es ist ein besonders anstrengendes Jahr für Axel Kochinki und sein Team. Aber es ist auch ein besonders erfüllendes Jahr. Seit 300 Jahren gibt es die Ostheimer Streckbräu, seit zehn Generationen ist sie in Familienbesitz.
Das wird groß gefeiert im September. Die Gelegenheit wird aber auch genutzt, um in die Geschichte des traditionsreichen Hauses einzutauchen. Und das nicht als Nebenbei-Arbeit, sondern mit professionellem Anspruch.
Kenner der Materie forschten
Der Historiker Dr. Kai Lehmann, unter anderem Museumsdirektor des Schlosses Wilhelmsburg in Schmalkalden und weiterer Einrichtungen im Landkreis Schmalkalden-Meiningen, hat mit seinem Kollegen Georg Seiler intensiv in den Archiven geforscht. Gut 150 Seiten Ergebnisse sind nach fast einjähriger Arbeit herausgekommen über die Brauerei Streck.
„Datensammlungen nur über die Brauerei wären womöglich etwas fachspezifisch. Darum haben wir den Weg eingeschlagen, die Brauereigeschichte mit der Kulturgeschichte Ostheims zu verweben“, erklärt Lehmann. Und die hört sich wirklich spannend an.
Der Schmalkaldische Bierstreit
Er und sein Kollege Georg Seiler stellten viele interessante Fakten zur Brauereigeschichte in Ostheim zusammen. Immerhin ist Bierbrauen seit 1654 in der Stadt nachgewiesen. Die Archive in Schmalkalden berichten von einem Bierstreit. Das Schmalkaldische Bier hatte wohl keinen besonders guten Ruf. Darum setzten die Bürger durch, dass sie sich Bier aus Einbeck, Braunschweig oder eben Ostheim liefern lassen durften.
Die Forscher gehen in ihrer Arbeit dem Weg des Gründers Peter Streck von Gersfeld nach Ostheim nach bis zu seiner Hochzeit. „Wir wissen, wie viele Gäste auf der Hochzeit waren, dass sein Nachfolger Johann Martin Streck drei Traubenpaare sein eigen nannte“, listete Lehmann auf.
Anfangs braute Streck, der gelernte Metzger, nur für den eigenen Ausschank. Erst die fünfte Generation unter Georg Christoph Streck errichtete ein Brauhaus in der Marktstraße 1.
Die Reichsgründung und ihre Folgen
Jede zehnte Ostheimer Familie stellte im 19. Jahrhundert eigenen Branntwein her, ein sicherlich beachtlicher Schnitt. Interessant auch die Bemühungen, ein städtisches, also kommunales Brauhaus in Ostheim zu etablieren, was aber am Widerstand der Bevölkerung scheiterte.
„Auch die Reichsgründung 1871 hatte in Ostheim ihre ganz speziellen Auswirkungen“, ergänzt Forscher Lehmann seine Ausführungen. Denn plötzlich musste in und um Ostheim das metrische Maß angewendet werden. Es gab nur noch einen Liter und nicht mehr das Ostheimer Fass oder den Mellrichstädter Krug, denn vor der Reichsgründung hatte fast jeder Ort sein eigenes Maß.
Während Lehmann die Zeit vor 1850 in den Fokus nahm, kümmerte sich Seiler um die jüngere Geschichte. Er dokumentierte die Lebenserwartung der Ostheimer dieser Zeit und verglich Lohnlisten von früher mit der Kaufkraft von heute: „Auch früher war in Ostheim das Leben für einen einfachen Brauereimitarbeiter teuer“, erklärt Seiler.
Ein Waggon Bier für die Wehrmacht
Viel Wissenswertes wurde über Anna Streck zusammen getragen, die 1936 den Umzug der Brauerei von der Marktstraße an den Lindenkeller vollzog. Ihre Tochter Else wiederum, später eine verheiratete Kochinki, musste nach dem Zweiten Weltkrieg den Verlust von 80 Prozent der Absatzfläche verkraften, weil die Gebiete in Thüringen plötzlich unerreichbar waren.
