zurück
Bad Neustadt
Hält der Fahrrad-Boom an? Das sagen Händler aus der Rhön
Gefühlt sieht man derzeit nur E-Bikes auf Radwegen. Im Netz kursieren Nachrichten, dass die Lager teilweise komplett leer geräumt sind. Was sagen Händler in Rhön-Grabfeld?
Nicht wenige Menschen fahren derzeit mit dem Rad zur Arbeit. Ulises Ruiz aus Würzburg macht das mit seinem E-Bike.
Foto: Silvia Gralla | Nicht wenige Menschen fahren derzeit mit dem Rad zur Arbeit. Ulises Ruiz aus Würzburg macht das mit seinem E-Bike.
Michael Nöth
 |  aktualisiert: 08.02.2024 22:57 Uhr

Auch Radler müssen rasten. Beispielsweise auf der Bank am Radweg zwischen Herschfeld und Heustreu. Unter einem schattigen Baum kann man gut Feldstudien betreiben. Und vorbeifahrende Radfahrer begutachten. Der erste, sehr subjektive, Eindruck an diesem Sonntagvormittag: E-Bikes, E-Bikes und noch einmal E-Bikes.

Werden derzeit mehr E-Bikes verkauft als Bio-Bikes?

Da gehen die Beobachtungen der heimischen Radhändler etwas auseinander. Enrico Bohn, Filialleiter beim Rhöner Cube Store in Nordheim, sieht "gefühlt 80 Prozent seiner verkauften Räder mit Motor ausgestattet". Beim genauen Hinsehen sagt er aber, dass sich das Verhältnis bei ihm bei 50:50 eingependelt hat.

Teresa Raab vom gleichnamigen Radhaus in Bad Neustadt setzt die E-Mountainbikes an die Verkaufsspitze vor den E-Trekking- oder E-Cross-Rädern. Erst dann kämen normale MTBs.  Bernhard Wolf von "DerWolf" in Bad Neustadt sagt dagegen: "Wir haben eine sehr sportive Kundschaft. Bei uns werden mehr Bio-Bikes gekauft als E-Bikes."

Jürgen Gaul von eBike-Pro, ebenfalls in Bad Neustadt, sieht aus seiner Firmen-History heraus den Anteil der E-Bikes bei 80 Prozent liegen. Aber auch Bio-Räder im MTB-, Gravel- und Rennrad-Segment werden gut nachgefragt. "Uns fehlen die Klassiker ohne E, die meiner Meinung nach aber bald vom Markt verschwinden werden."

E-Bikes boomen. Gibt es künftig nur noch Akku-Räder?
Foto: Silvia Gralla | E-Bikes boomen. Gibt es künftig nur noch Akku-Räder?

Gibt es noch genügend Räder in den Läden?

Bernhard Wolf ist bei dieser Frage entspannt. "Wir haben im Preissegment zwischen 2500 und 4000 Euro viele Nachfragen, die wir aufgrund der Lieferproblematik nicht alle erfüllen können." Da gebe es nicht mehr die Masse, wie in früheren Jahren. In der höheren Preisklasse könne er aber viele Kundenwünsche erfüllen. "Und auch da gibt es viele Anfragen!"

Teresa Raab weiß auch, dass der Nachschub an Rädern in diesem Jahr nicht mehr "so flüssig" ist wie zuvor. "Unser Laden ist nicht leer. Bei uns gibt es noch E-Bikes, weil wir viele Marken im Angebot haben." Sollte ein Kunde ein spezielles Rad wollen, "könne man ihm zeitnah seinen Wunsch erfüllen, wenn er etwas flexibel ist".

Enrico Bohns Verkaufsfläche bei den E-Bikes in Nordheim ist nahezu leer. "Wir bestellen für unsere Kunden meist im Voraus. Und müssen dann warten, bis die Ware geliefert wird."

"Wir bekommen wöchentlich homöopathische Dosen an Rädern, es kommt zum Glück immer was nach!", sagt Jürgen Gaul. Er verkaufe nach Bestellung. Dafür stehe er im engen Kontakt mit den Lieferanten, die feste Liefertermine vorlegen.

Wie lange dauert es, bis derzeit ein bestelltes Bike ausgeliefert wird?

