Neben dem integrierten Mobilitätskonzept und der Vereidigung des neuen Stadtrates Christoph Rothhaupt hat der Stadtrat von Bad Neustadt in seiner jüngsten Sitzung über das Thema Freiflächen-Fotovoltaikanlagen (FF-PVA) und konkret über einen Kriterienkatalog diskutiert.
Nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine sind die Aspekte Energieversorgung und Energiesicherheit zentrale Themen in Politik und Gesellschaft geworden, begann Stadtbaumeister Michael Wehner seine Ausführungen. Die Stadt Bad Neustadt hat sich zum Ziel gesetzt, den Netzdurchsatz im Stadtgebiet in Höhe von circa 120 Millionen Kilowattstunden durch den Ausbau klimaschonender und regenerativer Stromerzeugung zu 100 Prozent zu ermöglichen.
Wie will die Stadt Bad Neustadt die Energiewende schaffen?
Ein Viertel davon, so der Wunsch der Stadt, soll die Bevölkerung durch Anlagen auf den eigenen Dächern beisteuern. Den großen Rest will man über Freiflächen-Fotovoltaikanlagen erreichen. Ein Kriterienkatalog soll helfen, eine transparente Entscheidungsgrundlage für die Öffentlichkeit, Grundeigentümer und andere Akteure zu schaffen.
Die Stadt erhofft sich so eine schnelle Umsetzung der Energiewende, ein Verhindern von städtebaulicher Fehlentwicklung und eine Arbeitshilfe für den Stadtrat, um Anträge bewerten zu können.
Was hat es mit dem Kriterienkatalog auf sich?
Der Katalog legt grundsätzlich fest, wo solche Anlagen überhaupt entstehen können. Ausgeschlossen sind beispielsweise Naturschutzgebiete, Naturdenkmäler oder hochwertige landwirtschaftliche Flächen. Für Letztere wird die sogenannte Acker- und Grünlandzahl herangezogen.
Die ertragreichsten Äcker im Land würden eine Höchstpunktzahl von 100 erhalten.Das Stadtbauamt empfiehlt, Flächen mit einem Wert von über 55 beziehungsweise 45 auszuschließen, wobei ihm in Bad Neustadt kaum so hochwertig bewertete Böden bekannt sind.
Um das 75-Prozent-Ziel zu erreichen, wird der gesamte Zuwachs an Fotovoltaikanlagen im Stadtgebiet auf maximal 92 Hektar – das entspricht rund 2,5 Prozent des Stadtgebietes – gedeckelt.
Welche Kriterien müssen potenzielle Investoren und Betreiber erfüllen?
Die anfallenden Verwaltungskosten bei der Bearbeitung von Anfragen soll nicht die Allgemeinheit tragen, sondern der Investor selbst. Im Rahmen der Bauleitplanung entscheidet die Stadt unter anderem über freizuhaltende Flächen (Sichtdreiecke), verbietet den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln und schreibt einen Mindestabstand von 20 Zentimetern zwischen den PV-Modulen und der Bodenoberfläche. Auch eine maximale Höhe – Stichwort Horizontbildung – kann der Stadtrat festlegen, bekam Stadtrat Norbert Klein auf seine Nachfrage hin mitgeteilt.
Wenn ein Bebauungsplan steht, muss spätestens ein Jahr danach auch zwingend mit dem Bau begonnen werden. Nach maximal drei Jahren muss die Anlage stehen.
Zwei Anträge von Investoren – darunter eine geplante Anlage in Dürrnhof – liegen der Stadt bereits vor, die nach dem Verabschieden des Katalogs bearbeitet werden sollen. Danach ist vorgesehen, ein Projekt pro Jahr zu genehmigen. Sollte mehr Bedarf da sein, kann man darüber diskutieren, sagt Michael Wehner, gab aber zu bedenken, dass der Verwaltungsaufwand für eine einzelne große Anlage sehr Zeit aufreibend sei.
Sind eine kommunale und eine Bürgerbeteiligung vorgesehen?
Ja, empfiehlt Stadtbaumeister Michael Wehner ab einer Anlagengröße von über fünf Hektar. Dem lokalen Energieversorger und der Bevölkerung mit zusammengerechnet über 50 Prozent soll prinzipiell eine Beteiligung ermöglicht werden. Ob diese Option dann gezogen wird, entscheidet am Ende der Stadtrat.
Wehner rät auch, dass lokale Produkte/Firmen den erzeugten Strom abgreifen können. Und, dass die Stadt mit 0,2 Cent je Kilowattstunde an der FF-PVA zu beteiligen ist.
Was sagt Bürgermeister Michael Werner zum Katalog?
Bürgermeister Michael Werner begrüßt den Katalog und die Freiflächen-Fotovoltaikanlagen, auch wenn es ein schmaler Grat zwischen Energiewende und der Fläche für die Herstellung von Nahrungsmitteln sei. "Wir haben an vieles gedacht und können so einen Anteil zur Energiewende beitragen", ist sich Werner sicher.
Durch die Auflagen mache man die Tür auf für innovative Unternehmen und schließe sie gleichzeitig für reine Großunternehmer, die ausschließlich Profit für sich einstecken würden.
Welche Hinweise kamen von Stadträtinnen und Stadträten?
Grundsätzlich begrüßen alle Fraktionen den Katalog und die Bemühungen. Josef Rieken (CSU) meint, dass die Landwirtschaft das gut verkraften kann. Die Flächen seien zudem nicht dauerhaft ausgeschlossen und würden solange vor dem Einsatz von Pestiziden verschont.
Viola Neugebauer (Freie Wähler) sieht den Katalog als zukunftsweisend für Bad Neustadt an. Johannes Benkert (Neuschter Liste) regt an, eine Stadtkarte anfertigen zu lassen, auf dem alle infrage kommenden Flächen für FF-PVA im Stadtgebiet sichtbar werden.
Bettina Wagner (Grüne) will wissen, wie entschieden wird, wenn mehrere Anträge von Investoren gleichzeitig im Rathaus eintrudeln. Bei solchen Anlagen gäbe es immer viele subjektive Einflussfaktoren, beispielsweise optische Einflüsse oder das Verhältnis der Anlage zum Ortsgebiet, so Michael Wehner. Vorab gibt es eine interne Empfehlung anhand eines Punktesystems. Der Stadtrat muss letztlich darüber entscheiden, welche "beste Anlage" umgesetzt wird. "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst", gilt also nicht.
Wann wird der Kriterienkatalog verabschiedet?
Geplant ist, den Katalog in der nächsten Sitzung des Stadtrates am 2. Juni zu verabschieden. Bis dahin können die Fraktionen noch beraten und gegebenenfalls Änderungen beantragen.