Michael Tulit aus Unterelsbach ist ausgebildeter Baumwart und bewirtschaftet selbst Streuobstwiesen. Er ist zertifizierter Natur- und Landschaftsführer, der sich mit der Entstehung, Geschichte und den Besonderheiten der Natur in der Rhön bestens auskennt. Das "Rhöner Gewächs" hat vielseitige Erfahrungen in der Landschaftspflege und im Biotopschutz.
Aus der Feder Tulits stammt eine neue Projektidee: Gemeinsam mit interessierten Streuobstbewirtschaftern aus Rhön-Grabfeld soll im Rahmen eines Projekts namens "Birnensaft aus Streuobst" Birnensaft produziert und vermarktet werden, um so eine wirtschaftliche Nutzung von Birnen aus Streuobstbeständen zu ermöglichen. Die Agrokraft hat sich der Umsetzung dieses Projekts verschrieben. Michael Tulit fungiert als Projektleiter.
Warum der Apfel heute eine größere Bedeutung als die Birne hat
Zu früheren Zeiten, so berichtet der Unterelsbacher, hatten Birnen eine viel größere wirtschaftliche Bedeutung als heute, vergleichbar mit der des Apfels. So wurden gerade die sehr robusten Wirtschafts- und Mostbirnen in Bayern in vielen ländlichen Gebieten angebaut. Mengenmäßig war früher die Birnen gleichgestellt mit dem Apfel.
Heute ist das anders: Die unterschiedliche Verwertung (Tafelobst, Einwecken, Kochbirnen, Most, Schnapsbrennen) der Birnen spielt heut kaum eine Rolle mehr. Die entsprechenden Sorten sind in Vergessenheit geraten. Ganz im Gegensatz zum Apfel, der aufgrund der relativ einfachen Möglichkeit der Verarbeitung zu Saft gut und gerne in großen Mengen verarbeitet wird.
Die Birne ist klimatisch besser an die heutigen Bedingungen angepasst als der Apfel
"Die Birne", so der Fachmann, "ist jedoch an unsere heutigen Klimabedingungen mit zahlreichen Trocken- und Hitzephasen viel besser angepasst als der Apfel." Diese Frucht müsste daher eigentlich auch heute in größerem Umfang in Streuobstwiesen oder sonstigen Agroforstsystemen angepflanzt beziehungsweise vorhandene Bäume in Pflege gehalten werden. Leider ist aber der Anbau der Birne derzeit meist nicht wirtschaftlich.
Die Birne wird im vollreifen Zustand teigig und mehlig und kann so nicht gepresst werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass die Birne in größerem Maßstab kaum verarbeitet wird. So werden aktuell auch kaum neue Birnen angepflanzt.
Agrokraft-Projekt: Birnensaft aus Streuobst produzieren und vermarkten
Die Agrokraft mit Michael Tulit als Projektleiter möchte dies ändern und hat das Projekt "Birnensaft aus Streuobst" ins Leben gerufen. Gemeinsam mit interessierten Streuobstbewirtschaftern, beispielsweise einer Erzeugergemeinschaft, soll Birnensaft produziert und vermarktet werden, um so eine wirtschaftliche Nutzung von Birnen aus Streuobstbeständen zu ermöglichen. Ein gemeinsames Produkt mit gemeinsamer Vermarktung, sowie die Optimierung von Erntetechnik und Logistik, sollen dazu beitragen.
"Wichtig ist es dafür erst einmal, die richtigen Sorten zu definieren und das Potential zu erfassen", so Michael Tulit. Ziel des Projekts sei es, die Bewirtschaftung von Birnenbäumen (Bestand und potenzielle Neuanpflanzungen) durch die Produktion von Birnensaft wirtschaftlich zu gestalten und eine Verwertung der Ernte zu gewährleisten.
Gerade in der Rhön gibt es sicherlich noch viele alte und unbekannte Birnensorten
Die Wertigkeit der Birne soll dabei wieder ins Gedächtnis gerufen werden. Und auch die noch vorhandenen Birnensorten sollen bestimmt werden. Gerade in der Gegend der Rhön werden noch sehr viele alte und auch unbekannte Birnensorten erwartet, die noch entdeckt werden müssen. Wir erhoffen uns von diesen Sorten des Potentials zur mehr Widerstandskraft gegenüber Krankheiten und Klimaveränderungen.
Gefördert wird das Projekt "Birnensaft aus Streuobstwiesen" durch die Europäische Innovationspartnerschaft für Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit, eine Förderinstrument der EU mit dem Ziel, Innovationen im Agrar- und Forstsektor zu stärken.
Warum man dennoch nicht Äpfel mit Birnen vergleichen kann
Kann die Birne also bald den Apfel ersetzen? "Nein, man kann ja nicht Äpfel mit Birnen vergleichen!", schmunzelt Michael Tulit. Die Birne sei aber auf jeden Fall eine sinnvolle Ergänzung zu Äpfeln. In jedem Fall ist sie an trockene und heiße Standorte besser angepasst. Hier sei es sinnvoll, dass die Birne zukünftig den Apfel ersetzt.
Zum Projektstart gibt es aktuell erste Landwirte und Streuobstwiesenbewirtschafter, die ihre vorhandenen Birnenbestände nutzen wollen oder sogar schon Birnen pflanzen. Als nächstes möchte die Agrokraft eine Art "Probelauf" mit Ernte, Pressen und Abfüllen laufen lassen. Hierfür werden noch Birnen gesucht um die benötigte Mindestmenge zusammen zu bekommen. Es können sich auch gerne weitere Interessenten melden, auch wenn sie in diesem Jahr keine Birnen an den Bäumen haben.
Falls Interesse besteht, bittet Michael Tulit Streuobstwiesenbewirtschafter um Kontaktaufnahme per E-Mail (michael.tulit@agrokraft.de) mit Angabe der Menge und Alter der Bäume und der Sorte.