Raketenangriffe, Luftalarme, Zuflucht im Schutzraum, Angst sowie Bangen um Verwandte und Freunde - so sieht derzeit der Alltag der Menschen in Israel aus. Brigitte und Günter Henneberger besuchten Israel schon etliche Male. Günter Henneberger betreute am Rhön-Gymnasium in Bad Neustadt über 20 Jahre lang den Schüleraustausch mit der Schule Mikwe Israel südlich von Tel Aviv. Dementsprechend haben er und seine Frau zahlreiche Bekannte und auch Freunde in dem Land im Nahen Osten. Einer davon ist David Avshalom, der auf israelischer Seite lange Zeit für die Schulpartnerschaft zuständig war. Wie haben die drei Freunde die vergangenen Tage erlebt?
"Wir waren sehr erschrocken, als wir die schlimmen Nachrichten aus Israel hörten", sagen Brigitte und Günter Henneberger im Gespräch mit dieser Redaktion. Die Bad Neustädter nahmen sogleich Kontakt auf, um zu erfahren, wie es ihren Freunden geht.
"Wir erleben eine schwere Zeit", lautete eine Antwort von einem älteren Ehepaar aus Jerusalem. Immer wieder würden die Sirenen heulen und man müsse in den hauseigenen Schutzraum eilen. Von dort aus habe man die Detonationen der Raketen gehört, die in der Luft von dem Abwehrsystem "Iron Dome" abgefangen wurden.
Bestürzende Berichte von dem Musikfestival und aus den Kibbuzim nahe der Gaza-Grenze
"We are okay", kam beruhigend eine weitere Antwort von einer israelischen Lehrerin aus Tel Aviv. Aber Freunde von ihr seien in einer sehr schlimmen Situation, schrieb sie auf Englisch, ohne weitere Details zu nennen. Bestürzend seien für sie vor allem die Berichte über die Massaker bei dem Musikfestival und in den Kibbuzim nahe der Gaza-Grenze. Zahlreiche Kinder und ältere Menschen sind unter den Opfern.
"Mit den Angriffen wurde eine neue Qualität erreicht", betont Günter Henneberger. Die Grausamkeit und die Brutalität, die mit der Hamas agierten, seien schockierend. "Es wird noch eine schlimme Zeit kommen", ist sich der 68-Jährige sicher. Und es werde sehr lange - wahrscheinlich über Generationen hinweg - dauern, bis diese Wunden heilen, befürchtet er. Er kennt Israel gut. Circa 20 Mal besuchte er bereits das Land, zuletzt im Mai 2022.
Zeichen der Solidarität: das in israelischen Nationalfarben angestrahlte Brandenburger Tor
Die Hennebergers verfolgen intensiv die Nachrichten. Wichtig ist ihnen auch, Zeichen der Solidarität in Deutschland nach Israel zu senden. Unter anderem das Bild von dem in israelischen Nationalfarben angestrahlten Brandenburger Tor. "Die Israelis sind über Geschehnisse in Deutschland immer sehr gut informiert", weiß Brigitte Henneberger. Die Bilder der jüngsten antijüdischen Demonstrationen würden auch ihren Weg über das Mittelmeer finden. Insofern sei es ihr Wunsch, diese Eindrücke etwas aufzufangen.
Das Ehepaar sorgt sich natürlich um die Freunde. Aktuell gehen sie jedoch davon aus, dass sie sich in Sicherheit haben bringen können. Ob das aber auch für deren Familien oder Bekannte zutrifft, können sie nicht in jedem Fall sagen.
Viele Jahre wurde gemeinsam eine Schulpartnerschaft zwischen Deutschland und Israel betreut
Vor allem steht ihnen David Avshalom nahe. Wie sie befindet sich der Lehrer im Ruhestand. Die langjährige gemeinsame Betreuung der Schulpartnerschaft hat eine Freundschaft entstehen lassen, die längst über das Schulische hinausgeht. Im Herbst vergangenen Jahres waren er und seine Frau zuletzt in Bad Neustadt zu Besuch.
Wie ist es David Avshalom seit dem Angriff am 7. Oktober ergangen? Gegenüber dieser Redaktion erklärte er sich bereit, seine Erlebnisse zu schildern.
Am Samstag, 7. Oktober, heulten in Israel um 6 Uhr die Sirenen: Luftalarm
Gegen 6 Uhr sei er an dem Samstagmorgen von Sirenen geweckt worden, schreibt er über WhatsApp auf Englisch. Diese kündigten den Luftalarm an. Zu der Zeit seien seine Enkelkinder bei ihm und seiner Frau zu Besuch gewesen. Er habe sie geweckt - durchaus in gewisser Panik, gibt er zu. Die Kinder seien ruhig geblieben und gemeinsam habe man im Schutzraum Sicherheit gesucht.
Wie das ältere Ehepaar in Jerusalem hörten auch sie die Explosionen der Abwehrraketen von Iron Dome. Bald sei ihm klar geworden, so Avshalom, dass es sich diesmal nicht wie sonst um vereinzelte Raketen handelt, sondern um ein "Streufeuer von Hunderten von Raketen pro Minute".
Später seien dann die Nachrichten von dem Musikfestival und aus den Kibbuzim bekannt geworden. David Avshalom bezeichnet diese Ereignisse als ein "act of indescribable horror" - ein Akt unbeschreiblichen Horrors.
Mehr Sicherheit vor den Raketen im Norden von Tel Aviv gesucht
Im Schutzraum habe er versucht, seinen beiden 13 und 15 Jahre alten Enkeln, die sonst nicht in Israel leben, das Geschehene zu erklären. "Warum schießen sie? Warum wollen sie uns töten? Was haben wir ihnen getan?", hätten sie gefragt. Sie seien sehr ängstlich gewesen.
Am Sonntag habe er sich dann dazu entschieden, mit der Familie vom eigentlichen Wohnort im Süden von Tel Aviv in den Norden zu wechseln. Weiter entfernt von den bombardierten Gebieten. Die Raketen habe man zwar hinter sich lassen können, schreibt er, nicht jedoch die Berichte über die Entführungen, die Enthauptungen und brennenden Häuser. Diese Ereignisse seien "very outrageous, the heart cries" - abscheulich, das Herz weint.