Ein blau gekachelter Ofen, eine umlaufende Eckbank in Eiche-rustikal, ein Kreuz im "Herrgottswinkel": Traditionelle Wirtshäuser wie der "Goldene Stern" in Niederlauer sind mehr als ein Ort für das Feierabendbier. Sie sind ein Stück Heimat oder "Dehemm", wie man in Niederlauer sagen würde. Wenn Kriemhild Knaier nach ihrer diesjährigen Silvesterfeier die Wirtschaft schließt, wird das für immer sein. Dann verliert der Ort nicht nur sein letztes Gasthaus, sondern auch einen Treffpunkt, eine Feierstätte, eine Schafkopf-Stube und mehr.
"Es hat mir immer Spaß gemacht. Wenn ich noch keine 66 wäre, hätte ich bestimmt noch ein paar Jahre weiter gemacht", erzählt Kriemhild Knaier. Gegründet 1576 als "Gemeine Schankstatt", befindet sich das Gasthaus seit 1910 im Besitz der Familie Knaier. Auf Theodor Knaier folgten Ferdinand "Ferdl" und Paula Knaier, die von Ferdls Schwester Agnes unterstützt wurden.
Kriemhild Knaier aus Bad Neustadt lernte im Allgäu den Beruf der Köchin
Kriemhild Knaier stammt aus der Bad Neustädter Gartenstadt und ließ sich im Allgäu zur Köchin ausbilden. Zurück in der Heimat, lernte sie ihren späteren Ehemann Willibald, den Sohn der Wirtsleute Ferdl und Paula Knaier, kennen. "Ich hätte auch als angestellte Köchin weitergearbeitet. Dass ich 1987 das Gasthaus übernahm, hat sich ergeben", erzählt Knaier. Sie und ihr Gatte hatten bereits einige Zeit zuvor ihr Wohnhaus direkt an die Wirtschaft angebaut.
Seit mehreren Jahren bewirtet Knaier anlassbezogen zusätzlich zur Gaststätte das Bürgerhaus direkt daneben, was sie nach der Gasthaus-Schließung beibehalten will. Ihr Mann, ihre Kinder mit Ehepartnern, Mutter Rosi und Cousine Margot hätten ihr all die Jahre geholfen, so Knaier. Doch alle würden älter, sie selbst habe das Rentenalter auch erreicht. Deshalb sei es Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. Einen Nachfolger gibt es nicht, die Kinder haben andere Berufe gewählt.
"Die Kriemhild" ist das letzte Gasthaus in Niederlauer
Damit endet die Ära "Gaststätte in Niederlauer". Bis vor einigen Jahren existierte im Ort noch das Gasthaus "Zum Wiesengrund", aus dem später das "Café am Blauen Tor" wurde. Außerdem gab es ein öffentliches Café im Seniorenheim "Rhön-Residenz". Alle sind mittlerweile geschlossen.
Die Kriemhild ist geblieben. Sie scheint so unverwüstlich wie der Charme ihres urigen Wirtshauses. Ein Schaufenster, hinter dem sich bis Mitte der 1990er-Jahre der Gemischtwarenladen der Familie Knaier befand, durchbricht dessen Fassade. Ein Fähnchen kündet davon, dass es im Sommer Eis gibt. Neben dem Eingang hängt die Speisekarte: Serviert wird fränkische Brotzeit, warme Speisen kocht Kriemhild Knaier auf Anfrage oder zu besonderen Ereignissen wie Faschingskehraus oder Silvester.
Ins Innere der Wirtschaft führt eine Holztür. Im Flur prägen Sichtbalken, eine alte Holz- sowie eine Steintreppe mit gusseisernem Geländer das Bild. Geradeaus geht es in den holzgetäfelten zweiten Gastraum, den einstigen Tanzsaal.
Die Niederläurer Dorfnamen bereiteten Kriemhild Knaier anfangs Schwierigkeiten
In der Gaststube rechts der Tür reihen sich Pokale diverser Meisterschaften der Ortsvereine aneinander. Der "Herrgott" blickt aus dem Herrgottswinkel hinunter auf die Gäste. Er behält für sich, was er sieht und hört. Gleiches gilt für die Wirtin. "Es gab viel Lustiges, es gab Trauriges", meint sie. Aber: Die besten Anekdoten würde sie niemals ausplaudern. "Eine Wirtin hört und schweigt", sagt Kriemhild Knaier.
Und schmunzelt, als sie – die gebürtige Bad Neustädterin – an ihre Anfangszeit in Niederlauer zurückdenkt. "Ich wurde gut aufgenommen. Aber mit den Spitznamen vieler Niederläurer, den Dorfnamen, hatte ich es nicht leicht. Bei manchem dachte ich jahrelang, sein Dorfname wäre sein Nachname", sagt Knaier und lacht.
Eierpfannen zu Ostern waren legendär im Gasthaus Stern in Niederlauer
Legendär seien die Osterfrühstücke gewesen. Da servierten Knaiers bis zu hundert Eier in riesigen Pfannen. Kriemhild Knaier erinnert sich außerdem daran, dass die Regensburger Domspatzen ein Konzert in Bad Neustadt gaben und danach bei ihr weitersangen. "Das ist bestimmt 30 Jahre her", sinniert sie.
Heute kennt die 66-Jährige auch dank Taufen, Geburtstagsfeiern, Tröstern und Ehejubiläen fast jeden und jede im Ort – mit dem Dorf- und dem echten Namen. Die Gäste trinken bei Kriemhild ihr abendliches Bier, treffen sich am Schnitzel-Samstag, bestellen auf Dorffesten wie der Maibaumaufstellung oder dem Adventszauber eine Bratwurst oder am Seniorennachmittag Kuchen und "Wienerlich".
Schließung der Wirtschaft in Niederlauer fällt Kriemhild Knaier nicht leicht
Wie fühlt es sich an, nach so vielen Jahren die Gaststätte zu schließen? Es schwinge Wehmut mit, so Kriemhild Knaier. "Die Gäste werden mir fehlen". Die Wanderer, Senioren, Karter, Radler oder Frühschöppler. "Wenn ich in der Silvesternacht sage: 'Gut' Nacht, kommt gut heim', dann mit einem weinenden und einem lachenden Auge."
Auch wenn ihr die Schließung nicht leicht falle: "Alles hat seine Zeit. Und irgendwann ist Schluss." Ihren Helferinnen und Helfern möchte sie danken und ihren Gästen, die über die Jahre immer wieder zu ihr kamen. Sie freue sich darauf, bald mehr Zeit mit Mann Willibald, den Kindern und Enkelkindern verbringen zu können.