Es war eine besondere Sitzung des Stadtrates von Bad Neustadt an diesem Donnerstag. Zum einen, weil das Gremium das erste Mal seit über zwei Jahren Corona-Pause statt in der Stadthalle wieder im Sitzungssaal des Rathauses tagte. Zum anderen, weil das Gremium mit der Übernahme der Kurhaus Bad Neustadt GmbH durch die Stadt eine bedeutende Entscheidung fällte.
Bis es so weit war, mussten sich interessierte Gäste im Rathaus in Geduld üben. Die längere Diskussion über die Übernahme fand hinter verschlossenen Türen statt. Mit dabei war Kurhaus-Geschäftsführer Hermann Baer.
Bürgermeister Michael Werner: "Ich denke, wir haben das Richtige getan."
"Es war kein leichtes Unterfangen, weil wir mit dieser Thematik auf einen rasend schnell fahrenden Zug aufgesprungen sind", blickt Bürgermeister Michael Werner auf ereignisreiche Tage zurück. Er spricht nach der angekündigten Schließung der Casa Reha von einem nächsten "Feuer", um dessen Löschung man sich kümmern muss.
"Aber ich denke, wir haben das Richtige getan und kommen mit dem Beschluss unserer Verpflichtung nach, was die historischen Heilquellen und deren Zukunft betrifft", so Werner, der Stadtrat und Verwaltung für die geleistete Arbeit dankt. Seit 1853 ist das Privileg der Heilquellen in der Stadt anerkannt. Der Bürgermeister spricht die Elisabeth- und die Bonifatiusquelle sowie die Karl-Theodor-Quelle an.
Das "Feuer" entflammte bereits Mitte März. Da teilte Pächter Hermann Baer dem Stadtrat nichtöffentlich mit, dass er als Geschäftsführer der Kurhaus Bad Neustadt GmbH den Betrieb zum 31. August dieses Jahres einstellen möchte.
Die Schließung hätte nicht nur für die Mitarbeitenden Folgen. Der Stadt wäre ohne Kurmittelhaus, welches die Rhön-Klinikum AG besitzt, die letzte für den Erhalt des Titels Heilbad notwendige Einrichtung weggefallen.
Warum die Stadt Bad Neustadt in Zugzwang geraten ist
Was die Entscheidung so dringlich gemacht hat: In diesem Jahr – das ist seit Dezember 2016 bekannt – findet die Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen des Titels als Heilbades statt. Geprüft werden Klima/Bodenklima und Luftqualität auf der einen, Nachweis von bestehenden Kur- und Erholungseinrichtungen auf der anderen Seite.
Letzteres war Voraussetzung, dass die Stadt Bad Neustadt das Prädikat Heilbad erneut erhält. Ansonsten wäre es lediglich möglich gewesen, als heilklimatischer Kurort prädikatisiert zu werden. Mit der Übernahme der Geschäftsanteile der Kurhaus Bad Neustadt GmbH – laut Beschluss zu einem Preis von 110.000 Euro – will der Stadtrat die anbahnenden Probleme lösen.
Grüne: Warum aus einem strikten "Nein" ein "Ja" wurde
Dass die Übernahme im Gremium heiß diskutiert worden ist, lassen Reaktionen aus den Fraktionen erahnen. Angelika Högn-Kößler (Grüne) gibt zu, dass sie vor zwei Tagen noch strikt "Nein" dazu gesagt hat. "Wir laufen aber sonst Gefahr, die Solequellen als Heilmittel zu verlieren. Dann werden die Brunnen irgendwann zugeschüttet", fürchtet sie.
Es stehen viele Fragezeichen im Raum, was beispielsweise das finanziell nicht kalkulierbare Risiko angeht. Unklar ist auch, was die BGL-Grundbesitzverwaltungs-GmbH des Rhön-Klinikums fortan mit dem Gebäude vor hat. Aufgrund der kurzen Zeit erteilen die Grünen ihre Zustimmung.
So auch die Freien Wähler. "Wir stehen dem Kauf positiv, aber kritisch gegenüber", fasst Viola Neugebauer zusammen. Auch wenn der Kaufpreis im Beschluss nicht der tatsächlichen Höhe entspräche, sei dies akzeptabel. Die Heilmittel seien nicht nur ein Titel, sondern hätten das Leben von einigen Menschen langfristig verbessert. "Ein Kauf ist die beste Lösung in der momentan herausfordernden Situation", so Neugebauer.
Was die Freien Wähler neben der Übernahme des Kurhauses fordern
Die Freien Wähler fordern darüber hinaus, die Zukunft der Heilmittel und der Stadtteile Bad Neuhaus und Mühlbach langfristig zu planen, beispielsweise mit dem Aufstellen eines Sanierungsgebietes. Nach jahrelangem Stillstand bei diesen Themen will die Partei nun ihren Fokus darauf legen.
Der Stadtrat brachte die Übernahme des Kurhauses schließlich einstimmig auf den Weg. Bedingungen sind, dass das Personal zu gleichen Bedingungen übernommen wird. Außerdem soll der Verpächter auf das vertragliche Kündigungsrecht bis Ende 2025 verzichten und Instandsetzungsmaßnahmen übernehmen.
Zu guter Letzt steht der bisherige Geschäftsführer Hermann Baer dem Kurhaus bis 31. März 2023 als Beschäftigter zur Verfügung. Er soll sich, so der Wunsch des Stadtrats, insbesondere um die Abrechnungen kümmern.