Der Wettergott, der für das Grabfeld zuständig ist, ist durchaus ein Freund von Demokratie und Vielfalt, auch wenn die Zusammenstellung von Sonne, Schauern, blauem und grauem Himmel dann doch etwas zu bunt geriet am Samstag zur Mittagszeit. Aber das Wetter wollte offenbar nur so bunt und vielfältig sein, wie es sich die große Demonstrantenschar von der deutschen Gesellschaft wünscht.
Zwischen Hoffen und Bangen gingen die Blicke am Vormittag in den Himmel von Bad Königshofen. Für Frank Helmerich, Roland Köth und die anderen Organisatorinnen und Organisatoren der Kundgebung blieb es wettermäßig bis zuletzt spannend, während der riesengroße, aufblasbare Regenbogen über die Bühne gespannt wurde, letzte Technik-Checks gemacht wurden und ein ungünstig geparktes Auto, das nicht anspringen wollte, kurzerhand mit Menschenkraft zur Seite geschoben wurde.
Noch wenige Minuten vor Veranstaltungsbeginn blieb der Marktplatz von Bad Königshofen unerwartet leer. Doch als die Glocken der Stadtkirche extra für die Demo schon zehn Minuten vor Zwölf zum Mittagsläuten schlugen, standen die Demonstrantinnen und Demonstranten parat, um Flagge zu zeigen. Um die 550 Menschen, so die Schätzungen von Polizei und Veranstalter, dürften es am Ende gewesen sein, die wachsender Hetze im Netz, rechtsradikalen Strömungen und dem wachsenden Rassismus im Land ihr Bekenntnis zu Demokratie und Vielfalt entgegensetzten. Der Marktplatz war jedenfalls proppenvoll.
Auch wenn das Thema ernst war: Ein Zusammentreffen in trüber Atmosphäre war der Mittag in der Grabfeld-Metropole nicht. Dafür sorgten schon die Samba-Rhythmen der Gruppe Pocoloco, die von der Hindenburgstraße auf den Marktplatz marschierte und sogleich zu tanzenden Hüftbewegungen führte. Dazu noch die Musikerinnen und Musiker der Berufsfachschule für Musik, schon hatte eine positive Stimmung die Menschen erfasst- und vor allem die Regenwolken vorerst vertrieben.
"Es könnte nicht schöner sein", freute sich Veranstaltungsleiter Frank Helmerich. Er wolle nicht dulden, dass Hass und Hetze weiter zunehmen und gegen die Menschlichkeit gehandelt wird. "Darum ist es gut, dass ihr nicht ruhig seid", rief Helmerich ins johlende Publikum.
"Wir kennen unsere Geschichte. Und es war der 16. März 1945, als Würzburg in Schutt und Asche gelegt wurde", fuhr der Gymnasiallehrer und Kreisrat der Freien Wähler fort. Um so wichtiger sei es, im respektvollen Miteinander zu leben, sagte Helmerich in seiner Begrüßung. Erster Redner des Tages war Bürgermeister Thomas Helbling. "Wir können stolz sein auf unsere Gemeinschaft, die seit Jahren mutig und offen viele Flüchtlinge aufgenommen hat", sagte das Stadtoberhaupt. "Bad Königshofen ist bunt, vielfältig und weltoffen - und das werden wir auch bleiben", so der Bürgermeister unter dem Applaus der Demonstrations-Teilnehmer.
Schulpartnerschaften, Erinnerungsarbeit zur jüdischen Geschichte der Stadt und vor allem das Netzwerk aus Stadt, Museum, Jugendhaus und Volkshochschule leisteten seit Jahren einen wichtigen Beitrag zur Integration: Die Stadt besitze eine lange Tradition der Solidarität und des Zusammenhalts mit den ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Diese Werte müsse die Stadt und müsse das Grabfeld auch in die Zukunft tragen.
Wie schon in Bad Neustadt wenige Wochen zuvor, ergriff auch in Bad Königshofen Landrat Thomas Habermann das Wort. Freiheit und Toleranz würden sich nicht von alleine ergeben. "Die rechtsstaatliche Demokratie müssen wir jeden Tag neu erfinden, sie ist kein Selbstläufer", sagte der Landrat. Der nahm sich ohne falsche Scheu eine Partei vor, deren Namen er nicht nennen wollte, deren Arbeit er aber beobachte.
"Wie die sich im Landtag aufführen, ist zum Erbrechen", redete Habermann Klartext. Er freute sich, dass alle im Kreistag vertretenden Parteien auch in Bad Königshofen dabei seien und erinnerte beispielhaft daran, dass am Rhön-Klinikum-Campus Bad Neustadt über 100 Inderinnen Pflegearbeit leisten würde. Ihnen wie all den Anderen gelte ein "Herzlich Willkommen" in diesem Land.
"Das mit dem Miteinander ist gar nicht so einfach", setzte die leidenschaftliche und gleichermaßen humorvolle Rede von Pfarrerin Tina Mertten ein. Sie erinnerte an getrennte Pausenhöfe für katholische und evangelische Schüler noch vor einigen Jahrzehnten. Umso wichtiger sei heute der Respekt vor dem Menschen, auch vor dem Andersdenkenden. "Respekt ist eine Haltung, die eingeübt werden muss", sagte die evangelische Pfarrerin. "Es ist ein hohes Gut, in Freiheit zu leben und dabei auch die Schwachen im Blick zu haben", fand Mertten eindringliche Worte. "Ich will keine Gesellschaft, wo Ellenbogen das wichtigste Körperteil sind statt Herz und Hirn", so die Pfarrerin unter großem Beifallsklatschen. "Mein Kreuz hat keinen Haken", schloss die Pfarrerin.
Ein Loblied auf die Demokratie sang auch Paula Kachel, Schülerin am Gymnasium Bad Königshofen. "Die Demokratie ermöglicht es uns, für unsere Ideale einzutreten", sagte die Schülerin. Sie wird in drei Wochen 18 Jahre alt. "Ich freu' mich schon, dass meine Stimme zählt für Freiheit und Demokratie", rief sie unter Applaus ins Mikrofon.
Sehr bewegend schließlich auch die Ansprache von Naima Xano. "Ich bin mit meiner Familie aus Syrien hierher gekommen, um ein Leben in Sicherheit führen zu können", sagte die Bad Königshöfer Neubürgerin. "Ich habe mich hier nie einsam gefühlt", zeigte sie sich dankbar für die gute Aufnahme und für die Hilfsbereitschaft der Menschen. "Ich habe hier auch einen Beruf gefunden im Altenheim, der mir viel Freude bereitet", sagte die Syrerin weiter. Sie erinnerte daran, dass sie aus einem Land komme, in dem der Begriff Demokratie ein Fremdwort sei.
Mit Beifall bekundet wurden auch die kurze Ansprache von Roland Köth vom Lions Club Bad Königshofen sowie die nachdenklichen Songs des thüringischen Liedermachers Tilo Schäfer, ehe Frank Helmerich die Kundgebung beendete und die Samba-Trommler und Musikschüler zum Auszug spielten.
Am Ende verschwand dann zwar doch das Blau am Himmel vollends und es regnete Bindfäden. Womöglich ist das aber auch ein politisches Signal des Grabfelder Wettergottes gewesen, dem eine ganz bestimmte politische Farbe im Land derzeit gar nicht gefällt.