„Aus den schlimmen Kriegsjahren haben wir noch einen interessanten Fund. Die Brauereien Streck, Peter und die Brauerei in Kaltennordheim mussten pro Woche einen Waggon Bier für die Wehrmacht abgeben“, erzählt Brauereichef Axel Kochinki. „Eine solche Menge würde heute eine kleine Brauerei nahe an die Grenze bringen“, so Kochinki.
Eine rührende Episode gibt es noch aus den Kriegsjahren. Bei der Ostheimer Streck-Bräu war ein belgischer Kriegsgefangener untergebracht. „Der Mann wohnte im Hause Streck. Es wurde moniert, dass der Kriegsgefangene in einem Zimmer ohne vergitterte Fenster untergebracht war“, gibt Seiler wieder. Dabei fuhr der Kriegsgefangene mit dem Laster Bier aus und war allseits beliebt. „Zum Abschied gab es sogar Tränen, und mein Vater hielt noch bis in die Sechzigerjahre Kontakt zu der belgischen Familie“, weiß Axel Kochinki.
Zum großen Fest in Buchform
Viele Fakten wurden von den Fachleuten zusammengetragen, die rechtzeitig zum großen Brauereifest am 15. und 16. September in Buchform erscheinen sollen. Zum Fest wird es aber rund ein Dutzend sogenannter Roll-ups geben. Die Info-Tafeln sind allen zehn Generationen sowie allen drei Jahrhunderten der Firmengeschichte gewidmet. Was nicht in Fotografien dargestellt werden konnte, hat Seniorchefin Christine Kochinki, eine leidenschaftliche Künstlerin, bebildert.
„Die Zusammenarbeit mit dem toll geführten Stadtarchiv und den Mitarbeitern der Stadtverwaltung lief super“, lobt Historiker Lehmann, der ebenfalls der Buchveröffentlichung entgegenfiebert. Dem kann Brauereichef Axel Kochinki nur zustimmen, der Lehmann über sein Rotary-Engagement kennengelernt hatte. Über diesen Baustein zu einem ganz besonderen Betriebsjubiläum freut er sich jedenfalls besonders.
Jubiläumsheft
Dazu gehört übrigens auch eine Jubiläumszeitung, die die Geschichte und Angebote der Streck-Bräu reich bebildert darstellt. Axel Kochinki hat es in Zusammenarbeit mit der „Main-Post Corporate Publishing“ zusammengestellt. Federführend war Stefan Dietzer an dem Projekt beteiligt. Mit dem gebürtigen Ostheimer hatte Kochinki fast auf den Tag genau vor 30 Jahren seinen Realschulabschluss gemacht. Die Ostheimer Brauereigeschichte ist immer für eine Überraschung gut.
300 Jahre Streck-Bräu
Schon zehn Generationen lang befindet sich die Ostheimer Streck-Bräu in Familienbesitz. Aktueller Chef ist Axel Kochinki. Zum Jubiläumsjahr hat er sich mit seinem Team um Braumeister Benjamin Betz Einiges einfallen lassen. So wurde das süffige Jubiläumsbier „1718“ aufgelegt, ein Vollbier nach altem Rezept, das auch dem modernen Craftbeer-Trend entspricht und ein Renner im Sortiment ist. Im Jubiläumsjahr wurde auch eine Sammelaktion ins Leben gerufen. Für eine gewisse Menge an gesammelten Kronkorken oder Drehverschlüssen mit dem Jubiläumsaufdruck gibt es Gewinne vom Blechschild bis hin zum E-Bike. Ebenso wurde der Internetauftritt der Streck-Bräu modernisiert. Höhepunkt wird das große Brauereifest am 15. und 16. September in Ostheim sein. Von Fredi Breunig über Spilk und Klingend Blech bis zu den Zillertaler Schürzenjägern als Höhepunkt am Samstagabend.
Infos über das Jubiläumsjahr gibt es unter: