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BAD KÖNIGSHOFEN
Wie Markus Söder in Unterfranken ankommt
Markus Söder dirigiert die Promi-Band in Bad Königshofen.
Foto: Anand Anders | Markus Söder dirigiert die Promi-Band in Bad Königshofen.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 05.05.2018 02:38 Uhr

Mehr Heimspiel geht nicht. Der Kreisverband der Jungen Union (JU) in den Haßbergen feiert am Sonntagabend in der Rudolf-Mett-Halle in Königsberg (Lkr. Haßberge) sein 60-jähriges Bestehen. Als Ehrengast ist Markus Söder gekommen, die Halle ist mit 300 Plätzen gut gefüllt, einige Besucher müssen stehen. Dass der 51-Jährige sein neues Amt als bayerischer Ministerpräsident nicht zuletzt auch den JU-Aktiven aus Ostunterfranken verdankt, darüber sind sich zumindest hier und heute alle einig.

Es war Anfang November bei der JU-Landesversammlung in Erlangen, als der Parteinachwuchs sich auf dem Höhepunkt der Personaldebatte klar gegen Horst Seehofer positionierte und für einen personellen Neuanfang mit Markus Söder plädierte. Als sich die fränkischen JU-Delegierten dann mit himmelblauen „MP Söder“-Schildern im Foyer der Tagungsstätte vor den Fernsehkameras versammelten, war die Provokation aus Seehofers Sicht perfekt. Söder indes durfte seine klammheimliche Freude nicht zeigen und stand mit ernstem Gesicht daneben – direkt neben dem unterfränkischen JU-Bezirksvorsitzenden Fabian Weber, der Haßberge-Vorsitzenden Stefanie Hümpfner und ihrer Stellvertreterin Isabell Rott.

Hümpfner hat an diesem Abend in Königsberg noch einmal eines von den blauen Söder-Schildern mitgebracht, um die Wahrheit über den Auftritt damals mit ihren Mitstreitern noch einmal ganz genau zu erläutern. Nein, eine Inszenierung sei das nicht gewesen, eher eine „spontane Idee“ der vier fränkischen JU-Bezirksvorsitzenden, versichert Fabian Weber. Na ja, aber vorbereitet hatten die jungen Leute die Aktion irgendwie schon. Die Schilder waren schließlich gedruckt. Söder, von 1995 bis 2003 selbst Landeschef der Jungen Union, will in Königsberg kein Spielverderber sein.

Allerdings weiß er auch: Zum Ministerpräsidenten-Amt passt allzuviel Genugtuung nicht. Und Horst Seehofer desavouieren, jetzt, wo der Burgfriede in der CSU zumindest bis zur Landtagswahl halten soll, will er auch nicht. Also macht er freundliche Miene, dankt der JU zwar für den „klug vorbereiteten Machtwechsel“, lässt das Thema dann aber auch wieder. Lieber frotzelt er ein wenig gegen die lokalen Abgeordneten. Dorothee Bär, die Staatsministerin für Digitalisierung, habe er einst entdeckt – „und bescheiden wie sie ist, war sie sofort für alle Ämter bereit“. Den Landtagsabgeordneten Steffen Vogel erinnert er an Zeiten, als CSU-Granden aus ganz Unterfranken beim JU-Chef Söder den „moralischen Verfall“ beklagten, weil Vogel mit schlüpfrigen Plakaten zu Politpartys in den Haßbergen geladen hatte. So hat der Ministerpräsident den Saal schnell auf seiner Seite.

„Wie eine süße Sahnetorte“

Die Entertainer-Qualitäten des Regierungschefs, „die sind ein bisschen so wie eine süße Sahnetorte“, sagt ein langjähriger Weggefährte aus der Region: „Die Versuchung ist groß, aber man hat sie dann auch recht schnell über.“ Das Staatsmännische müsse „der Markus“ noch üben, meint der CSU-Politiker. Söder selbst antwortet auf die Frage, ob er weniger als Haudrauf unterwegs ist, seit er Regierungschef ist, er wolle auch weiter seine Meinung sagen. Allerdings gelte auch für ihn, ein jeder reife im Leben: „Wenn man mit 20 so abgewogen auftritt wie mit 50, dann ist man altbacken. Wenn man dagegen mit 50 noch so auftritt wie mit 20, dann hat man keine Entwicklung hinter sich.“

Markus Söder hat an diesem Sonntag gleich zwei Wohlfühltermine in Unterfranken. Noch vor dem Auftritt bei der Jungen Union spricht er in Bad Königshofen (Lkr. Rhön-Grabfeld) ein Grußwort beim 40-Jährigen des Vereins für Heimatgeschichte im Kurzentrum. Eine Zusage, die er noch als Finanz- und Heimatminister gegeben hat – und die er nun einlöst. Auch hier sind knapp 300 Besucher gekommen, zur Begrüßung vor dem Kurzentrum spielt die Promi-Band unter Leitung von Altbürgermeister Clemens Behr „Horch, wer kommt von draußen rein“. Söder weiß, jetzt gilt es zum Taktstock zu greifen, das bringt die richtigen Bilder an diesem warmen Frühlingstag.