Da antworten alle Rhöner Händler unisono: 5 bis 6 Monate! Grund sei der Material-Mangel bei den Herstellern. Das werde in diesem und auch im nächsten Jahr noch anhalten, prophezeit Bernhard Wolf. Bei Gaul reicht die Frist für bestellte Ware teilweise bis Mitte nächsten Jahres. Lieferketten brechen immer wieder weg, zu den fehlenden Rohstoffen bei den Ketten komme der Chipmangel hinzu: "Manche Erstausstattungen haben Vorlaufzeiten von bis zu 800 Tagen. Der Wahnsinn."

Susanne Volkheimer und Jürgen Bergmann sind in einem Waldstück in den Hassbergen mit einem Gravelbike unterwegs.
Foto: René Ruprecht | Susanne Volkheimer und Jürgen Bergmann sind in einem Waldstück in den Hassbergen mit einem Gravelbike unterwegs.

Welcher Trend geht gerade steil im Fahrrad-Markt?

Neben den E-MTBs in der Rhön werden laut Teresa Raab momentan die Allround-Modelle, also All-Terrain-Bikes oder SUVs, nachgefragt. "Das sind Räder mit Vollausstattung, die überall gefahren werden können." Auch das Interesse an Light-E-MTBs sei in ihrem Geschäft immens.

Bei "DerWolf" sei die Nachfrage nach Gravelbikes "nicht nur gut, sondern sagenhaft!", schwärmt der Chef. Ähnliches berichten Enrico Bohn aus Nordheim und Jürgen Gaul. Letzterer sieht gar eine Renaissance bei den Rennrädern. Die sportlichen E-MTB werden nächstes Jahr gewichtoptimierter und im Tourenbereich lautet der Trend: "big is better, was Reifen angeht".

Machen Internet-Verkäufe den Standort-Händlern das Geschäft kaputt?

Das sieht Bernhard Wolf nicht so. Er verweist auf die Servicepartnerschaft. "Wer sein Rad im Internet kauft, hat irgendwann verloren. Spätestens dann, wenn die erste Wartung oder Reparatur ansteht." Denn alle Werkstätten seien zu 100 Prozent ausgelastet, und zwar von der Kundschaft, die ihr Rad bei den Händlern gekauft hat. Schließlich sei ein E-Bike nicht mehr nur Mechanik, sondern auch diffizile Technik. "Und Elektronik kann nicht jeder!" Auch Jürgen Gaul sagt, dass sich Internet-Schnäppchenjäger in der Werkstatt hinten anstellen müssen. Man könne es der Kundschaft aber nicht verdenken, wenn sie ihr Wunschbike im Internet findet und dafür 100 Kilometer fährt, um es zu kaufen. "Wie es wird, wenn es wieder Ware gibt, kann ich nicht absehen. Dann haben wir schon einen Konkurrenten!", so Gaul.

Hält der Rad-Boom noch weiter an?

"Wir haben vor zwei Jahren schon auf eine Delle beim Verkauf gewartet. Die ist aber nicht gekommen", sagt Enrico Bohn. Komme aber eine Inflation, könne die starke Nachfrage abebben.

Die Sicherheit in den Krisenzeiten sieht auch Bernhard Wolf als mögliche Eindämmung an. Auf der anderen Seite hat er vielfach schon von seinen Kunden gehört, dass sie sich lieber ein gutes Fahrrad kaufen, als ein zweites Auto. "Bei diesen Spritpreisen ist das Rad immer die bessere Alternative." Das sagt auch Jürgen Gaul: "Das E-Bike wird bei der Mobilität mehr an Bedeutung gewinnen, zudem ist Radfahren gesund und macht Spaß." Über die steigenden Energiekosten und neuen Konzepten im Bikemarkt werde der Boom zusätzlich noch anhalten.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Neustadt
E-Bikes
Händler
Kundenwünsche
Radwege
Freizeittipps und Ausflugsziele in der Rhön
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • rhönfuchs
    Bio Bike? Geht's noch? Ich besitze ein "Fahrrad". Wie weit soll die Verunglimpfung der deutschen Sprache noch gehen? Ein Vorschlag für das Unwort des Jahres: Bio-Bike.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten