zurück
Bad Neustadt/Würzburg
Nach Angriff auf zwei Männer: Was denkt ein Berater für queere Menschen von der Rosa Hilfe über Homophobie im ländlichen Raum?
Ist Homophobie im Landkreis Rhön-Grabfeld gar kein Problem? So heißt es zumindest aus Landratsamt und Rathaus. Was Björn Soldner von der "Rosa Hilfe" dazu sagt.
Ein offenbar homophober Hotelgast griff in Bad Neustadt zwei Männer an. Gibt es beim Thema Homophobie Unterschiede zwischen Stadt und Land? Darüber spricht Björn Soldner von der Rosa Hilfe Würzburg im Interview mit dieser Redaktion.
Foto: Kristina Kunzmann | Ein offenbar homophober Hotelgast griff in Bad Neustadt zwei Männer an. Gibt es beim Thema Homophobie Unterschiede zwischen Stadt und Land?
Kristina Kunzmann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:59 Uhr

Ende Mai berichtete die Polizei vom Angriff eines homophoben Hotelgastes auf zwei Männer in Bad Neustadt. Auch wenn diese, wie die Ermittlungen später ergaben, gar nicht schwul waren, löste die Tat eine gesellschaftliche Debatte aus.

Gründung einer Anlauf- und Beratungsstelle in Rhön-Grabfeld geplant

Wirtin Peggy Pusch aus Bad Neustadt und die beiden FDP-Politiker Ines Palm und Karl Graf Stauffenberg zeigten sich nach dem Vorfall bestürzt und wollen für queere Menschen eine Anlauf- und Beratungsstelle in Rhön-Grabfeld gründen. Bad Neustadts Bürgermeister Michael Werner hält diese nicht für notwendig, da queere Menschen bereits selbstverständlicher Teil der Gesellschaft seien.

Auch eine Regenbogenfahne wolle Werner nicht an städtischen Gebäuden hissen, da so wieder der Blick auf queere Menschen als Minderheit gerichtet werde. Jörg Geier von der Stabsstelle Kreisentwicklung des Landkreises Rhön-Grabfeld sagte auf Anfrage dieser Redaktion, dass Homophobie in Rhön-Grabfeld kein Thema sei.

Björn Soldner berät bei der Rosa Hilfe in Würzburg queere Menschen. Im Interview spricht er über die Unterschiede in Stadt und Land und darüber, wie sich Feindseligkeit gegenüber Queeren äußert.

Frage: Laut Verantwortlichen von Stadt und Landkreis sei Homophobie in Rhön-Grabfeld kein Thema. Können Sie das glauben?

Björn Soldner: Ich bin kein Einwohner in Rhön-Grabfeld und deshalb in dem Fall kein Betroffener. Aber eine so unreflektierte Aussage zeugt von einer gewissen Unkenntnis oder Ignoranz. Wer so etwas sagt, hat sich aus meiner Sicht nicht richtig mit dem Thema beschäftigt.

Björn Soldner (links) von der Rosa Hilfe Würzburg – hier 2019 mit Andy Hausknecht – berät queere Menschen und spricht im Interview darüber, ob es Queere auf dem Land leichter haben als in der Stadt.
Foto: Sabine Dähn-Siegel (Archiv)  | Björn Soldner (links) von der Rosa Hilfe Würzburg – hier 2019 mit Andy Hausknecht – berät queere Menschen und spricht im Interview darüber, ob es Queere auf dem Land leichter haben als in der Stadt.
Gibt es aus Ihrer Sicht denn Unterschiede zwischen Stadt und Land bei diesem Thema?

Soldner: Definitiv. Ich würde nicht nur ein Stadt-Land-Gefälle sehen, sondern es auch an anderen Aspekten festmachen. In Würzburg besteht durch die studentische Prägung eine große Offenheit, die es vielleicht in anderen Großstädten nicht gibt. Da muss man differenzieren. Aber häufig trifft man in Städten oftmals fortschrittlichere Gesellschaftsschichten an als auf dem Land.

Also gibt es zum Beispiel in einer größeren Stadt wie Würzburg keine Probleme mit Homophobie?

Soldner: Doch, ich zitiere den Würzburger Oberbürgermeister, Christian Schuchardt, der am Christopher Street Day gesprochen hat: 'Jeden Tag passiert es auch in Würzburg, obwohl wir so viel tun. Es ist da, man muss es nur sehen und wahrnehmen. Wenn man es sieht und wahrnimmt, ist es omnipräsent'. Es muss gar nicht immer der große Übergriff sein. Es passiert schon ganz viel im Kleinen.

Wie zeigt sich Feindseligkeit gegenüber queeren Menschen?

Soldner: Ich rate zu einem Experiment, um nachzuvollziehen, was allein schon Blicke anrichten können. Laufen Sie mit einem Menschen gleichen Geschlechts händchenhaltend eine Straße entlang. Dann blicken sie in die Gesichter derer, die auf Sie schauen: Manche lächeln einen an, andere kneifen die Augen zusammen. Auch Beschimpfungen gibt es auf offener Straße. Wenn die ablehnende Haltung sehr ausgeprägt ist, wie vermutlich auch bei dem Vorfall in Bad Neustadt, auch Gewalttaten.

Wie verletzend sind solche Diskriminierungen für die betroffenen Personen?

Soldner: Aus unserer Beratungspraxis wissen wir: Je offensiver oder selbstsicherer jemand ist, desto weniger Angriffsfläche für Diskriminierungen bietet er oder sie. Wenn die Person aber ängstlich ist und zum Beispiel extra vorsichtig läuft, belasten solche Attacken stärker. Wer sich zum Beispiel gerade im Coming Out befindet oder als Transmensch in der Findungsphase, ist besonders sensibel und verletzlich. Uns ist wichtig, dass jeder Mensch ein Umfeld findet, in welchem dieser sich frei ausleben kann.

Aber gesellschaftlich und politisch hat sich in den letzten Jahren für queere Menschen viel verändert, oder?

Soldner: Der Paragraf, der gleichgeschlechtliche männliche Handlungen unter Strafe stellt, wurde erst vor weniger als 30 Jahren abgeschafft. Nur zehn Jahre später gab es ein Partnerschaftsgesetz. Da hat sich in kurzer Zeit sehr viel getan. Die Gesellschaft hat Druck auf die Politik ausgeübt, was den Weg zur Ehe für alle geöffnet hat. Auch darüber hinaus gibt es überall Entwicklungen, die nicht nur in eine Richtung gehen: In Polen oder Ungarn wurden gerade erst die wenigen Freiheiten, die queere Menschen hatten, wieder eingeschränkt. Auch solche Meinungen wandern in unser Land ein. Andererseits flüchten aber auch queere Menschen zu uns, um hier ein sicheres Umfeld zu finden.

Sollten Regenbogenfahnen als Zeichen der Solidarität gehisst werden oder teilen Sie das Argument, dass dadurch queere Menschen zu "Minderheiten" gemacht werden?

Soldner: Wir reden ja nicht nur über die eine Minderheit queere Menschen. Es gibt viele andere Minderheiten. Solange Mehrheiten über Minderheiten bestimmen, was sie denn bräuchten, ist es eine fremdbestimmte Situation. Vor allem ist es wichtig zuzuhören, was queere Menschen sagen und fühlen.

Wie kann man queeren Menschen in einer ländlichen Region, wie dem Landkreis Rhön-Grabfeld, helfen?

Soldner: Oft ziehen Menschen aus persönlichen Gründen, wie beispielsweise einem Studium, weg. Aber natürlich geht man dort hin, wo man sich aufgehoben fühlt und es eine Struktur für den eigenen Lebensentwurf gibt. Rhön-Grabfeld wird nie Köln oder Berlin sein. Ich würde im schulischen Umfeld ansetzen, damit die Jugendlichen ihr Coming-out in Offenheit und ohne Angst erleben können.

Rosa Hilfe Würzburg

Bei der Rosa Hilfe Würzburg beraten queere Männer ehrenamtlich andere queere Menschen. Schwerpunktthemen sind Coming-out, Diskriminierungen, Angst vor Vereinsamung und Prävention von Geschlechtskrankheiten. Außerdem Glaubenskonflikte, Beziehungen und Suizid-Gedanken. Die Rate an Suizidgefährdeten ist unter queeren etwa viermal so hoch wie unter nicht-queeren Menschen.
Quelle: Björn Soldner/ku
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Neustadt
Würzburg
Kristina Kunzmann
Bürgermeister Michael Werner
Christian Schuchardt
Ehrenamtliches Engagement
Gesellschaftsschichten
Großstädte
Homophobie
Jörg Geier
Karl Graf
Polizei
Schwule
Stadt Bad Neustadt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • G. A.
    Deppen gibt es überall, ob als Hotelgast oder Ansässiger.
    Buntsein ist schön und wichtig in/ für die Gesellschaft.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. Z.
    Es war ein "Hotelgast" also gar nicht von hier! Nicht dass der aus der offenen Studentenstadt Würzburg kommt! Was für ein Quatsch - ein Thema fürs Sommerloch! Als Hotelgast kommt man nicht von hier! Also kein Thema von und für hier! Bitte mal anfragen woher der Hotelgast kommt und dann machen Sie das mal DORT wo der HERKOMMT zum Thema! Aber ist halt Journalismus ala "BILD" - SEX and CRIME - gut für SEX sind wir hier noch zu ländlich, unsere offene unterfränkische Studenten-Hauptstadt Würzburg verbietet sogar LAYLA. Auf den Parties in Sulzfeld und Saal ist erlaubt. Da sind wir auf dem Land doch nicht so ländlich - oder halt nur sexistisch. Das wäre mal ne Diskussion wert. Aber das hier ist ein Thema für die Heimat aus der der "Hotelgast" kommt. Also bitte mal recherchieren, woher der "Hotelgast" kommt! Nicht dass er aus einer "offenen Großstadt" kommt !
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • I. S.
    Wie oft wird denn dieser Krampf von den schwulen dochnichtschwulen jetzt hier noch aufgekocht ??? Was aus dieser wahrscheinlich harmlosen Schubserei hier alle zwei Wochen für ein Brei angerührt wird ist nicht zu glauben. Immer wieder und immer zu. Ergebnis jedesmal: der "ländliche Raum", zu gut deutsch "die Rhöner Bäuerlich" leben hinter dem Mond und können mit den Bunten nicht umgehen. Aber zu Glück haben wir die MainPost, die bringt uns auf den richtigen Weg. Layla, Winnetou und bunte Fähnchen. Läuft bei uns. Helau!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. A.
    Da habens aber sowas von Recht.
    Wen interessiert so was?
    Die Quote.
    Welche Quote?
    Die der besseren Menschen…
    Wer ist das?
    Die besondere Meinung eines einzelnen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • W. B.
    @Wunderer. Erklären Sie es mir!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • K. L.
    Sommerloch --- oder was ???
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • W. B.
    Die "Unkenntnis und Ignoranz" würde ich eher Hr. Soldner vorwerfen. Keine Ahnung von der Situation in Rhön -Grabfeld aber irgendwas von "fortschrittlicheren Gesellschaftsschichten" in den Städten labern. Was auch immer daran "fortschrittlich" sein soll, Regenbogenflaggen aufzuhängen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Was nützt ein Vorwurf an Herrn Söldner Quiddje, wenn man selbst keine Ahnung vom Thema hat?!?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten