38 Hektar in Rödelmaier, 35 Hektar in Dürrnhof und in vielen anderen Kommunen eine Anfrage nach der anderen: Da hat jemand den Reiz des ländlichen Raumes in Rhön-Grabfeld entdeckt. Großinvestoren nämlich, die sich Flächen sichern wollen, damit die Energiewende ein Erfolg wird. Und zwar für die großen Konzerne, die dann eben mit dem Verkauf regenerativer Energie ihre Kassen füllen. Kaum ein Viertel des Stroms stammt heute aus nachwachsenden Quellen. Da ist noch viel Luft nach oben. Und viele Flächen werden noch benötigt.
Projektierte Großanlagen wie diejenige in Dürrnhof sind zum Politikum geworden, das gilt auch für die Anlage in Rödelmaier. Auch bei kleineren Anlagen sind die Gemeinde- und Stadträte oftmals in einer Zwickmühle. Da erinnert man sich an die friedlichen Zeiten vor rund 15 Jahren zurück, als der Rhön-Grabfelder Bauernverband mit seiner genossenschaftlichen Agrokraft in Großbardorf, Kleinbardorf, Höchheim oder Hohenroth die ersten Fotovoltaik-Freiflächenanlagen errichtete. Die Vorgaben waren nicht Gewinnmaximierung oder ein Verdrängungswettbewerb. "Es waren und sind Projekte mit den Bürgern für die Bürger", sagt Mathias Klöffel, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) und Agrokraft-Geschäftsführer.
Exorbitante Pachtpreise
Als Vertreter des Bauernstandes sieht man die aktuellen Entwicklungen mit Sorge. "Die exorbitanten Pachtpreise, die von den Großinvestoren gezahlt werden, verzerren auch das Preisgefüge für die landwirtschaftlichen Flächen im Landkreis", klagt Klöffel. Leicht vorstellbar, wenn statt einer regionsüblichen Pacht von rund 300 Euro plötzlich 2000 Euro und mehr für den Hektar Ackerland geboten werden, wie der Großbardorfer Landwirt Klöffel erläutert. So etwas mache die verbliebenen landwirtschaftlichen Flächen in der Folge auch teurer. "Solche Summen sind dann nicht mehr seriös. Rentabel lassen sich damit Anlagen derzeit nicht betreiben. Es geht nur um Flächensicherungen für die Zukunft", glaubt Klöffel.
Besitzer der großen Flächen würden im Grunde die Großkonzerne, die sich so für die vollendete Energiewende rüsten, wenn der Strom zu 100 Prozent regenerativ gewonnen werden soll. "Aber was einmal verkauft ist, bekommt die Region nie wieder", zeichnet Klöffels Kollege Michael Diestel, Geschäftsführer des Bauernverbands Rhön-Grabfeld, ein dunkles Bild an die Wand. Die Gesellschaft müsse sich fragen, ob sie diese Entwicklung wolle.
Fotovoltaik passt in den trockenen Landkreis
Ein Problem sei auch, dass viele Verpächter solcher Flächen nicht mehr im Landkreis leben würden und so auch der Bezug zur Region fehle. "Dabei würde angesichts des Klimawandels eine Ausweitung der Fotovoltaik-Kapazitäten durchaus in unseren Landkreis gut passen", meint Klöffel, der die trockenen und warmen Sommer besonders im Grabfeld nur zu gut kennt.
"Es geht aber darum, dies alles nachhaltig zu organisieren", fordern Klöffel und Diestel. Und sie bringen die alten Ideale ihrer Agrokraft-Projekte im Geiste von Raiffeisen in Erinnerung. "Das Geld des Dorfes dem Dorfe", Raiffeisens Idee eines lokalen Wirtschaftskreislaufes könnte ein besserer Leitspruch sein für die Entwicklung regenerativer Ideen in Rhön-Grabfeld. Insbesondere die verschiedenen Allianzen im Landkreis wie beispielsweise die Grabfeld-Allianz könnten Bündnispartner sein für einen neuen Anlauf in Sachen Bürger-Fotovoltaik-Anlagen.
Überschaubare Anlagen
"Schätze heben" sei zum Beispiel der Leitspruch der Grabfeld-Allianz. "Wir haben solche Schätze, auch unsere Sonne. Aber wir sollten diese Schätze nicht verramschen für den kurzfristigen Profit", mahnt Klöffel. Stattdessen sollten die Kommunen mit ihren Bürgern nach passenden, überschaubaren Flächen suchen. "Am meisten Gewerbesteuern bleiben den Kommunen bei echten Bürgeranlagen", sagt Klöffel und verweist auf sein Großbardorfer Beispiel, wo rund 100 Anteilseigner das Solarkraftwerk Großbardorf betreiben.
Allianzen könnten sogar darüber nachdenken, ein eigenes Umspannwerk zu errichten, um ihren Strom auf die Mitgliedsgemeinden zu verteilen. "Auf diese Weise könnten viele Kommunen von kleineren Anlagen profitieren", sagt Klöffel. Das bremse auch eventuelle Neid-Gedanken.
Der Druck auf das Land wächst
So klein wie möglich wäre eher der Zielgedanke der Agrokraft-Mitstreiter. "Wir sind ja erst am Anfang eines Umbauprozesses. Der Druck auf das Land als Flächenressource wird noch weiter zunehmen", sagt Diestel voraus. Und auf diese Entwicklung müsse sich der Landkreis einstellen. "Wir wollen mit solchen Gedanken keine Werbeplattform für unsere Agrokraft liefern, sondern Denkanstöße bieten", so Diestel.
Die Fotovoltaik erlebt in Bayern nach ersten Boom-Jahren in den 2000-er Jahren offensichtlich ein Revival. 2010 war es zum Einbruch gekommen, als die Bundesregierung die Förderung von Fotovoltaikanlagen auf Ackerflächen beendete, nachdem es zu umstrittenen Großprojekten gekommen war. In letzter Zeit drängen die Projekt-Büros wieder verstärkt auf den Markt und fordern die Kommunen heraus. Die sehnen sich teils nach einer einheitlichen Vorgabe für den Landkreis. Die Stadt Ostheim hatte mit dem Vorgänger-Stadtrat noch einen Grundsatzbeschluss getroffen, Angebote auswärtiger Investoren abzulehnen.
Fotovoltaik-Parks als Öko-Flächen
Dass Fotovoltaik-Freiflächenanlagen eine Beeinträchtigung des dortigen Naturhaushalts darstellen müssen, verneint BBV-Geschäftsführer Diestel. "Wir können uns überall solche Anlagen vorstellen, wenn sie keine Reduzierung der Biodiversität bedeuten", sagt der Bauernverbands-Funktionär. Ganz im Gegenteil könnten solche weitgehend unberührten Flächen zu einer Steigerung des Artenreichtums in Fauna und Flora beitragen.
Auch die geplante Anlage bei Leutershausen sehe man deshalb positiv. "Man kann mit entsprechenden Konzepten aus den Flächen was Gutes machen, auch im Sinne einer Beweidung", sagt Diestel. "Und deshalb glauben wir nicht, dass es unbedingt Ausgleichsflächen geben muss für solche Parks, weil diese sogar eine ökologische Aufwertung bedeuten können", so die Meinung von Michael Diestel.