Mehrere Schutzengel, Glücksbären und ein lächelndes Plüsch-Lama in freundlichen Fliederfarben bevölkern das Fensterbrett des kleinen Zimmers auf der neurologischen Intensivstation des Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt. Warmes Sonnenlicht fällt auf die Sammlung und komplettiert den Eindruck einer kleinen Glücksoase inmitten zahlreicher Kabel, Katheter und Schläuche, die im Bett einer jungen Intensivpatientin enden.
Besonders auffallend: die beiden dicken Plastikschläuche, die in einer Öffnung im Hals der Frau münden. Bei der Öffnung handelt es sich um eine Trachealkanüle, die durch einen Luftröhrenschnitt einen Zugang zur Luftröhre der Patientin offen hält. Die Schläuche und das damit verbundene Beatmungsgerät liefern ihr die Luft zum Atmen.
"Weaning" oder die Entwöhnung von der Beatmungsmaschine am Rhön-Klinikum
Eigenständiges Luftholen, ohne die Unterstützung der Maschine, das muss die Patientin, wie viele andere auf der Station, erst wieder trainieren. Diesen Prozess der Entwöhnung von der künstlichen Beatmung bezeichnen Mediziner als "Weaning", zu Deutsch "Entwöhnung". "Das ist eine Spezialform der Therapie, die nötig ist, weil die Atemmuskulatur nach einer langen künstlichen Beatmung erst wieder in Gang kommen muss", erklärt Dr. Hassan Soda, Chefarzt der Akutneurologie/Stroke Unit und neurologischen Intensivmedizin am Bad Neustädter Klinikum.
"Das ist je nach Dauer der vorherigen Beatmung ein sehr langwieriger Prozess und benötigt ein spezialisiertes Team. Das sind nicht nur die Ärzte, sondern selbstverständlich auch das Pflege- und Therapieteam", erklärt der Neurologe. Dieses Zusammenspiel wird auf der Station auch deutlich, wo die verschiedenfarbige Arbeitskleidung der jeweiligen Berufsgruppe Farbe in die einheitlich weißen Gänge und Zimmer bringt. Sie alle folgen dabei einem erklärten Ziel: "Dem Patienten zu helfen, so schnell wie möglich von der Beatmungsmaschine wegzukommen."
Zertifizierung als Weaning-Zentrum bestätigt jahrelange Expertise des Rhön-Klinikums
Eine Aufgabe, der man sich an der neurologischen Intensivstation des Rhön-Klinikums in Bad Neustadt bereits seit Jahren erfolgreich widmet. Für Dr. Volker Ziegler, Chefarzt der Klinik für neurologische Frührehabilitation und mit Soda verantwortlich für die Durchführung des Weanings, ein Grund, warum sich das Klinikum im Juni vonseiten der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) als Weaning-Zentrum zertifizieren ließ. "Wir haben diesbezüglich eine riesen Expertise und praktizieren das bereits jahrelang sehr gut, da sollte man diesen Titel auch haben."
Die offizielle Zertifizierung hat dabei keineswegs nur kosmetischen Nutzen. Bestimmte Bundesländer, wie etwa das benachbarte Hessen, erlauben die Entlassung von Langzeit-beatmeten Patientinnen und Patienten nur, wenn sie zuvor in einem Weaning-Zentrum behandelt wurden, erklärt Ziegler weiter. In der Hochzeit der Covid-Pandemie war das Rhön-Klinikum laut Soda das unterfränkische Anlaufzentrum für die Behandlung und das anschließende Weaning bei kritischen Covidfällen. Für ihn ein weiterer Beweggrund dafür, sich den Status auch offiziell bescheinigen zu lassen.
Rhön-Klinikum ist einziges DGAI-zertifiziertes Weaning-Zentrum in Unterfranken
Der Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt mit seinen Kliniken für Akutneurologie beziehungsweise für neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation ist dadurch das einzige entsprechend akkreditierte Zentrum in ganz Unterfranken. Ein hochprofessionelles Arbeitsumfeld, das dem Personal aufgrund der Multimorbidität (gleichzeitiges Bestehen mehrerer Krankheiten) der zu behandelnden Patientinnen und Patienten einiges abverlangt. Darauf angesprochen, betont der ausgebildete Pfleger und stellvertretende Stationsleiter Dominik Markert beim Besuch der Intensivstation besonders den Reiz dieser Arbeit:
"Weaning ist ein sehr interessantes Thema und auch für das Personal hier sehr interessant, weil man die Patienten dabei längerfristig begleitet", berichtet er. Man lerne die Patienten dadurch regelrecht "lesen". Da laut Markert bei etwa 90 Prozent der Patientinnen und Patienten Hirnschädigungen vorliegen, ist dies auch nötig und nonverbale Kommunikation gefragt: "Das ist manchmal nur ein Augenblinzeln oder eine kleine Blickfixation, aber dieses erste Herstellen irgendeiner Art von Kommunikation ist enorm wichtig."
Was für den Genesungsprozess entscheidend ist
"Da sind wir als Ärzte absolut auf die Kollegen angewiesen", pflichtet ihm Ziegler bei. Doch nicht nur das Zusammenspiel des Klinikpersonals muss funktionieren, auch die Einbindung und Betreuung der Angehörigen spielt für Ziegler eine wichtige Rolle: "Die Familie beschäftigt einen manchmal mehr als der Patient selbst."
An der Klinik gibt es daher eine eigene Angehörigen-Beratung, die dafür zuständig ist, Kontakt mit den Angehörigen aufzunehmen. In Erfahrung gebracht werden dabei auch Vorlieben der Patientinnen und Patienten, sei es Musik, Gerüche, wie ein bestimmtes Rasierwasser, Bilder oder die persönliche Kuscheltiersammlung auf dem Fensterbrett. All dies sind Stimulationen und eine Art Integration in die alte Umgebung, die für den Heilungsprozess förderlich sein können.
Umgekehrt, so Soda, sei die Entwöhnung von der Beatmungsmaschine deshalb von derart großer Bedeutung, da die Patientinnen und Patienten erst ohne die künstliche Beatmung wieder zu ihren Familien entlassen werden können. "Wir haben viele Angehörige, die sagen: Schafft ihr für uns das Weaning, dann können wir den Patienten zu uns nach Hause nehmen."
ja, es gibt noch ein weiteres Weaning-Zentrum in Unterfranken. Das Thoraxzentrum in Münnerstadt ist jedoch, wie sie geschrieben haben, von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zertifiziert und nicht von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI). Diese Unterscheidung habe ich in klar herausgearbeitet. Dass es sich bei den jeweiligen Zertifizierungen um sehr unterschiedliche Prozesse handelt und nicht jede Zertifizierung für jedes Haus geeignet ist, habe ich mir zudem sowohl von den Zertifizierungsstellen als auch von den Chefärzten in Bad Neustadt ausführlich erläutern lassen. Von "schlechter Recherche" oder fehlerhafter Berichterstattung kann somit nicht die Rede sein.
Mit freundlichen Grüßen
Simon Hörnig
Reporter
Weaningzentren in Unterfranken. Zumal die weiteren Zentren (zumindest eines) meist auch noch von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und dem Institut für Lungenforschung akkreditiert sind. Eine unterfranke weit erscheinende Lokalzeitung sollte sich da doch etwas besser informieren, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass man sich vor den Karren eines bundesweit agierenden Klinikbetreibers spannen lasse.