
Die rund 350 Einwohnerinnen und Einwohner von Ginolfs sind bei Bedarf schnell gezählt. Die überschaubare Zahl von Ginolfsern lässt eines nicht vermuten: dass die Dorfgemeinschaft eines der Top-Ereignisse im Rhöner Jahreslauf auf die Beine stellt, nämlich den Weideabtrieb. Heuer war es das 13. Mal. Und es war wieder mächtig was los.
Schon gegen 11 Uhr stauten sich die Fahrzeuge von Weisbach Richtung Ginolfs mit den Passagieren, die entweder noch ein leckeres Mittagessen haben wollten oder sich rechtzeitig postieren wollten für den spektakulären Zug der Herden von den Ginolfser Bergen hinunter ins Tal.
Man hatte den Eindruck, dass es in diesem Jahr noch einmal voller war als in den Vorjahren. Die Neugierde war offensichtlich noch größer bei den Menschen, nachdem die Veranstaltung vor wenigen Wochen noch gar nicht als gesichert galt wegen der Blauzungenkrankheit. Am Ende bestand aber keine Gefahr, die Ginolfserinnen und Ginolfser konnten die Vorbereitungen abschließen für das Großereignis, das in jedem Jahr Tausende in den Oberelsbacher Ortsteil lockt.

Sebastian Schrenk von der Weidegemeinschaft Rhönschaf und Ginolfser Urgestein Harald "Harry Gschmarri" Omert moderierten mit viel Humor durch den Nachmittag. Zu Wort kam dabei auch Karl-Heinz Kolb, der ein Beweidungsprojekt für das Biosphärenreservat leitete und 2008 die Idee für den ersten Weideabtrieb hatte, nachdem ihm ein altes Foto in die Hände gefallen war. Aus kleinen Anfängen wuchs ein Großereignis, das heute nicht mehr aus der Rhön wegzudenken sei.
Die wichtigsten Landschaftspfleger
Auch Susanne Wüst vom Landschaftspflegeverband sprach einige Worte und betonte die Bedeutung der Weidetierhaltung für die Landschaftsgestaltung in der Rhön. "Weidetiere sind der wichtigste Landschaftspfleger", sagte Wüst. Auch sie freute sich, dass die Ginolfser ihr Großereignis "so bravourös" meistern würden.
Das Lob freute auch Bürgermeister Björn Denner, der den Zusammenhalt in Ginolfs lobte und die vielen Aktivitäten im Dorf auch für einen nachhaltigen Tourismus und für eine regionale Gastronomie. Auch im Kindergarten spiele die Bedeutung des Biosphärenreservats-Gedankens eine ganz besondere Rolle, so Denner weiter.

Unterdessen säumten viele Hundert Besucher die Trasse, auf der die Tiere von ihren Sommerweiden auf der Hochrhön hinunter ins Tal geführt wurden. Die großen, runden Kuhglocken aus dem Alpenraum hörte man dabei nicht schellen. Stattdessen war die Mitteldeutsche Schmalglocke zu hören, wie sie für diesen Landstrich typisch ist, wie Karl-Heinz Kolb erklärte.
Dann machte das Schauspiel seinen Lauf, das vor allem viele Familien nach Ginolfs geführt hatte. Den Anfang machte die Rinderherde des Biohofes Manger, die mit etwas Verzögerung den Berg hinunter kam und ganz aufgeregt unter den Blicken der vielen Schaulustigen auf ihrer Koppel vor dem großen Bierzelt graste. Die Rhönschafe zogen ebenso zu Tal wie Ziegenherden.
Eigentlich ein Hingucker sind auch die Alpakas von Rhön-Momente aus Ginolfs. Zehn von rund 40 Tieren sollten ebenfalls zu Tal laufen. Aber die Tiere waren etwas aufgeregt und scheuten die Menschenmassen heuer etwas. Aber am Berg konnte man die Tiere, die eigentlich in Südamerika zu Hause sind, gut beobachten.
Wer genug von den Tieren gesehen hatte, konnte nicht nur bei Blasmusik ein Bier oder ein deftiges Essen genießen. Denn verschiedene Ginolfser Betriebe boten ihre Produkte feil, von der Lamm-Wurst bis zum Alpaka-Schal.

Keine Frage, dass auch Stammgast und Landrat Thomas Habermann zusammen mit Innenstaatssekretär Sandro Kirchner den Tag in Ginolfs genoss. Die freuten sich auch, dass mit Julian Schulz der Bundessieger im Leistungshüten in Ginolfs lebt. Der Schäfer durfte sich gar in das Goldene Buch der Marktgemeinde eintragen.
Die Kühe, Schafe, Ziegen und Alpakas ließen sich von solchen Nebenschauplätzen nicht sonderlich ablenken und zupften hungrig vom saftigen Gras der Ginolfser Wiesen. Wohl wissend, dass sie an diesem Tag die Hauptdarsteller waren. Schließlich ist die Rhön zu einem guten Teil nur ihretwegen so schön.