Fünf Jahre, fünf Bauabschnitte, 700 000 Euro und etwas Glück mit dem Wetter und beim Holzeinkauf waren nötig, den 2,4 Kilometer langen Bohlenweg durch das Schwarze Moor komplett zu erneuern. Jetzt ist die Touristenattraktion in der Rhön, die jährlich mehr als hunderttausend Besucher anzieht, wieder begehbar. Bevor in den nächsten Tagen die offizielle Eröffnung gefeiert wird, fragen sich aber schon jetzt manche Rhöner, wofür ein solch teurer Moorsteg gebraucht wird, wenn hier bald kein Moor mehr existiert.
Der Sarkasmus ist Ausdruck eines derzeit zwischen der Rhön und München geführten Streites. Die eine Partei mit der Bayerischen Umweltverwaltung, dem Umweltministerium und Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann beobachtet, dass sich das Moor gerade mehr und mehr in einen Wald verwandelt und fordert die Beseitigung von Bäumen. Auf der anderen Seite verweist das Forst- und Landwirtschaftsministerium darauf, dass gerade in diesem Bereich solche Eingriffe nicht erlaubt sind und lehnt Entnahmen aufgrund einer unklaren wissenschaftlichen Lage derzeit ab. Weil das Moor als Naturwaldreservat eingestuft ist, hat hier das Forstministerium mitzureden.
Schnelle Lösung gescheitert
Der Streit hat sich seit einem Besuch von Umweltminister Thorsten Glauber im Schwarzen Moor zugespitzt. "Geben Sie mir vier Wochen", hatte der Minister eine schnelle Lösung angekündigt, als er auf das Problem der zunehmenden Ausdehnung von Gehölzen und Bäumen in der zentralen Moorfläche und der dadurch beschleunigten Austrocknung des Moores angesprochen wurde. Aus den vier sind inzwischen mehr als acht Wochen geworden.
Getan hat sich hinter den Kulissen offensichtlich manches. Eine Einigung konnte allerdings nicht erzielt werden, verlautet jetzt dazu aus dem Umweltministerium. Ein Vorschlag der Naturschutzverwaltung sei im Forstministerium abgelehnt worden. Man habe den Widerstand dort wohl unterschätzt, heißt es in der Rhön.
Das wiederum ist für Vertreter der Umweltverwaltung angesichts der Dringlichkeit des Problems nicht nachvollziehbar. Durch eine immer stärkere Zunahme von Kiefern und Birken auch in seinem etwa 35 Hektar umfassenden Kernbereich entwickle sich das Moor gerade zu einem Wald und sei in seinem Bestand gefährdet. Die Ursachen seien menschengemacht: Stickstoffeinträge aus der Luft fördern die Ansiedlung von Bäumen, während die fehlenden Niederschläge als Folge des Klimawandels das Austrocknen des Moores zusätzlich beschleunigen. Das Schwarze Moor und seine Vegetation seien zu kostbar, um diese Entwicklung hinzunehmen.
Ein Moor von mitteleuropäischem Rang
Schließlich gilt es als einzigartig in Deutschland und darüber hinaus. Landrat Thomas Habermann verweist hier auf den Träger des alternativen Nobelpreises und Moorforscher Professor Michael Succow, der das Moor bei einem Besuch 2018 als eines der wertvollsten Mittelgebirgsmoore in Mitteleuropa bezeichnet. Succow habe schon damals darauf hingewiesen, dass die Entwicklung der Gehölze auf der Hochmoorfläche eine Gefahr darstelle. „Zu viel Baumbewuchs auf der Hochmoorfläche wirkt wie eine Wasserpumpe und trocknet das Moor aus“, sodass schleunigst eingegriffen werden müsse.
Stabiler Zustand
Das Problem ist die besagte Zuständigkeit. Das Moor ist zwar auch FFH-Schutzgebiet und Kernzone des Biosphärenreservats, aber im Sinne des bayerischen Waldgesetzes dem Wald gleichgestellt und vor allem auch eines von knapp 170 bayerischen Naturwaldreservaten und steht damit in der Zuständigkeit des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Und dort sieht man die Situation eben völlig anders und rät von Eingriffen ab.
"Gegenwärtig ist für uns keine dynamische Ausbreitungstendenz von Gehölzen auf den offeneren Moorbereichen des Schwarzen Moors festzustellen. Vielmehr hat sich ein weitgehend stabiler Zustand eingestellt. Einen präventiven menschlichen Eingriff in das empfindliche Ökosystem halten wir daher derzeit für nicht erforderlich, gegebenenfalls sogar für nachteilig", erklärte das Ministerium auf Nachfragen dieser Redaktion.
Das Schwarze Moor sei eine der ältesten Prozessschutzflächen in Bayern, heißt es weiter. Dieser Status als Naturwaldreservat verbiete jegliche Eingriffe. Den Baumbewuchs beseitigen zu dürfen, würde demnach zuvor die Aufhebung des Schutzgebiets erfordern, stellt das Ministerium klar und fordert wohlüberlegte Schritte. Als einen geeigneten Weg, um die Entscheidung über menschliche Eingriffe in dem sensiblen Gebiet abzusichern, habe man ein "moorökologisches Monitoring" vorgeschlagen.
Klartext reden
Auf mögliche Verzögerungen durch weitere wissenschaftlichen Untersuchungen will sich Landrat Thomas Habermann erst gar nicht einlassen und fordert schnelles Handeln. Die Behauptung, dass im Schwarzen Moor keine Ausbreitung von Gehölzen feststellbar ist, sieht er aufgrund eigener Anschauung vor allem aber durch Vergleiche von aktuellen und älteren Bilder aus dem Moor klar widerlegt. Hier sei die Verschlechterung eindeutig erkennbar. Und viele Kenner des Schwarzen Moores pflichten ihm bei.
Man müsse hier "einmal Klartext reden", so der gelernte Jurist und Richter gegenüber dieser Redaktion. Die Ausweisung des Moores als Naturwaldreservat hätte niemals erfolgen dürfen und sei "rechtsfehlerhaft". Sie sei umgehend aufzuheben. Das Moor sei FFH-Gebiet, entsprechend gelte hier nach europäischem Recht ein Verschlechterungsverbot. Das binde den Freistaat. Wenn es nun bei der Umsetzung des Verschlechterungsverbots zu einer Rechtskollision mit dem Bayerischen Waldgesetz komme, sei juristisch eindeutig, dass europäisches Recht Landesrecht breche. Entsprechend verletze der Freistaat als Eigentümer sehenden Auges europäisches Recht. "Das ist skandalös", so Habermann.
Als nächsten Schritt will Habermann Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber in einem Schreiben auffordern, diesen rechtswidrigen Zustand und damit die leidige Angelegenheit zu beenden. Er sei nicht mehr bereit, jahrelang zuzusehen, wie der Freistaat geltendes Recht verletze. Er hoffe, dass es gelinge, das Problem innerhalb der Staatsregierung zu regeln. Als letzte Möglichkeit müsse man sich überlegen, das Thema der Europäischen Kommission vorzulegen.
Wer den neuen Bohlensteg des Schwarzen Moores kennenlernen oder den Zustand des Moores informieren will, hat am Sonntag, 18. Juli, um 10 Uhr bei einer geführten Wanderung die Möglichkeit dazu. Eine Anmeldung zu der etwa zweistündigen Tour ist erforderlich unter Tel.: (09774) 910260.