Die Bagger haben schon ganze Arbeit geleistet: Auf einem gut 8000 Quadratmeter großen Areal auf dem ehemaligen Rothhaupt-Gelände am Ortsrand von Stockheim sind die baufälligen Gebäude in Schutt und Asche gelegt worden. Über 25 Jahre kämpft die Gemeinde bereits darum, die alte Industriebrache zu erwerben und zumindest in Teilen neu und ansprechend zu gestalten. Umso mehr freut sich Bürgermeister Martin Link, dass nun der erste Schritt in diese Richtung getan wird.
"Es ist einfach kein schöner Anblick, der sich da vor den Toren unseres Dorfes bietet", sagt der Bürgermeister. Schon seine Vorgängerin Burgunde Bahr hatte versucht, den Zustand in der Mellrichstädter Straße zu verbessern. Doch bis zuletzt gestaltete sich dies äußerst schwierig. Denn nach der Insolvenz des Furnier- und Sägewerks Rothhaupt, das vor 40 Jahren die Türen schloss, wurde der Betrieb zerschlagen, und verschiedene Bereiche des weitläufigen Geländes wurden wahllos verkauft. Das einstige Prestigeunternehmen der Gemeinde, das in seiner Blütezeit Mitte des 20. Jahrhunderts über 150 Frauen und Männern Arbeit bot, war in der Folgezeit in weiten Teilen dem Verfall preisgegeben, umso mehr, als die neuen Eigentümer zwar oftmals nichts mit dem Gelände anzufangen wussten, aber auch nicht bereit waren, den Grund und Boden an die Gemeinde zu verkaufen.
Nach 25 Jahren gelang endlich der Grundstückskauf
2019 konnte Martin Link dann endlich einen langersehnten Erfolg verbuchen. Nach zähen Verhandlungen gelang es ihm, das Areal zwischen dem Sportheim des Rhön-Grabfelder Taekwondo-Vereins und dem früheren Rothhaupt-Bürohaus zu kaufen. Die Gestaltung des Geländes macht eine satte Finanzspritze aus dem Topf der Städtebauförderung möglich, den die Gemeinde dank der Mitgliedschaft in der Streutalallianz anzapfen kann.
"Die Allianz mit ihrem Fokus auf die Innenentwicklung ist unser großes Glück", sagt Link, der zugleich Vorsitzender des Zusammenschlusses der elf Streutalgemeinden ist. Ohne die 80-prozentige Förderung des Abbruchs, der mitsamt Entsorgung knapp 700 000 Euro kostet, hätte die Gemeinde das Großprojekt nicht stemmen können. Auch der Grundstückskauf wurde entsprechend unterstützt. Ein Lob richtet der Bürgermeister hier auch an den Landkreis. Das Landratsamt hatte der Gemeinde bei den Formalitäten zur Seite gestanden.
Wie werden die Altlasten auf dem Gelände entsorgt?
Auf dem Abbruchgelände standen früher die Messermaschinen und Dämpfgruben des Furnierwerks, weiß Gemeindechef Martin Link. Darin wurden die Holzstämme gekocht, bevor sie geschält und weiterverarbeitet wurden. In den angrenzenden Hallen wurde das Holz dann getrocknet. Anders als bei anderen Gewerbebrachen, etwa in Schweinfurt und Schonungen, ist der Untergrund in Stockheim aber nicht mit chemischen Rückständen belastet, sagt Link.
Dennoch sind die alten Gebäude in der heutigen Zeit aufwendig zu entsorgen. Die Schadstoffuntersuchungen und den Rückbau hat das Ingenieurbüro Federlein aus Salz übernommen. Hochbautechniker Stefan Lorenz erklärt, wie das Unternehmen die Entsorgung der Altlasten anpackt.
"Ein altes Gebäude, das noch steht, ist definitiv leichter zu untersuchen als eine Bauruine, die schon stark in Mitleidenschaft gezogen ist", sagt der Fachmann. Dass die Liegenschaften allesamt in sehr schlechtem Zustand waren, nennt Lorenz die große Schwierigkeit bei der Untersuchung des Areals, mit der 2019 begonnen wurde.
Belastete Abfälle müssen aufwendig entsorgt werden
Im Untergrund warteten einige Überraschungen. So waren diverse Gruben auf dem Gelände mit verschiedenen schadstoffhaltigen Materialien verfüllt, die im Zuge der Arbeiten zutage traten. Auch eine alte Messermaschine aus Zeiten des Sägewerks tauchte in einer Grube auf. Mit Asbest belastetes Material wurde in spezielle Deponiebehälter abgefüllt, auch Eternit und weitere mit Schadstoffen belastete Abfälle müssen entsprechend aufwendig entsorgt werden.