Auf dem Weg in die Halle begrüßt der Ministerpräsident nicht nur die lokale Prominenz, keine Bürgerhand entgeht dem 51-Jährigen. Und auch die Helfer von Feuerwehr, Polizei und Rotem Kreuz dürfen sich über freundliche Worte freuen. Und dann will noch jemand ganz schnell ein Selfie. Für Söder in diesen Tagen kein Problem. „Sehr professionell“, kommentiert ein Zuschauer den Auftritt. Wenig später am Rednerpult würdigt der frisch gekürte Landesvater das Engagement der Ehrenamtlichen. Sie trügen mit dazu bei, Bayern lebenswert zu machen. Nicht nur in den Ballungsräumen, sondern vor allem auf dem flachen Land werde über die Zukunft und den Zusammenhalt im Freistaat entschieden.

Nicht zuletzt habe er sich als Heimatminister dafür stark gemacht, Behörden zu verlagern. 50 Stellen des Finanzamts Nürnberg-Süd kamen so nach Bad Königshofen, 100 Jobs für die Landesbaudirektion ins nahe Ebern (Lkr. Haßberge). Als der Ministerpräsident dabei gleich zweimal von den Vorzügen des Lebens in der Rhön spricht, zieht das prompt eine Rüge des Vereinsvorsitzenden nach sich. Man befinde sich im fränkischen Grabfeld, am Fuße der Haßberge. Die Rhön sei das nicht, betont Hanns Friedrich. Selbst in Franken also kann der fränkische Ministerpräsident geografisch noch was lernen. „Das kostet bestimmt ein Prozent“, witzelt ein Zuhörer am Nachbartisch.

Geld fürs Biosphärenreservat?

Vielleicht verwechselt Söder die unterfränkischen Mittelgebirge auch nur, weil für die Rhön („Ich bin ein Fan der Region“) dieser Tage eine wichtige Entscheidung ansteht. Kommt der Nationalpark oder kommt er nicht? Die endgültige Verkündung seines Entschlusses will er sich für seine Regierungserklärung in der nächsten Woche aufheben. Er sei aber weiter „skeptisch“, bekräftigt er auf Nachfrage. Die Diskussionen hätten für Unfrieden in ganz Unterfranken gesorgt. Der Ausstieg aus dem Dialogprozess scheint also beschlossene Sache. Als Kompensation rechnen Kommunalpolitiker in der Rhön nun mit mehr Geld für das Biosphärenreservat. Bemerkenswert am Rande: Mit Klaus Schmitt geht ausgerechnet ein Grünen-Kreisrat nach der Rede in Bad Königshofen auf Söder zu und beglückwünscht ihn zum Aus für die Skischaukel am Riedberger Horn. Schmitt: „Das war mir ein Bedürfnis.“ Ein Fingerzeig für Schwarz-Grün?

Stefanie Hümpfner, die Kreisvorsitzende der Jungen Union Haßberge, begrüßt Markus Söder in Königsberg.
Foto: Anand Anders | Stefanie Hümpfner, die Kreisvorsitzende der Jungen Union Haßberge, begrüßt Markus Söder in Königsberg.

Eine halbe Stunde vor dem Auftritt beim Geschichtsverein treffen wir Markus Söder zum Gespräch im Café Heintz am Marktplatz. Die Gäste registrieren den prominenten Gast freundlich, aber gelassen. Am Tisch bestellt sich der Vater von vier Kindern erst einmal eine Schwarzwälder Kirschtorte. Am Morgen sei er daheim in Nürnberg 25 Kilometer Rad gefahren, da könne er sich das leisten, sagt er. Ob er während des turbulenten Jahres 2017, als Horst Seehofer zuerst doch weitermachen wollte, dann aber nach dem schlechten Wahlergebnis bei der Bundestagswahl stürzte, mal Zweifel hatte, ob es mit dem Amt des Ministerpräsidenten noch was wird? „Ich habe mir weniger Gedanken darüber gemacht als viele glauben“, antwortet er routiniert. Jedenfalls präsentiert er sich angekommen im neuen Amt. Nicht nur, weil er zu Freizeithemd und Trachtenjanker heute auch Krawatte trägt. Anders als noch als Minister habe er jetzt die letzte Verantwortung, sagt er. Aber er nehme die Herausforderung gerne an. Die ersten drei Wochen seien arbeitsreich gewesen.

