
"Die Begründung ist fadenscheinig", "Wir kommen uns verarscht vor" oder "Das muss ich der Verwaltung massiv ankreiden": Für den Notizblock gab es bei der jüngsten Sitzung des Bad Königshöfer Stadtrates saftige Zitate zu notieren. Sie verrieten vor allem eines: Ein Teil des Ratsgremiums ist offensichtlich mehr als unzufrieden mit der Informationspolitik im Rathaus.
Auslöser für die emotionalen Redebeiträge war ein Änderungsantrag für den Neubau des E-Centers am Hohen Markstein. Im April des vergangenen Jahres war der Bauantrag im Stadtrat behandelt und positiv entschieden worden. Geplant war seinerzeit noch, dass der Parkplatz des Edeka-Marktes mit versickerungsfähigem Belag gebaut wird und dass das Dach extensiv begrünt wird. Das hätte auch zu den Bestrebungen der Stadt gepasst, Flächenversiegelungen soweit als möglich zu verhindern. Gerade als sehr trockene Region solle jede Chance auf natürliche Wasserkreisläufe genutzt werden.
Gutachten spricht von schwierigen Bodenverhältnissen
Stellvertretender Bürgermeister Peter Kuhn, der in Vertretung von Thomas Helbling die Sitzung leitete, brachte nun aus der Verwaltung Informationen über zwei Planänderungen mit. Laut einem Bodengutachten vom Juli 2022 sei der betroffene Boden des neuen E-Center-Geländes kaum wasserdurchlässig, weshalb man auf versickerungsfähiges Pflaster verzichten wolle.
Auf dem Dach soll anstelle einer extensiven Dachbegrünung jetzt doch nur ein Foliendach entstehen und ein zusätzlicher Bereich für eine große Solaranlage genutzt werden, die neueste Energie-Effizienz-Anforderungen erfüllen soll. Im ursprünglichen Bauantrag bestand die Dachhaut immer schon aus einem Foliendach. Kompensiert werden soll die wegfallende Regenwasserrückhaltung auf Dach und Parkplatz durch eine größere Retentionsmulde.
Eine Dachbegrünung ist in dem Gewerbegebiet für Flachdächer über 100 Quadratmeter keine Verpflichtung mehr, der Bauausschuss hatte einen entsprechenden Passus im März 2021 nämlich gestrichen. "Dieser Tektur-Antrag wurde als laufende Angelegenheit behandelt, da sich dadurch unwesentliche Änderungen ohne Außenwirkung ergeben haben", dieser Satz aus der Vorlage barg Zündstoff, den die Verwaltung und damit auch Bürgermeister Thomas Helbling so wohl nicht erwartet hatten.
Genehmigung "in einem Handstreich"?
Denn sehr gerne hätte sich das Stadtratsgremium mit dem Thema auseinandergesetzt. "Die Verwaltung hat das in einem Handstreich genehmigt. Das ist sehr ärgerlich", schimpfte zum Beispiel die Grünen-Stadträtin Sabine Rhein. Der Edeka-Antrag mit der Dachbegrünung und dem durchlässigen Pflaster sei von Anfang an "fadenscheinig" gewesen, dem Stadtrat sei "Zucker in die Augen gestreut worden", sagte Rhein weiter.
Von Frank Helmerich bekam sie Unterstützung. Die "doppelte Versiegelung" gefiel dem Stadtrat vom Team 2020/Fraktion 20plus ebenso wenig wie die Bearbeitung des Tektur-Antrages im Hintergrund. Der Tektur-Antrag komme denkbar unpassend, wenn die Grabfeld-Allianz 2025 zum "Jahr des Wassers" ausrufe, so Helmerich weiter.
"Ich komme mir total verarscht vor", wollte auch Maria-Theresia Geller von der Liste Eyershausen nicht an sich halten im Ausdruck. Petra Friedel von den Aktiven Bürgern Bad Königshofen hätte es lieber gesehen, wenn das Thema noch einmal im Bauausschuss behandelt worden wäre. "Wozu brauchen wir überhaupt einen Bauausschuss?", fragte Steffen Ott vom Team 2020, wenn die Verwaltung so wenig Transparenz schaffe. "Das war eine ganz falsche Nummer, das muss ich der Verwaltung massiv ankreiden", zürnte Ott.
Den Firmen nicht alles vorschreiben
Weniger Probleme sah zum Beispiel Gerald Kneuer vom Bürgerblock der Stadtteile aus Gabolshausen. "Es ist vielleicht nicht schön. Aber wir haben mit unserem Verzicht auf Dachbegrünungen auch erreichen wollen, dass wir den Firmen nicht alles vorschreiben", so Kneuer. Peter Kuhn erwähnte die Mehrkosten, die dem Bauherren durch das größere Retentionsbecken entstünden.
Roland Köth vom Block Freier Wähler versuchte, die Wogen etwas zu glätten. Auch er fand, dass dem Stadtrat hier Sand in die Augen gestreut worden sei. Letztendlich könne das Gremium die Pläne aber nicht ablehnen, weil sie den Festsetzungen im Bebauungsplan entsprechen. Edeka hätte von Anfang an nur ein Foliendach errichten können. "Allerdings ist das nicht der Stil, den man sich wünscht", so Köth. CSU-Stadtrat Anton Fischer bedauerte, dass die Geschichte "ein G'schmäckle", habe, an der sich insbesondere Privatleute ein schlechtes Vorbild nehmen könnten.
Bad Königshofen ist jetzt Fair-Trade-Stadt
Bleibt ein Stadtrat zurück, der sich in Teilen sehr unfair behandelt fühlte. Da war die Nachricht von Sabine Rhein beinahe nur ein schwacher Trost, dass Bad Königshofen als 900. Kommune in Deutschland zur "Fair-Trade-Stadt" erhoben wurde. Das Ganze soll gebührend gefeiert werden. Petra Rhein startet eine Spendenaktion, um Gelder zu sammeln für zwei entsprechende Schilder, die ähnlich wie in Bad Neustadt auf die Fair-Trade-Auszeichnung hinweisen.