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WEISBACH
Michael Tulit ist auf die Nuss gekommen
Auf dass es wachse und gedeihe: Die Haselnuss soll dort angebaut werden, wo sie auch in der Natur in großer Zahl vorkommt, wie in der Rhön. Michael Tulit aus Weisbach hat eine Versuchsfläche angelegt: auf dem Bild (von links) der stellvertretende Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands Willibald Mültner (Nordheim), Projektleiterin Johanna Düring (Agrokraft), Emma Nitsch, Michael Tulit und Carola Nitsch (Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Mittelfranken) und Jakob Düring.
Foto: Marion Eckert | Auf dass es wachse und gedeihe: Die Haselnuss soll dort angebaut werden, wo sie auch in der Natur in großer Zahl vorkommt, wie in der Rhön.
Von unserer Mitarbeiterin Marion Eckert
 |  aktualisiert: 15.12.2020 16:39 Uhr

Der Haselnussstrauch ist in der Rhön nun wirklich keine Seltenheit, an fast jedem Wegesrand ist er anzutreffen – und nun auch in Weisbach auf einer Versuchsfläche. Landwirt Michael Tulit hat auf einer Versuchsfläche nahe dem Ortsrand von Weisbach 76 Haselnusspflanzen gesetzt, um gezielt die Standorttauglichkeit von Kultursorten zu testen; und um für sich eine weitere Einkommensquelle zu erschließen.

„Nach der Übernahme des Familienbetriebs war ich auf der Suche nach alternativen Bewirtschaftungsformen und -kulturen, um den landwirtschaftlichen Kleinbetrieb wirtschaftlich weiterführen zu können“, erklärte er. Nach der Anlage einer Streuobstwiese mit Kern- und Steinobst sowie Walnüssen habe er als Ergänzung die Idee der Agrokraft aufgegriffen. Der Bayerische Bauernverband versucht mit Carola Nitsch vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Mittelfranken den Haselnussanbau im Landkreis Rhön-Grabfeld anzusiedeln und zu betreuen.

Eingerichtet wurde eine Versuchsfläche, auf der drei Jahre zuvor Luzerne angebaut wurde, die sehr tiefe Wurzelkanäle hinterlässt. Die Bodenvorbereitung war also getan, dann wurden in den vergangenen Wochen die Haselnusspflanzen gesetzt, die aus zehn verschiedenen Kultursorten stammen, um zu testen, welche für den jeweiligen Standort geeignet ist.

Extensiv bewirtschaften

Die Fläche möchte Michael Tulit extensiv bewirtschaften, ähnlich der Anlage einer Streuobstwiese, um einerseits Kosten und auch die Umweltbelastung niedrig zu halten. Es handelt sich um Veredelungen auf die türkische Baumhasel, die im Gegensatz zur europäischen Hasel ein Tiefwurzler ist, so könne nach der Bewurzelungsphase auf Bewässerung verzichtet werden. Die Baumhasel sei stammbildend, zusätzlich werden weite Reihen und Baumabstände eingehalten, dies führe zu einem für die Rhön noch typischen Charme einer Streuobstwiese. Ferner habe es keinen Plantagencharakter. Außerdem soll der weite Abstand durch viel Licht und Luft in der Anlage, Pilz- und Bakterienkrankheiten verhindern.

Einen großen Vorteil sieht Michael Tulit im Standort am Ortsrand von Weisbach, in dem großen Vorkommen von Wildhaseln, die eine ausreichende Bestäubung der pollenärmeren Kultursorten gewährleisten. Die Fläche ist komplett eingezäunt, um Hasen außen vor zu halten. Bewusst wurde der Zaun sehr hoch gebaut, um bei Schneeverwehungen dem Wild keine Möglichkeit zu bieten über den Zaun in die Anlage zu kommen.

Ökologisch erzeugt

Mit der Versuchsfläche möchte Tulit nicht nur die Standorttauglichkeit der Haselnusspflanzen testen, sondern natürlich auch ökologisch erzeugte Haselnüsse direkt aus der Region produzieren. Eine Bio-Zertifizierung sei angestrebt. Allerdings wird er auf den ersten Ertrag einige Jahre warten müssen. Experten rechnen mit fünf bis sieben Jahren. So eine Kultur kann dann aber locker bis zu 60 Jahren alt werden. „Es ist mir klar, dass es eine langfristige Investition ist. Aber irgendwann muss man ja mal anfangen.“

Es gebe vielfältige Potenziale bei der Erzeugung von Lebensmitteln, doch für den einzelnen Landwirt seien sie oftmals mit Risiken und hohem Arbeitsaufwand verbunden, dazu zähle auch der Haselnussanbau, erläuterte Projektleiterin Johanna Düring von Agrokraft. Hohe finanzielle Investition müssen getätigt, spezialisiertes Wissen erworben werden und Zeit in die Erzeugung investiert werden. Ziel der Überlegungen von Agrokraft und des Bauernverbandes sei es, dieses Risiko auf mehrere Schultern zu verteilen. „Landwirte schließen sich zusammen, um gemeinsam Potenziale zu erschließen, die für den Einzelnen nicht nutzbar wären.“ Seit 2011 beschäftige sich Agrokraft mit Haselnusskulturen. Aus heimischer Produktion stamme derzeit ein verschwindend geringer Marktanteil, fast der gesamte Bedarf werde importiert. „Dabei ist die deutsche Nuss extrem schmackhaft und gerade für Hochpreisprodukte wie Schokolade und Eis hervorragend geeignet.“ Doch der Einstieg in den Haselnussanbau bedeute ein unternehmerisches Risiko, da er arbeits- und kostenintensiv sei und Vollerträge erst nach mehreren Jahren zu erwarten seien. „Ziel wäre es, dieses Risiko zu verteilen und Haselnusskulturen in Gemeinschaft mehrerer oder vieler Landwirte anzulegen.“

Derzeit gibt es neben Michael Tulit in Weisbach mit Schleicher in Sulzdorf noch einen zweiten Betrieb, der Haselnüsse anbaue in Rhön-Grabfeld. „Von ihren Versuchsflächen versprechen wir uns Erkenntnisse über die Anbauwürdigkeit verschiedener Sorten unter den Standortbedingungen in der Rhön und im Grabfeld. Außerdem hoffen wir, dass das Beispiel dieser Vorreiter Schule macht und auch andere Landwirte sich für den Haselnussanbau interessieren und entscheiden“, sagte Düring.

Carola Nitsch sieht in den Haselnüssen ein Nischenprodukt, dessen Anbau in der Rhön sich durchaus lohnen könne. Da der fast gesamte Haselnussbedarf Deutschlands aus der Türkei importiert werde, gebe es einen großen Markt für regional erzeugte Haselnüsse. Michael Tulit hat sowohl Pflanzen gesetzt, die große Früchte für den Verzehr hervorbringen, wie auch Nüsse, die für die Verarbeitung geeignet seien. Deutschland sei der weltgrößte Verbraucher an Haselnüssen, alleine die beliebte Nuss-Nougatcreme sei ein Produkt für das tonnenweise Haselnüsse benötigt werden.

 
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