Als am Samstagmorgen die ersten Raketen der Hamas auf israelischem Staatsgebiet einschlagen, liegt Jonas Engelhart noch im Bett. "Ich bin um 10 Uhr aufgewacht. Da wurde mir gesagt: Jonas, wir sind im Krieg", beschreibt der 23-Jährige, der in der vergangenen Saison noch bei der Zweitvertretung der Würzburg Baskets in der Regionalliga spielte, das Erlebte am Telefon.
Seit Mitte August dieses Jahres wohnt Engelhart bei der Familie seiner israelischen Freundin Noga Maor in einem Dorf rund 50 Kilometer nördlich von Tel Aviv, in drei Wochen wollen die beiden in eine gemeinsame Wohnung in der israelischen Metropole ziehen. Das Studium seiner Freundin sollte eigentlich in der kommenden Woche beginnen.
Zuvor hatte Engelhart in Würzburg American Studies mit dem Nebenfach Political Studies studiert und seine Freundin während des Auslandssemesters in den USA kennengelernt. Sie war Teil der israelischen Beachvolleyball-Nationalmannschaft und weilte während eines Trainingscamps in den Vereinigten Staaten.
Ausnahmezustand seit Samstag
"Nun herrscht seit Samstag Ausnahmezustand", sagt Engelhart. Zwar seien in dem kleinen Örtchen Nitzanei Oz an der Grenze zum Westjordanland noch keine Raketen niedergegangen, in den umliegenden Dörfern aber habe es Raketenalarm gegeben. "Dort haben die Menschen auch Bunker aufgesucht", berichtet Engelhart. Er sei am Samstag mit der Familie seiner Freundin zu Hause geblieben, die Informationslage war noch unsicher. Das öffentliche Leben sei heruntergefahren, nimmt der 23-Jährige wahr. "Man könnte überall hingehen, aber viele Menschen trauen sich nicht mehr raus." Wenn möglich, arbeiteten die Menschen von zu Hause.
In Israel müssen auch Frauen zum Wehrdienst. Am Montag hat Israel 300.000 Reservistinnen und Reservisten der Armee mobilisiert. Seine Freundin würde wegen ihres Status als ehemalige Nationalspielerin wahrscheinlich nicht eingezogen werden, ihrer Schwester könnte das aber drohen, sagt Engelhart. Er selbst kennt keine Betroffenen des Angriffs der Hamas, aber die Familie seiner Freundin habe Bekannte, die unter den Opfern seien oder sich im Kampf gegen die radikalislamische Palästinenserorganisation befänden.
Mutter wünscht sich Rückkehr nach Deutschland
Natürlich habe er darüber nachgedacht, das Land zu verlassen. "Meine Mutter macht sich Sorgen und wünscht sich, dass ich nach Hause komme", sagt Engelhart. Aktuell wolle er mit seiner Freundin aber bleiben, weil es für das Paar auch keine Option sei, den Rest der Familie zurückzulassen. Kontakt zu den deutschen Behörden hatte er noch nicht, aber der Empfehlung, sich in eine Liste einzutragen, in der alle Deutschen in Krisenregionen registriert seien, ist er gefolgt.
Nachdem er nun sein Visum in Israel bekommen hat, befindet sich Engelhart aktuell auf Jobsuche. Er will Journalist werden. In Deutschland habe er unter anderem Praktika bei Radio Gong gemacht und für seine Heimatzeitung in Heidenheim an der Brenz geschrieben. Von seinem ersten Gehaltsscheck will der 23-Jährige ein Spiel des israelischen Basketball-Euroleague-Vertreters Maccabi Tel Aviv besuchen. "Die billigsten Tickets kosten um die 250 Euro", erklärt er. Aktuell seien die Spiele aber ausgesetzt. Mit Partizan Belgrad hat dem israelischen Spitzenklub ein Euroleague-Konkurrent Asyl für die kommenden Wochen angeboten.
An Basketball ist aktuell nicht zu denken
Engelhart selbst hat im Sommer noch mit der Würzburger Uni-Mannschaft in Portugal den vierten Platz bei der Europameisterschaft erreicht. In seiner neuen Heimat trainiert er drei bis vier Mal die Woche bei einem Drittliga-Team mit. Das Niveau vergleicht er mit der hiesigen Regionalliga, wo Engelhart im vergangenen Jahr gemeinsam mit seinem kleinen Bruder David bei der Würzburg Baskets Akademie am Ball war. "Natürlich ist das Training jetzt erst mal eingestellt", sagt Engelhart. An Normalität ist seit dem frühen Samstagmorgen in Israel nicht mehr zu denken.