Die Warnung der Moor-Experten war unmissverständlich: Das einzigartige Schwarze Moor in der Rhön ist durch den Klimawandel in seiner Existenz gefährdet. Zur Rettung notwendig sei vor allem "eine Radikalkur zur Stabilisierung des Wasserhaushalts", heißt es im Fachgutachten, das die Wissenschaftler im Februar 2022 vorlegten. Und, so ihre Warnung, nicht irgendwann. Sondern so schnell wie möglich.
Seitdem ist mehr als ein Jahr vergangen. Doch konkret passiert zur Moor-Rettung ist offenbar nichts – und der Grund dafür scheint in München zu liegen. Denn dort streiten zwei Ministerien schon seit Jahren um Einfluss, Kompetenzen und konkrete Maßnahmen: das eigentlich für den Moorschutz zuständige Umweltministerium und das Forstministerium, das beim Schwarzen Moor mitreden darf, weil es sich rechtlich um ein "Naturwaldreservat" handelt.
Rangelei zwischen zwei Ministerien erschwert die Moor-Rettung in der Rhön
Wer die Hauptschuld trägt am internen Zwist, ist von außen schwer zu beurteilen. Dass die Rangeleien die Moor-Rettung erschweren, ist jedoch offensichtlich. Die Forstverwaltung kämpfe mit Händen und Füßen gegen einen Einflussverlust im Schwarzen Moor, heißt es etwa von der Umwelt-Seite. Das Umweltministerium sei zuletzt mit umweltrechtlichen Vorgaben für die Energiewende komplett überfordert gewesen, kann man dagegen aus der Forst-Richtung hören.
Darüber hinaus schwelt seit Jahren ein fachlicher Grundsatzstreit: Soll der zunehmende Bewuchs des Moores mit Bäumen und Büschen durch Eingriffe beseitigt werden, was Umweltressort und Naturschützer fordern? Oder löst sich das Gehölz-Problem durch eine bessere Bewässerung des Moores von alleine, wie Forstministerium und Fachgutachter meinen?
Geht es im Kompetenz-Gerangel um die Sache, oder um Eitelkeiten?
Bei neutralen Beobachtern hat sich indes der Eindruck verfestigt, dass es im internen Kompetenz-Gerangel weniger um die Sache, als um Eitelkeiten geht. Tatsächlich wurde offenbar monatelang zwischen den Ministerien etwa darum gerungen, ob die brisante Frage der Gehölz-Entnahme Teil von zwei neuen Fachgutachten werden darf, die nun konkrete Rettungsmaßnahmen für das Moor prüfen sollen.
Jedenfalls dauerte allein die Erstellung der kürzlich veröffentlichten Ausschreibung für diese beiden Rettungsgutachten fast ein Jahr. Bis Mai 2023 sollen nun die Aufträge für die Prüfung geeigneter hydrologischer und vegetationskundlicher Maßnahmen erfolgen. Die Ergebnisse sollen dann bis Ende 2024 vorliegen – so dass ab 2025 tatsächlich konkrete Maßnahmen zum Moorschutz ergriffen werden könnten.
Moor-Rettung erst ab 2025? Münchner Zeitplan macht Moorschützer in der Rhön sprachlos
Ein Zeitplan, der Moorschützer in Unterfranken wie die Grünen-Politiker Patrick Friedl und Paul Knoblach sprachlos macht, aber deren Befürchtungen bestätigt: Vor Ort in der Rhön sei man bereit, geeignete Maßnahmen zur Rettung des Moores sofort umzusetzen, klagt etwa der Landtagsabgeordnete Knoblach. Doch in München werde stattdessen lieber zwischen zwei Ministerien um Zuständigkeiten gerangelt: "Zum Haare raufen in der Rhön: In München geht's weiter mit Verschieben, Verzögern. Und das Moor stirbt weiter", befürchtet Knoblach.
CSU-Landrat Habermann: Neue Gutachten zum Moorschutz "Verschwendung von Steuergeld"
Auch Thomas Habermann (CSU), der Landrat von Rhön-Grabfeld, ist entsetzt über den Münchner Rettungszeitplan. Jetzt erneut zwei Gutachten zu beauftragen, sei zudem "Verschwendung von Steuergeld", schimpft Habermann: "Denn die fachlichen Grundlagen zur Moor-Rettung sind längst da, man könnte sofort beginnen."
Auch landespolitisch sei die erneute Verzögerung konkreter Maßnahmen ein Offenbarungseid, meint der unterfränkische CSU-Politiker. Schließlich seien Moore als CO2-Speicher ein wichtiger Pfeiler der Umweltpolitik von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Die Kompetenz für das Schwarze Moor solle deshalb künftig allein beim Umweltministerium liegen, fordert der Landrat.
Auch Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) scheint genervt vom Gerangel: Notwendig sei "das klare Signal von allen Beteiligten, dass der Schutz des Schwarzen Moores unverzüglich umgesetzt wird", fordert er. Die Rettung könne nur gelingen, "wenn endlich alle an einem Strang ziehen".
Gibt es konkrete Sofortmaßnahmen im Moor bereits in diesem Jahr?
Sein Ministerium verweist zudem darauf, dass trotz der beauftragten neuen Gutachten konkrete Sofortmaßnahmen, "die einen eindeutig positiven Effekt auf den Wasserhaushalt des Moores haben", unverzüglich umgesetzt werden könnten. Glauber verlangt hier vor allem, zumindest die Bäume und Büsche entlang des 2021 eröffneten Bohlenstegs zu entfernen.
Denkbar wäre zudem eine Rodung von Fichten im Wassereinzugsgebiet des Moores. Ob dies bereits in diesem Jahr möglich ist, könne man nicht beantworten, so ein Sprecher des Umweltministeriums. Zuständig sei hier das Forstministerium. Dort hieß es auf Nachfrage, man werde sich "als touristische Maßnahme" mit dem Umweltressort im April "zur Festlegung der zu entnehmenden Bäume abstimmen". Ein Umbau des Fichtenwaldes sei hingegen keine Sofortmaßnahme.
Schafft man sich dadurch nicht eine "künstliche Natur" bzw. pfuscht der Natur ins Handwerk?
Wenn das passiert ist, dann können sich die wichtigen Personen in der Landeshauptstadt gern noch weitere Jahrzehnte zoffen.
In trockeneren Jahren wachsen die Bäume und in feuchteren Jahren faulen sie ab und werden Totholz, oder halt zum Moor.