Seit drei Wochen ist Markus Söder bayerischer Ministerpräsident. Die Landtagswahlen im Herbst sind die große Bewährungsprobe für den 51-jährigen Nürnberger. Bis dahin will er viel unterwegs sein im Freistaat. Am Sonntag war Söder in Unterfranken, in Bad Königshofen (Lkr. Rhön-Grabfeld) und in Königsberg (Lkr. Haßberge).
Zum Interview haben wir ihn bei Kaffee und Kuchen im Café Heintz in Bad Königshofen getroffen. Ein Gespräch unter anderem über Diplomatie, Entspannung, absolute Mehrheiten, den Nationalpark Rhön und den Hass im Internet.
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Frage: Herr Söder, bei unserem letzten Interview im Dezember 2016 standen die Würzburger Kickers in der Zweiten Bundesliga vor dem FC Nürnberg. Sie galten als Ministerpräsident in spe. Heute steht der Club vor dem Wiederaufstieg in die Bundesliga, die Kickers mühen sich in der Dritten Liga. Ihr Traum schien zwischenzeitlich auch ausgeträumt. Für Markus Söder waren die vergangenen 15 Monate eine politische Achterbahnfahrt. Mit Happy End. Hatten Sie zwischendurch mal Zweifel, ob es mit dem Ministerpräsidenten noch was wird.
Markus Söder: Ich habe mir weniger Gedanken darüber gemacht, als viele glauben. Solche Prozesse kann man nicht steuern. Es freut mich jedenfalls, dass wir nach längeren Diskussionen in der CSU ein insgesamt von allen getragenes Ergebnis haben. Ich finde, es ist uns im Vergleich zu anderen Parteien gut gelungen. Man merkt nun einen gewissen Aufschwung und einen Ruck, der nicht nur durch die CSU, sondern durch das ganze Land geht.
Wie waren die ersten drei Wochen im neuen Amt?
Söder: Arbeitsreich. In der ersten Woche ging es um die Kabinettsbildung. Das waren keine leichten Entscheidungen. Aber ich habe nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden. Danach haben wir die ersten inhaltlichen Entscheidungen getroffen: die Wiedereinführung der Bayerischen Grenzpolizei und das Landesamt für Asyl. Jetzt werden wir am Dienstag ein bayerisches Pflegegeld und neue Pflegeplätze beschließen. Machen und kümmern, das ist mein Grundprinzip.
Was ist anders als in früheren Ämtern?
Söder: Ich habe jetzt die letzte Verantwortung. Für alles. Das hat eine andere Gravität, ein anderes Gewicht. Aber ich nehme die Verantwortung gerne an.
Wird man diplomatischer als Ministerpräsident?
Söder: Als Minister hat man nur sein Fachklientel. Als Ministerpräsident hat man alle Ressort und das ganze Land im Blick.
Ist Markus Söder weniger als Haudrauf unterwegs, seit er Regierungschef ist?
Söder: Das ist ein altes Klischee und Klischees sind härter als Beton in Deutschland. Jeder entwickelt sich und reift im Leben. Wenn man mit 20 so abgewogen auftritt wie mit 50, dann ist man altbacken. Wenn man dagegen mit 50 noch so auftritt wie mit 20, dann hat man keine Entwicklung hinter sich. Ich bleibe authentisch, ich sage meine Meinung deutlich und handle danach. Aber natürlich erfordert das Amt eines Ministerpräsidenten, dass man für alle da ist.
Wie entspannen Sie?
Söder: Am besten kann man sich in der Familie entspannen. Ich mache viel Sport, am Sonntag war ich zum Beispiel 25 Kilometer Radfahren. Ab und zu schaue ich mal beim Club vorbei. Aber im Grunde bin ich schon sehr fokussiert auf diese neue Aufgabe. Es ist ein Privileg, dass ich mein Hobby zum Beruf machen durfte.
Von der absoluten Mehrheit als Wahlziel sprechen Sie ganz bewusst nicht. Dabei hieß es früher immer, der Verlust der Mehrheit in Bayern sei das Ende der bundespolitischen Bedeutung der CSU. Warum diese Bescheidenheit?
Söder: Eine absolute Mehrheit der Stimmen hat die CSU zuletzt 2003 gewonnen. Angesichts eines Bundestagswahlergebnisses von 38 Prozent und zwischenzeitlichen Umfragen bei 35 Prozent, wäre es sehr vermessen und dem Wähler gegenüber überheblich, von einer absoluten Mehrheit zu reden. Ich glaube, dass es den Wählern egal ist, welche Prozent-Ziele die Parteien für sich selbst definieren. Die Menschen wollen eher wissen, was die Politik für sie bereithält. Eines ist aber auch klar zu spüren: Die Bayern wollen keine Berliner Verhältnisse. Wenn sie sehen, wie zäh die Regierungsbildung auf Bundesebene war, und wie mühsam das Arbeiten ist, selbst wenn endlich eine Regierung zustande gekommen ist, dann weiß man erst, wir gut man es in Bayern hat. Am Ende entscheiden die Menschen in Bayern. Ich werde meine Arbeit jedenfalls so gut wie möglich machen.
Potenzielle Koalitionspartner stehen jedenfalls Schlange. Vor fünf Jahren wollten SPD, Grüne und Freie Wähler eine gemeinsame Koalition gegen die CSU. Heute wollen alle außer der SPD am liebsten Söders Juniorpartner werden. Haben Sie einen Favoriten?
