
Wenn Manuel Martin in Bad Königshofen an seiner Staffelei sitzt, die Malerpalette in die Hand nimmt und Farben auswählt, ist er ganz in seinem Element. Was er malt? "Das kann ich nicht sagen, es sind meine Gefühle, meine Stimmung und auch meine Ängste, die ich hier in meinen Bildern ausdrücke." Seine Frau Katrin Rinke fügt an: "Jeder sieht in Manus Bilder etwas anderes: Die einen meinen, einen Blick ins Weltall zu werfen, anderen erkennen einen Vogel oder ein Tier, wieder andere eine Blüte. "
Sie ist stolz auf ihren Mann, der die Therapie seiner Depression so gut umsetzt und dessen Bilder seit Freitag, 26. August, in der Ausstellung "Urban Remix" in der Grace Denker Gallery Art-Craft-Livin in Hamburg zu sehen sind. Die Galerie befasst sich unter anderem mit Ausstellungen von Bildern, die durch derartige Thearpien wie bei Manuel entstanden sind – Bilder, in denen sie ihre Ängste und Probleme verarbeiten – also eine spezielle Malerei, die in der Ausstellung von Künstlern aus ganz Europa gestaltet wird.
Auf Manuel Martin ist man über die Klinik in Werneck aufmerksam geworden. "Das ist unfassbar… ich kann es nicht glauben", sagt Manuel und über sein Gesicht huscht ein leichtes Lächeln. "Ich bin stolz auf mich, dass ich das geschafft habe."
Wie das Malen depressiven Menschen wie Manuel Rinke hilft
Rückblickend erinnert sich seine Frau Katrin mit Schrecken an den 23. März in diesem Jahr, als eine schwere Depression dazu führte, dass ihr Mann in die psychosomatische Klinik in Werneck eingeliefert wurde. Über einige Wochen war er dort in Behandlung, wobei ihm die Maltherapie besonders geholfen hat. Diese ermöglicht es, das Unbewusste, eigene Erfahrungen und Erlebnisse und Gedenken wieder besser wahr zu nehmen.
"Betroffene verstehen so besser, was in ihnen vorgeht", sagen Experten. Genau das ist es auch was Manuel geholfen hat. Ihm ist es wichtig, anderen Menschen Mut zu machen, sich nicht zu verstecken, sondern zu ihrer Depression zu stehen. "Ich bin wieder selbständig geworden, traue mir etwas zu. Ich habe keine Angst mehr, am Computer zu arbeiten und ich merke auch, dass ich es kann." Das war in den vergangenen Jahren ganz anders, sagt seine Frau. "Manu hatte einfach Angst, etwas falsch zu machen."
BRK Rhön-Grabfeld hat eine eigene Depressions-Gruppe
Manuel Martins Familie ist froh über die Entwicklung der vergangenen Wochen, denn in dieser Zeit wurde aus einem gelernten Maler und Verputzer ein Künstler. "Alles was mein Mann malt, ist er selbst, das sind seine Gefühle. Ich bin froh, dass ihm diese Maltherapie hilft", sagt Martins Frau. Dies vor allem auch im Hinblick auf die Zeit nach den Klinikaufenthalten. Sicher ist für die Familie, dass die Depressionen lange nicht vorbei sind. Arbeiten kann Manuel Martin nicht, denn alles strengt ihn extrem an.

Klar ist aber auch, dass das Familienleben sich vollkommen verändert hat. Vorausplanen ist kaum noch möglich, denn Manuel braucht seinen geregelten Tagesablauf: Morgens um 8 Uhr aufstehen, frühstücken, spazieren gehen, dann eventuell mit dem Malen beginnen und sich hin und wieder ausruhen. Dennoch: "Er ist ein ganz anderer, ein neuer Mensch geworden, jemand, der wieder Ziele hat, der in die Zukunft blickt", sagt seine Frau. Die Familie sei vorher fast Nebensache gewesen, erklärt sie und verweist darauf, dass nun nach dem Klinikaufenthalt auch die Familienangehörigen fachlich begleitet werden.
Wie die Depression bei Manuel Martin begann
"Eine entsprechende Gruppe gibt es seit zehn Jahren beim BRK Kreisverband Rhön-Grabfeld", sagt Petra Fuchs vom Bereich Sozialarbeit in Bad Neustadt. Hier können Fragen angesprochen und gemeinsame Lösungen und Antworten gefunden werden. Bei einem Gespräch mit der Therapeutin in Werneck ging es Katrin Rinke zum Beispiel um das Zusammenleben, ob man sich streiten darf und wie man bei einem eventuellen Rückschlag reagieren sollte.
Wie zeigte sich die Depression? Angefangen hat laut Katrin Rinke alles vor einigen Jahren, als sich Manuel Martin immer mehr zurück zog, sich ganz auf das Gitarrenspiel, den Bau einer Gitarre oder die Gitarre allgemein konzentrierte. "Da hab ich mich oft gefragt, ob ich für ihn überhaupt noch existiere", sagt seine Frau Katrin.
Offen mit der Krankheit umgehen und darüber reden
Wenn sein Zusammenbruch und der Klinikaufenthalt mit Therapie nicht gekommen wären, hätte sie nicht gewusst, wie es mit der Ehe weitergeht, sagt sie. Wer so etwas nicht selbst mitgemacht habe, verstehe es nicht. Gerade deshalb sei es wichtig, mit dieser Krankheit offen umzugehen. So habe Manuel sich, als er das erste Mal wieder nach Hause kam, kaum noch an die Wohnung, die Einrichtung, nicht einmal mehr an die Farbe des Fußbodens erinnert.
Noch im Gespräch greift Manuel wieder zu Pinsel und Farbpalette. An einem begonnenen Bild will er weiter arbeiten. "Zurzeit kann ich nicht mit gelb oder orange malen", fügt er an. Warum? "Das geht einfach nicht, ich weiß nicht warum." Es komme auch vor, dass er ein Bild nachts träumt und am nächsten Tag umsetzt.
Bis ein Bild fertig ist, kann es durchaus mehrere Tage dauern. Seine Bilder entstehen in der Ölmalerei. Bei der Gestaltung der Bilder komme natürlich das Erlernte als Maler hinzu, vor allem was die Farbmischung und das Auftragen der Farben betrifft. "Ich kann ja nicht eine zweite Schicht aufbringen, wenn die erste noch nicht abgetrocknet ist, sonst vermische ich die Farben oder es blättert alles runter."