Vor der Corona-Pandemie gab es einen Schüleraustausch zwischen der Mittelschule Bad Neustadt und den Partnerschulen Zakladni Skola Komenskeho und Zakladni Skola T.G. Masaryka im tschechischen Bílovec. Da zwischenzeitlich kein Besuch möglich war, wünschten sich schon während Corona alle Aktiven des Partnerschaftsgremiums, dass nach der Pandemie die Tradition des Schüleraustausches wieder fortgesetzt werde.
"Es wird eine Zeit geben, wo gegenseitige Besuche wieder möglich sind", sagte die Bad Neustädter Stadträtin Rita Rösch 2021. Drei Jahre später ist der Schüleraustausch wieder im Aufbau, allerdings aktuell nicht mehr mit der Mittelschule, sondern mit dem Rhön-Gymnasium. Wieder mit angestoßen hat das Rita Rösch. Die Stadträtin und Klaus Schiffmann, ein ehemalig beteiligter Mittelschul-Lehrer, erklärten jüngst, wie es dazu kam.
Wie der Schüleraustausch ins Leben gerufen wurde
Eine tschechische Delegation von Lehrern aus Bílovec reiste 1995 nach Bad Neustadt auf der Suche nach einer Austauschschule, schilderte Klaus Schiffmann die Anfänge. Als Mittelschul-Lehrer betreute er von Anfang an den Schüleraustausch mit. Die ehemalige Volksschule Bad Neustadt ergriff die Chance, und auf gegenseitige Besuche von Lehrkräften folgten Schülergruppen. Der erste Schüleraustausch fand 1998/99 mit der Mittelschule statt.
Schnell fiel Schülerinnen und Schülern im Vergleich auf: Das tschechische System unterschied sich von dem deutschen. Bílovec, früher Wagstadt, sei vom jahrzehntelang herrschenden Sozialismus stark geprägt gewesen, erinnert sich Schiffmann: "Die Menschen begannen aber, die alten Fesseln abzustreifen und die neuen Spielregeln der Demokratie aufzunehmen".
Dennoch gab es damals Skeptiker des Schüleraustausches. Vertriebene aus Wagstadt hätten teils wenig Vertrauen in ihre ehemalige Heimat gehabt, so der pensionierte Mittelschullehrer. Nachdem der Schüleraustausch angelaufen und erste Freundschaften entstanden waren, seien die Skeptiker schnell überzeugt gewesen, so Schiffmann.
Auf Schüleraustausch folgte Städtepartnerschaft und Freundschaft
Was folgte, war eine Städtepartnerschaft Bad Neustadts mit Bílovec. Am 8. September 2001 wurde die Partnerschaftsurkunde unterzeichnet und die Partnerschaft war sehr lebendig.
Durch die Corona-Pandemie und den Bürgermeisterwechsel auf beiden Seiten kurz zuvor, sei der Kontakt dann aber doch abgebrochen, erklärte Rösch. Sie selbst wurde während der Pandemie zur Referentin der Städtepartnerschaft gewählt.
Krieg in Europa: Jugend muss sich international begegnen
Die Verantwortung für den Austausch übernahm Rösch mit Überzeugung: "Gerade jetzt, wo Krieg in Europa herrscht, muss sich Jugend wieder international begegnen." Ihr Ziel ist, den Austausch wieder aufleben zu lassen.
Dafür hatte die SPD-Stadträtin zuerst Kontakt mit Bílovecs Bürgermeister Marin Holub aufgenommen. Eine gemeinsame Reise mit Bürgermeister Michael Werner und Lehrern in die tschechische Stadt folgte. Vor Ort äußerte ein Deutschlehrer des dortigen Gymnázium Mikuláše Koperníka Interesse an einem Austausch. Aufgrund des Ukraine-Kriegs hatte inzwischen an der tschechischen Schule Deutsch Russisch als Fremdsprache abgelöst. Entsprechend ist auch vor diesem sprachlichen Hintergrund ein Austausch sinnvoll.
Erasmus+ fördert den Schüleraustausch
Auch Verantwortliche des EU-Programms Erasmus+ sahen Parallelen zwischen dem Bad Neustädter Rhön-Gymnasium und dem in Bílovec. Erasmus+ ist ein Programm zur Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport in Europa. Beide Gymnasien bieten ökologische und musikalische Projekte an. Über diese Programme solle der Schüleraustausch künftig gefördert werden, so Rösch.
Die Musiklehrer beider Schulen haben inzwischen ein Konzept entwickelt: "An beiden Gymnasien gibt es ein jährliches Schülerkonzert, daran werden wir gegenseitig teilnehmen", erläuterte die Schulleiterin des Rhön-Gymnasiums, Kerstin Vonderau. Mit dem Auftritt der Musikband aus Bílovec beim Konzertabend RG-Launge in Bad Neustadt ist ein erster Schritt getan. Sechs Schülerinnen und Schüler waren gemeinsam mit einer Lehrkraft aus dem ehemaligen Wagstadt angereist. Die tschechischen Jugendlichen kamen alle in Schülerfamilien aus der Region unter.
Der Schüleraustausch soll weiterhin bestehen bleiben, so Vonderau. Die Lehrer der Gymnasien seinen sehr engagiert und "tüfteln" derzeit daran, wie Zusammenarbeit und Austausch weitergehen soll. In Planung ist derzeit auch ein Gegenbesuch im kommenden Jahr. Künftig soll neben dem musikalischen auch ein ökologisches Projekt angeboten werden.
Was wurde aus dem Schüleraustausch der Mittelschule
Auch die Mittelschule Bad Neustadt sei bemüht, den Schüleraustausch nach der langen Corona-Pause wieder aufzubauen, erklärt Mittelschullehrerin Martina Müller. Ganz einfach ist das offenbar nicht: "Es ist nicht so, dass die deutschen Kinder nicht nach Tschechien wollen, aber die Schülerinnen und Schüler aus Bílovec wollen anscheinend nicht mehr zu uns."
Eine Gruppe von deutschen Mittelschülerinnen und Schülern reiste bereits im Dezember des vergangenen Jahres nach Bílovec. Der Beweggrund war die Einladung zum Bílovec Cup 2023. Das ist ein internationaler Fußballballwettkampf, ausgerichtet von der tschechischen Stadt. "Die Teilnahme war ein Versuch, um wieder miteinander warmzuwerden", so Martina Müller, die begleitende Lehrerin.
Ein Neuanfang nach der langen Corona-Pause ist von Bad Neustädter Seite an diversen Stellen angestoßen. "Städtepartnerschaften sind wichtige Säulen des Friedens und eines vereinten Europas", betonte Rita Rösch. Und Schüleraustausche sind entscheidend für deren Lebendigkeit und Kontinuität.