"Die Belastungen sind nicht auf das Sägewerk zurückzuführen, sondern schlummern in Baumaterialien, die eben früher verwendet wurden", macht der Hochbautechniker deutlich. Dadurch, dass verschiedene Schadstoffe vermischt wurden, gestaltet sich der Rückbau der alten Gebäude aber entsprechend anspruchsvoll. Es gilt, Schad- und Störstoffe zu trennen und gemäß der heutigen Anforderungen zu recyceln oder zu entsorgen. "Verwerten vor Beseitigen ist heute das Credo", gibt Stefan Lorenz Einblick in das Procedere. Was übrig bleibt, ist stark belastetes Material. "Das kommt wie Atommüll unter Tage", so Lorenz. "Das Abfallrecht ist sehr kompliziert", weiß auch Bürgermeister Martin Link entsprechend aus erster Hand.
Hohe Auflagen machen den Rückbau teuer
Das aufwendige Verfahren dauert lang und ist teuer. Und da das Grundstück im Überschwemmungsgebiet der Streu liegt, gelten noch einmal schärfere Vorgaben. Was sich für eine Kommune schon äußerst schwierig gestaltet, ist für Privatleute kaum zu stemmen. "Hier liegt ein Problem, das meiner Meinung nach viele Gemeinden haben: Der Blick soll mehr auf die Innenentwicklung gelegt werden, doch mit den hohen Entsorgungsauflagen ist es schwierig, Bürger für eine Altbausanierung zu gewinnen", führt Martin Link vor Augen.
Vor eine Herausforderung hat das Abbruchteam auch der alte Kamin auf dem Gelände gestellt. 24 Meter hoch, mit etwa 20 Metern Abstand zur Straße, stand Stefan Lorenz vor der Frage: einlegen oder sprengen? Der Techniker entschied sich letztendlich für die einfachere Variante, die dann auch besser als erwartet umgesetzt werden konnte: Mit einem Bohrhammer wurde der Kamin von oben abgetragen, bis der letzte Rest des schon leicht instabilen Kamins in sich zusammenfiel. "Nicht so spektakulär wie eine Sprengung, aber durchaus effektiv", so der Fachmann.
Weitläufiges Naherholungsgebiet lockt ins Grüne
Im neuen Jahr präsentiert sich das Stockheimer Rothhauptgelände schon deutlich aufgeräumter. Der Abbruch der Altbauten ist nach gut einem halben Jahr geschafft. "Die Nachbarn freuen sich schon über den Ausblick, der nicht mehr von Bauruinen verstellt ist", sagt Martin Link. Doch es kommt noch besser, wenn es an die Gestaltung des Geländes geht.
Das weitläufige Areal soll ein Naherholungsgebiet am Dorfrand werden. In den kommenden Monaten sind die Rekultivierungsarbeiten vorgesehen. Das Gelände wird aufgefüllt und modelliert, die Hänge werden mit Blühhecken gestaltet, Gehwege eingezogen und Relaxliegen aufgestellt. "Dieses Jahr wird am Gelände gebaut, ab 2023 können die Stockheimer dann in schöner Umgebung an der Streu liegen", blickt Martin Link voraus.
Das ganze Areal soll weiterentwickelt werden
Da wird es Zeit, die Förderanträge für die Gestaltung des Geländes auf den Weg zu bringen. Die Kosten für die Renaturierung werden derzeit ermittelt. "Wir hoffen hier wiederum auf eine Unterstützung aus dem Topf der Städtebauförderung", sagt Martin Link.
Zug um Zug soll das ganze Areal weiterentwickelt und ansehnlich gestaltet werden. "Das wird noch einige Jahre dauern", so der Gemeindechef. Doch er ist guter Dinge. In den vergangenen Jahren haben sich auf dem weitläufigen Industriegelände bereits neue Betriebe angesiedelt, die für eine Aufwertung sorgen. Das Areal umfasst heute unter anderem die Taekwondo-Schule Rhön-Grabfeld, eine Autowerkstatt, eine Brauerei, einen Recyclingbetrieb, eine Schreinerei und ein neues Wohnhaus. Und mittendrin entsteht das Freizeitgelände mit Blick auf die Streu. Schöne Aussichten!