Söder: Das überrascht mich auch. Alle, die mich jahrelang kritisiert haben, wollen plötzlich mit uns regieren. Aber im Grunde beschäftigt mich das nicht wirklich. Ich schaue immer nach vorne, zum Beispiel beim Wohnungsbau. Statt sich zu überlegen, wie wir mehr Wohnungen in Würzburg, Nürnberg oder München bauen können, debattiert die Opposition nur darüber, was vor fünf Jahren mit den GBW-Wohnungen war. Dabei stehen die Wohnungen immer noch und jeder GBW-Mieter ist gegenüber Mietern auf dem freien Markt privilegiert.
Ist eine Zusammenarbeit mit der AfD denkbar?
Söder: Nein. Wir wollen wieder deren Wähler zurückgewinnen, die verunsichert und enttäuscht waren. Aber viele AfD-Funktionäre sind nicht tragbar – vor allem, wenn man sieht, mit welch persönlich verletzenden Parolen gearbeitet und wie mit Unwahrheiten versucht wird, Politik zu machen. Mein Stil ist das nicht. Da wünsche ich mir, dass wir Demokraten mehr Gemeinschaft zeigen. Ich werde das in meiner Regierungserklärung ansprechen.
Was kann die Politik denn tun?
Söder: Wir müssen überlegen, wie wir auf die Parallelgesellschaft im Netz reagieren. Alle Parteien müssen da aktiver werden. Nur die Nase rümpfen und wegschauen, reicht nicht. Wir müssen mit eigenen Beiträgen Stellung beziehen. Die Diskussionen im Netz laufen meist so: Da gibt es zehn negative Beiträge. Wenn dann nicht zwei dagegen sprechen, werden noch hundert weitere negative folgen. Wenn aber zwei dagegen halten, dann kann die Diskussion in eine andere Richtung gehen. Demokratie lebt auch im Netz von engagierten Demokraten.
Nach dem Nein zur Skischaukel am Riedberger Horn wartet hier in der Region nun alles auf Ihre Entscheidung in Sachen Nationalpark Rhön. Werden Sie die Pläne begraben?
Söder: Wir werden das Thema mit der Regierungserklärung abschließen. Ich werde die Argumente bis nächste Woche endgültig abwägen. Ich gebe zu, ich bin beim Thema Nationalpark skeptisch. Der Verlauf des Diskussionsprozesses hat gezeigt, dass kein Frieden vor Ort in Sicht ist. Und zwar in ganz Unterfranken nicht. Wir haben überall Demos für und gegen den Nationalpark gehabt.
Mit der Nationalpark-Idee wollte Horst Seehofer den Vorstellungen auch vieler CSU-Wähler nach mehr Engagement für Natur und Schöpfung entsprechen. Was ist da falsch gelaufen?
Söder: Über die Idee darf man natürlich reden. Nur sind die Diskussionen unglücklich gelaufen. Dass man mich nicht falsch versteht: Ich will den Naturschutz voranbringen. Deshalb wollen wir am Riedberger Horn ein nationales Referenzzentrum für Alpines Naturerlebnis gründen.
Den Bürgermeistern und dem Landrat im Allgäu haben Sie millionenschwere Kompensationen versprochen. Gibt es ähnliche Unterstützung auch für die Rhön.
Söder: Ich bin ein Fan der Rhön und mag Unterfranken. Meine familiären Wurzeln liegen hier. Einer meiner Großväter stammt aus der Region. Unterfranken wird in der Regierungserklärung jedenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Womit dürfen wir konkret rechnen?
Söder: Das wird ein Feuerwerk der Ideen. Aber Sie haben sicher Verständnis, dass ich da jetzt noch nichts verrate.
Das Volksbegehren der Grünen gegen Flächenfraß richtet sich gegen die weitere Zerstörung bayerischer Landschaft. Das könnte auch bei CSU-Wählern auf Interesse stoßen.
Söder: Das Volksbegehren der Grünen richtet sich vor allem gegen Bürgermeister und Landräte. Die Grünen wollen die Kommunalpolitiker entmündigen. Auch die CSU will einen schonenden Umgang mit der Natur, aber wir wollen statt Verbote lieber Anreize schaffen, wie Prämien für die Entsiegelung von Flächen oder die Revitalisierung von Ortskernen. Wir brauchen keine Monster-Hektar-Behörde in München, die entscheidet, was in Unterfranken gebaut werden darf. So eine Verbotskultur ist weder bayerisch noch fränkisch.
Auch bei der Straßenausbausatzung droht ein Volksbegehren.
Söder: Das wird sich noch diese Woche erledigen. Die Straßenausbausatzung wird abgeschafft. Schade, dass den Freien Wählern das nicht reicht. Leider agieren die Freien Wähler immer öfter als Freibier-Wähler, indem sie ohne Verantwortung alles umsonst wollen. Das wäre so, als würden wir heute den Soli abschaffen – und dann für die vergangenen Jahre zurückerstatten. Das ist nicht seriös.
Vieles ist Symbolpolitik. Sie wollen ein neues Polizeiaufgabengesetz beschließen. Schon bei drohender Gefahr sollen die Behörden Grundrechte massiv einschränken können. Laut Innenministerium gibt es so wenig Kriminalität in Bayern wie seit 30 Jahren nicht mehr. Warum dieser Aktionismus?
Söder: Das hat nichts mit Aktionismus zu tun, sondern mit Stabilität und Sicherheit für die eigene Bevölkerung. Die Einrichtung der Grenzpolizei zum Schutz vor illegaler Migration und ausländischer Kriminalität dient diesem Ziel. Der Bund sagt, die Länder sollen in den nächsten Jahren 7500 Polizisten neu einstellen, 3500 kommen jetzt aus Bayern. So sicher ist kein anderes Land. Auch das neue Polizeiaufgabengesetz soll die Sicherheit erhöhen. Für uns gilt: Jede Straftat, die verhindert wird, ist besser als die bloße Nachsorge für die Opfer.