Auf der Holzplatte des Brotzeitwagens liegt kein Schinken mehr, in den Schubfächern kein Besteck und an den Haken hängen nicht wie früher Würste für die Mitternachts-Brotzeit. Stattdessen prangt ein "Zu verkaufen"-Schild an dem Wagen in "Mein Stammlokal bei Michael" in Bad Neustadt. Pächter Michael Minnich braucht ihn nicht mehr: Zum 30. September 2023 hat er den Pachtvertrag für die Gaststätte gekündigt.
"Ich habe immer gesagt: Wenn ich gesund bleibe, kann ich mir locker vorstellen, das bis 70 zu machen. Es hat mir immer Spaß gemacht", erzählt Michael Minnich, der in diesen Tagen das Lokal ausräumt. Doch es kam anders: Ende Mai 2023 musste sich der 64-Jährige einer Herz-OP unterziehen und soll sich seither schonen. Hinzu kam ein unschönes Telefonat mit einem Kunden Mitte Juni. "Da wurde mir bewusst, es ist fertig. Ich will diesen Stress nicht mehr" so Minnich.
Michael Minnich brachte sich das Kochen selbst bei
Seit 2011 bewirtete Minnich den Stadtsaal mit seinen bis zu 400 Plätzen und die angeschlossene Gaststätte mit rund 70 Plätzen. Zuvor hatte er drei Jahre lang die Vereinsgaststätte des Sportheims in der Gartenstadt geführt.
Bei Konzerten im Stadtsaal sorgte Minnich für Essen und Getränke ebenso wie bei Veranstaltungen des Karnevalsvereins KV Stadtgarde. Am Herzen lag ihm auch stets der Dienstagsstammtisch – von anfangs 32 Personen sind mittlerweile nur noch vier übrig geblieben, der Rest ist gestorben oder lebt im Pflegeheim. Die Stammtischmitglieder erzählten ihm mit dem Hinweis: "Setz dich her, wir wollen mal reden", stets die Neuigkeiten aus der Gartenstadt und darüber hinaus.
Das Kochen brachte sich der gelernte Bäcker und Versicherungskaufmann Minnich selbst bei – und hatte stets Freude am Wirt-Sein, wie er berichtet. "Ein Highlight war immer der erste Weihnachtsfeiertag, wenn Lucky gespielt hat. Das war eine besondere Stimmung", erzählt Michael Minnich und lächelt bei der Erinnerung.
Auch traurige Anlässe wie Tröster bewirtete er, außerdem Geburtstage oder Hochzeiten. Zur Brotzeit um Mitternacht kam sein Brotzeitwagen zum Einsatz. "Das Teil war immer ein Hingucker, über den sich alle gefreut haben", sagt der 64-Jährige und lacht.
Warum das Lokal in Bad Neustadt fast ein Familienbetrieb war
Doch Minnich verhehlt auch nicht, dass Corona einiges zum Negativen veränderte: Feiern gab es lange Zeit nicht mehr, außerdem plagten ihn immer größere Personalsorgen. "Zum Glück haben meine Freundin, meine drei Geschwister und ihre Kinder geholfen, das Lokal am Leben zu halten. Das war fast schon ein Familienbetrieb", zeigt sich Minnich dankbar.
Insofern betrachte er die Schließung mit einem weinenden und einem lachenden Auge. "Wenn ich an meine Gesundheit denke, bin ich froh darüber, es war doch sehr viel Stress. Auf der anderen Seite ist aber natürlich Wehmut dabei. Man kommt immer noch gerne her, aber man weiß, dass es fertig ist", beschreibt Minnich seine Gefühlslage.
Die Stadt Bad Neustadt sucht erst zum 1. November einen neuen Betreiber für die Gaststätte. Bis dahin will Minnich möglichst viel von dem ihm gehörenden Inventar verkaufen. Vielleicht findet dann auch der Brotzeitwagen einen neuen Besitzer und wird bald wieder mit Schinken, Besteck und Würsten bestückt.