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Bad Neustadt
Eine neue Anlaufstelle für queere Menschen in Rhön-Grabfeld soll entstehen: Was ist geplant und wer kann kommen?
Lesbische, schwule, bisexuelle und transgeschlechtliche Menschen finden in Rhön-Grabfeld kaum Ansprechpartner. Ines Palm, Peggy Pusch und Karl Graf Stauffenberg möchten das ändern.
Karl Graf Stauffenberg, Peggy Pusch (Mitte) und Ines Palm möchten eine Anlaufstelle für queere Menschen in Rhön-Grabfeld schaffen und sie mit heterosexuellen Menschen und Experten in Austausch bringen.
Foto: Kristina Kunzmann | Karl Graf Stauffenberg, Peggy Pusch (Mitte) und Ines Palm möchten eine Anlaufstelle für queere Menschen in Rhön-Grabfeld schaffen und sie mit heterosexuellen Menschen und Experten in Austausch bringen.
Kristina Kunzmann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:00 Uhr

Wenn eine Person lesbisch, schwul, bisexuell oder transgeschlechtlich ist oder es vermutet, hat sie oft viele Fragen: Wie gehe ich damit um? Wie lerne ich, zu meiner sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität zu stehen? Wie erkläre ich es meinem Umfeld? Dann kann es helfen, sich mit anderen Menschen in der gleichen Situation auszutauschen oder sich von Expertinnen und Experten beraten zu lassen.

Ines Palm, Peggy Pusch und Karl Graf Stauffenberg engagieren sich in der Community für LGBTQIA (Anmerkung der Redaktion: Die Abkürzung steht für die englischen Begriffe für lesbisch, schwul, bisexuell, transgeschlechtlich, queer, intersexuell und asexuell) und beklagen, dass in Rhön-Grabfeld eine Ansprechstelle für homosexuelle Menschen fehlt. Sie möchten diese seit längerem schaffen, die aktuelle Situation zeigt aus ihrer Sicht umso mehr wie nötig eine solche Anlaufstelle ist.

Kürzlich wurde ein vermeintlich schwules Paar in Bad Neustadt tätlich angegriffen. Eine lesbische Frau aus Rhön-Grabfeld berichtete dieser Redaktion von verbalen Angriffen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Gibt es im Landkreis Rhön-Grabfeld ein Problem mit Homophobie? "Ja", sagt die stellvertretende FDP-Kreisvorsitzende Ines Palm. Sie hat seit mehr als 20 Jahren hauptsächlich schwule Freunde und ist in der Rhön-Grabfelder LGBTQIA-Community vernetzt.

Peggy Pusch erlebt Homophobie in ihrer Bar in Bad Neustadt

"Ich glaube, dass es im Landkreis schwierig ist, sich als nicht heterosexuelle Person offen zu zeigen. Man kriegt immer wieder Gegenwind mit. So wie die Situation gerade im Landkreis ist, das geht gar nicht", schildert Palm.

Peggy Pusch, die in ihrer Bar "Peggys Wohnzimmer" in Bad Neustadt einen LGBTQIA+-Stammtisch anbietet, nickt. "Ich trau' mich gar nicht mehr, Fahnen aufzuhängen. Sie werden geklaut oder angebrannt und dann liegen sie irgendwo in der Ecke. Mir haben auch schon Personen Bier an die Fenster gespuckt", erzählt Pusch.

Einmal hätten sich zwei lesbische Frauen umarmt, was ein anderer Gast mit "Na, was ist denn da los?" kommentiert habe. Ein kleiner Junge habe an ihrer Tür "Schwule, Lesbisch" gerufen, dabei wisse der doch gar nicht, was das ist. Sein Vater habe ihn noch mit "Pfui"-Rufen angestachelt. 

Warum kaum Gäste aus Rhön-Grabfeld zum LGBTQIA+-Stammtisch kommen

In der Bar von Peggy Pusch in Bad Neustadt zeigen Regenbogenfahnen, dass ihr die Gleichbehandlung von Menschen jeder sexuellen Orientierung wichtig ist. Zusammen mit Ines Palm, Karl Graf Stauffenberg und weiteren Mitstreitern möchte sie einen Verein für Queere in Rhön-Grabfeld gründen.
Foto: Kristina Kunzmann | In der Bar von Peggy Pusch in Bad Neustadt zeigen Regenbogenfahnen, dass ihr die Gleichbehandlung von Menschen jeder sexuellen Orientierung wichtig ist.

"Als ich meinen ersten LGBTQIA+-Stammtisch veranstaltet habe, fragten Gäste, ob sie da mal schauen dürfen. Um dann festzustellen: 'Die sind ja ganz normal.'", so Pusch. Schade findet sie, dass nur wenige Menschen zu ihrem Stammtisch kommen. Und wenn, dann von weiter weg. "Die Neustädter werden nicht herkommen, weil sie Angst haben, erkannt zu werden", vermutet die Barbesitzerin.

Denn laut Ines Palm würden sich viele queere Menschen in Rhön-Grabfeld nicht trauen, ihre sexuelle Orientierung offen zu zeigen. Sie fürchten, sonst nicht mehr akzeptiert zu werden. Viele würden deshalb den Landkreis Rhön-Grabfeld in Richtung größerer Städte verlassen, wo sie freier leben könnten.

Nächste Anlaufstellen sind in Bad Kissingen und Würzburg

Aus Sicht des FDP-Kreisvorsitzenden Karl Graf Stauffenberg sei es mit der Toleranz gegenüber Personen, die nicht der gängigen Norm entsprechen, generell schwierig. Nach seiner Aussage hat das auch mit der dörflichen Struktur zu tun. Das Thema Homophobie werde in Rhön-Grabfeld "totgeschwiegen". Er finde es schade, dass man es überhaupt aufgreifen müsse, denn eigentlich sollte das ein "ganz normales Ding" sein.

In Bad Kissingen gibt es nach Ines Palms Worten eine Jugendgruppe für nicht heterosexuelle Menschen, in Würzburg eine "riesengroße Bubble" für queere Menschen: Expertinnen und Experten im sozialpädagogischen und sexualtherapeutischen Bereich, Arbeitsgruppen, einen Jugendbereich. Dorthin würden sich einige ihrer Bekannten aus Rhön-Grabfeld flüchten. "Sie haben hier einfach Angst. Es muss dringend etwas passieren in Rhön-Grabfeld", sagt Ines Palm.

Was planen die Vereinsgründerinnen und -gründer?

Ziel ist es, einen Verein zu gründen, der sowohl queeren als auch nicht-queeren Personen offen steht. Zudem soll der Druck auf die Politik erhöht werden, offen zuzugeben, dass es in Rhön-Grabfeld Homophobie gibt. In der neuen Institution sollen sich Menschen jeder sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität aufgehoben fühlen.

Sie sollen ihre Sorgen und Nöte "abladen" können und ins Gespräch kommen. Auch Expertinnen und Experten, die queeren Menschen und ihrem Umfeld, beispielsweise Eltern, Tipps geben können, etwa aus dem sozialpädagogischen und sexualtherapeutischen Bereich, sollen eingebunden sein.

"Es soll kein Minderheitentreff werden, sonst verstärkt sich die Ausgrenzung", betont Stauffenberg.  "Wir verbinden uns momentan mit Firmen, Vereinen und Organisationen, auch, um Spendengelder zu generieren, damit wir richtig was machen können. Ich glaube schon, dass wir hier eine tolle und bunte Community zusammenstellen können, denn die Nachfrage ist groß", erklärt Ines Palm.

Das Thema soll in die breite Masse getragen werden, dazu ist außerdem eine Podiumsdiskussion geplant. Mithilfe des neuen Vereins werden, so die Hoffnung, Menschen, die lesbisch, schwul, transgeschlechtlich, bi-, inter- oder asexuell sind, wissen, an wen sie sich in Rhön-Grabfeld wenden können. Und sich vor allem wohl und akzeptiert fühlen – in Gesellschaft anderer queerer wie nicht-queerer Menschen.

 
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