Gemäß dem Motto „Machen und kümmern“ reist er jetzt durch die Lande. Viel Zeit bleibt ihm nicht bis zur Bayern-Wahl am 14. Oktober. Vom einst so wichtigen CSU-Ziel absolute Mehrheit hat Söder verbal Abstand genommen. Angesichts der 38 Prozent bei der Bundestagswahl im September wäre das überheblich und vermessen, bekennt er. Viele Bürger hätten die Zahlenspiele satt. Er spüre aber, dass ein Ruck nicht nur durch die CSU, sondern durchs ganze Land gehe. Er, so Söder im Interview, wolle durch seine Arbeit überzeugen.

Dass fast alle Parteien (mit Ausnahme der SPD) mit ihm ab Herbst gerne koalieren wollen, überrasche ihn auch, lacht er. Ansonsten verliert der Ministerpräsident nur wenige Worte zur Konkurrenz. Nur bei der AfD, da kann er nicht stillhalten. Er wünsche sich, so sagt Söder, dass die Demokraten mehr Gemeinschaft zeigen und sich dem Hass vieler AfD–Funktionäre im Netz entgegenstellen. „Nur Nase rümpfen und wegschauen, reicht nicht“, sagt er. Da müsse mit eigenen Posts mehr gegengehalten werden.

Mit Sicherheitspolitik punkten

Zum Start möchte die neue Regierung vor allem mit der Sicherheitspolitik punkten. Mit der Wiedereinführung der Bayerischen Grenzpolizei und dem Landesamt für Asyl stehen die ersten Beschlüsse. Jetzt soll das verschärfte Polizeiaufgabengesetz hinzukommen. Die heftige Kritik von Rechtsexperten und Opposition an unnötigem Aktionismus weist der Ministerpräsident zurück. „Für uns gilt: Jede Straftat, die verhindert wird, ist besser als die bloße Nachsorge für die Opfer.“ Zum „Machen und Kümmern“ gehöre aber auch die Einführung eines bayerischen Pflegegeldes, das diese Woche auf den Weg gebracht werden soll.

Viel Beifall bekommt Söder, als er in Königsberg seine Flüchtlings- und Integrationspolitik erläutert. Selbstverständlich müsse man Menschen in Not helfen. Gerade in Bayern hätten viele Kommunalpolitiker und ehrenamtliche Helfer Großartiges geleistet. Darüber dürfe man aber nicht die einheimische Bevölkerung vergessen. Für Flüchtlinge gebe der Freistaat jedes Jahr eine Milliardensumme aus, die höher sei als der Etat des „Wirtschafts-, Umwelt- und Gesundheitsministeriums zusammen“. Dafür dürfe der Bürger dann auch erwarten, dass der Rechtsstaat durchgesetzt werde, wenn es darum gehe, Migranten ohne Bleiberecht in ihre Heimat zurückzuführen.

Außerdem gelte es, Identität zu wahren, so Söder in seiner 45-minütigen frei gehaltenen Rede. „Wir wollen Bayern bleiben, wenn wir Weltbürger sind“, sagt er. Jeder Muslim, der hier lebe, sei „herzlich willkommen“, er müsse sich aber „unseren Werten, Sitten und Gebräuchen anpassen – und nicht umgekehrt“. Letztere basierten auf christlich-abendländischen Wurzeln. Dafür stehe das Kreuz. Für die Forderung, dieses „Symbol für den Grundbestand unserer Verfassung“ aus Gerichten und Amtsstuben zu entfernen, habe er kein Verständnis, so Söder. „Unter Beachtung der Rechtssprechung möchte ich, dass in jeder unserer Behörden ein Kreuz hängt.“

„Söder packt an, er setzt seine Vorstellungen durch“, lobt Rhön-Grabfeld-Landrat Thomas Habermann die ersten Amtswochen des Ministerpräsidenten. Den Parteinachwuchs in Königsberg zeigt sich nach der Rede in Königsberg beeindruckt vom „Charisma“ des Mittelfranken. „Er kann die Leute mitreißen“, sagt Lukas Geuß (24) aus Ebern. „Und er ist dennoch bodenständig“, ergänzt sein Bruder Winfried Geuß (20).

Am Ende dieses Sonntags in Unterfranken soll Markus Söder in der Rudolf-Mett-Halle noch das Frankenlied singen. Drei Strophen sind vorgesehen. „Valleri, vallera.“ Ein letztes Selfie noch – und weg ist er.

 
 
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