Hier der Honig, da die Kartoffelchips oder die Marmelade. Alles hat seine Ordnung in der großen Halle des Lebensmittel- und Getränkegroßhändlers Igros am Ortsrand von Salz. Muss es auch, schließlich soll nicht lange unter den insgesamt 6000 verschiedenen Lebensmitteln gesucht werden müssen, bis sich die bestellte Ware auf die Reise zu den Kunden machen kann.
Das Team rund um Geschäftsführer Johannes Graf sorgt zum einen dafür, dass das leibliche Wohl bei Veranstaltungen in der näheren Umgebung gesichert ist. Das Hauptgeschäft ist aber die Belieferung von rund 120 Dorfläden in Nordbayern, Südthüringen, Hessen und Baden-Württemberg. "Herzlich willkommen in der Dorfladen-Familie", heißt es deshalb auch groß auf der Firmen-Homepage.
Viele Dorfläden in der Region haben das gleiche Hauptproblem
Wie viele der Dorfläden das Unternehmen in naher Zukunft noch beliefern kann? Das ist fraglich. Denn: "Egal, wer einen Dorfladen betreibt, alle haben derzeit ein Hauptproblem: Personalmangel", sagt Johannes Graf. Es gebe viele Dorfläden, die sehr gut laufen und dennoch vor dem Aus stünden, wenn sich keiner mehr hinter die Kasse stellt.
Weitere Probleme sind laut Graf die gestiegenen Energiekosten und die Inflation. Die Einkaufspreise für die Händler seien noch mehr gestiegen als die Verkaufspreise im Laden. Die Gewinnspanne wurde kleiner.
"Wir haben uns deshalb vor Monaten Gedanken gemacht, was es denn für Möglichkeiten gibt, Dorfläden zu unterstützen und so umzufunktionieren, dass sie auf Dauer bestehen und fit für die Zukunft gemacht werden können", so Johannes Graf.
Was hat es mit "Mein Markt 24" von Igros in Salz auf sich?
Entstanden ist die Idee "Mein Markt 24". Das Hybrid-Konzept sieht vor, dass der Dorfladen mit Kühltruhen, Wurst- und Bäckertheke wie gewohnt zu festen Zeiten mit Personal besetzt ist. "Die soziale Komponente ist in Dorfläden sehr wichtig. Die Kunden wollen schließlich erzählen, was gerade los ist", nennt Johannes Graf die Wichtigkeit eines lockeren Plausches im laufenden Betrieb. Ein Dorfladen sei der Ort schlechthin, der für Lebensqualität im ländlichen Raum stehe.
Außerhalb der Zeit, in der Personal im Laden ist, übernimmt die Technik. So können die Kunden theoretisch rund um die Uhr einkaufen – auch ohne Personal: Noch schnell einen Becher Schmand, Knabberzeug für den Fernsehabend oder regionale Kartoffeln. Ausnahme dürfte vielerorts in Bayern noch der Sonntag sein – Stichwort: Ladenschlussgesetz.
Dennoch: "Die Öffnungszeiten verlängern sich, die Kosten bleiben aber gleich, da die Kühltruhen ohnehin eingeschaltet bleiben müssen. So sind höhere Umsätze möglich und der Dorfladen kann überleben", ist Johannes Graf überzeugt.
Hybrid-Variante: Für den Zutritt in den Dorfladen braucht es keine Kundenkarte
Beispielsweise mit einer herkömmlichen EC-Karte kann man die Türe öffnen, die Bezahlung erfolgt dann über einen großen Bezahlbildschirm, der mit den Kundinnen und Kunden spricht. Um Vandalismus und Diebstahl vorzubeugen, sind Überwachungskameras installiert. Der Kauf von Alkohol oder Tabak ist ohne Personal vor Ort nicht möglich.
In Wiesenbronn im Kreis Kitzingen ist zuletzt der erste Hybrid-Laden eröffnet worden, in Martinroda in Thüringen funktioniert ein Metzger im September seinen Laden aufgrund von Personalmangels in einen reinen 24/7-Laden mit Lebensmittelsortiment um. "Das ist nicht ideal, aber besser als nichts und die einzige Möglichkeit für den Betreiber", so Johannes Graf.
Welche Dorfladen-Projekte stehen in Rhön-Grabfeld an?
Und in Rhön-Grabfeld? Hier nennt der Geschäftsführer allen voran die Gemeinden Schönau und Salz. In Schönau könnte der bestehende Dorfladen zu einem Hybrid-Laden werden, in Salz fehlt es bislang komplett an einem Supermarkt.
Angedacht ist seit längerem, dass auf der Industriebrache neben dem Feuerwehrhaus Wohnungen und ein Einzelhandelsmarkt entsteht. Im April erklärte Bürgermeister Martin Schmitt auf der Bürgerversammlung, dass aufwendige denkmalschützerische Grabungen eine Bebauung verzögern würden.
Johannes Graf: "Wir sind überzeugt davon, dass das die Form der Nahversorgung der Zukunft ist."
Unabhängig dieser beiden Beispiele ist für Johannes Graf klar, dass die Probleme wie Fachkräftemangel in den kommenden Jahren nicht verschwinden werden. Im Gegenteil: Blinde Flecken, also Gemeinden ohne Nahversorgung, würden hinzukommen. "Statt Jammern sollten wir nach Lösungen suchen. Und wir sind überzeugt davon, dass das die Form der Nahversorgung der Zukunft ist", so der Chef von Igros.
Unabdingbar ist für ihn, dass es weiterhin einen Dorfladen-Betreiber vor Ort geben muss, der den Hut auf hat und sich mit den lokalen Gegebenheiten auskennt. "Wir sind lediglich der Konzeptgeber. Jeder sollte das machen, was er am besten kann", sagt Johannes Graf.
Es gehe rein um Unterstützung für die (älteren) Betreiber, die ihren Laden gerne noch ein paar Jahre führen möchten, sich jedoch eben nicht mehr den ganzen Tag hinter die Theke stellen wollen. "Deshalb vernichtet die 24/7-Technik auch keine Arbeitsplätze. Sie sorgt dafür, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben und das Geschäft nicht schließt", stellt Graf zum Hybrid-Konzept klar.